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"Heldenhafte Verehrung hat historisch selten gut geendet"

08. Mai 2021, 00:04 Uhr
"Heldenhafte Verehrung hat historisch selten gut geendet"
Maria Mesner Bild: Uni Wien

Die Historikerin Maria Mesner über das Mutterbild in Österreich seit Einführung des Muttertages in den 1920er Jahren.

Maria Mesner, stellvertretende Leiterin des Instituts für Zeitgeschichte an der Universität Wien, über den Muttertag, seine Entwicklung und schwierige Mutterbilder.

OÖNachrichten: Was ist der morgige Muttertag für Sie? Ein Tag der Wertschätzung oder eher Folklore?

Maria Mesner: Das ist individuell sehr verschieden. Ich bin überzeugt, dass jene, die ihn begehen, ihre Mütter sehr schätzen. Und wenn das ein Tag ist, an dem man sich Zeit füreinander nimmt, ist das etwas Gutes. Neben diesen privaten Wertschätzungen ist der Muttertag vor allem ein Geschäft.

In seiner Geschichte hat der Muttertag auch eine frauenrechtliche Ebene.

Der Muttertag stammt aus den USA und hatte mit einer bestimmten Definition von Frauenrechten zu tun, nämlich Mütterrechten. Mutterschaft war oft die einzige Quelle der Wertschätzung für Frauen. Deshalb hatten Frauenrechtlerinnen die Idee, das aufzuwerten, um Wertschätzung generell zu heben. Aber es hatte nie eine ermächtigende Dimension. Bei seiner Einführung in Europa Anfang der 20er Jahre hatte diese frauenrechtliche Ebene keine Bedeutung mehr. Zwei Gruppen setzten sich damals für die Einführung ein: die Gärtner und die katholische Kirche.

Welche Bedeutung hatte der Muttertag in seinen Anfängen?

Die Gesellschaften in Europa nach dem Ersten Weltkrieg waren verunsichert. Gott, Kaiser, Vaterland waren ins Wanken geraten. Zudem wurde das Frauenwahlrecht eingeführt, Frauen hatten während des Krieges bewiesen, dass sie viele Berufe und Funktionen ausfüllen können. Die Geschlechterrollen veränderten sich, es gab neue politische Möglichkeiten für Frauen. Und genau in dieser Zeit wurde mit dem Muttertag auf eine althergebrachte Rolle abgezielt. Das war so etwas wie ein Beruhigungsversuch.

Also hat vor allem der bewahrende Aspekt eine Rolle gespielt?

Wir hatten eine Gesellschaft, in der 30 Prozent der Frauen berufstätig sein mussten, um die Familie zu erhalten oder mitzuerhalten. Anlässlich des Muttertages wurde dann so getan, als könnten Frauen nur Mütter sein und in dieser Aufgabe aufgehen, als hätten sie nicht ganz verschiedene andere Notwendigkeiten. Damit wurde ein erheblicher Teil der Realität schlichtweg ausblendet. Noch dazu der Teil, der konfliktreich und schwierig war in einer Gesellschaft, in der es keine Kindergärten, keinen Mutterschutz, kein Karenzgeld gab. Stattdessen wurde immer nur das konfliktfreie Bild der sich aufopfernden Nur-Mutter gezeichnet.

Woher kommt dieses Bild der aufopfernden Nur-Mutter?

Das Frauenbild, dass die vorrangige Aufgabe der Frau Mutterschaft sei und sich nicht mit Erwerbsarbeit vertrage, das war sehr stark das Bild der katholischen Kirche. Sie hat sich lange gegen die Erwerbstätigkeit von Frauen ausgesprochen. Das Bild war nie realistisch, für ganz viele Bevölkerungsgruppen. Das hat die Kirche nicht wahrhaben wollen.

Die Debatte führt man heute noch: Wie geht sich das mit Erwerbsarbeit aus, leidet nicht das Muttersein? Hat sich da wirklich so wenig geändert?

Die Debatte hat sich verschoben. Es wird in der Öffentlichkeit niemand mehr sagen, dass Frauen mit Kindern nicht erwerbstätig sein können. Noch in den 50er und 60er Jahren wurden alle Übel der Gesellschaft, von der Gewalttätigkeit unter Jugendlichen bis hin zum Drogenkonsum, den berufstätigen Müttern als Schuld zugeschrieben. So ist das nicht mehr, aber offensichtlich ist Vereinbarkeit nach wie vor ein Frauenthema. Frauen müssen ihre Betreuungsaufgaben vereinbaren, nicht Männer. Man hängt bestimmte Aufgaben nur einem Teil der Bevölkerung um und nimmt den anderen davon aus. Und der Teil, der die Aufgaben bekommen hat, ist dann noch allein verantwortlich, die Probleme damit zu lösen. Die Gesellschaft muss Vereinbarkeit diskutieren, aber das Thema müssen nicht nur die Frauen lösen.

Wie ist das nun mit der Wertschätzung: Gibt es sie nun für die Aufgaben der Mütter?

Wenn ich mir als Historikerin ansehe, ob das gut gewesen ist, wenn sich der Staat zu sehr um die Wertschätzung der Mütter gekümmert hat, bin ich mir nicht sicher, ob das die besten Zeiten waren. Das war während der NS-Zeit und in der stalinistischen Sowjetunion. Immer wenn Nationalismus eine starke Rolle spielte, kam man drauf, die Mütter zu ehren. Wäre es nicht besser, die Entscheidung, Kinder zu haben oder nicht, als privates Glück stehen zu lassen und als Gesellschaft zu sagen: Okay, wenn du das tun willst, unterstützen wir dich, wo wir können. Vielleicht sollten wir uns die heldenhafte Verehrung gar nicht wünschen, das hat in der Geschichte selten gut geendet.

Ist der Mutterbegriff deshalb so schwierig, gerade für liberale oder feministische Kreise?

Meistens war der Verweis auf das Muttersein verbunden mit einem einschränkenden Argument für Frauen. Historisch betrachtet geht das immer Hand in Hand: Du bist Mutter, das ist so wichtig, deshalb kannst du dieses oder jenes nicht tun. Also Verzicht und Aufopferung. Die Frauenbewegung ist angetreten, um das Aufopferungspotenzial von Frauen zu reduzieren. Weil es ja nicht einzusehen ist, warum sich eine Hälfte der Menschheit aufgrund ihres Geschlechts immer aufopfern soll. Dass für diese Bewegung das Mutterbild schwierig ist, verwundert nicht.

Hat sich das Mutterbild gewandelt?

Früher war gut, wenn die Mutter kochen konnte und sie sich gut um die Kinder gekümmert hat. Jetzt müssen Frauen viel mehr können. Erfolg zu haben, genügt nicht nur mehr in der Funktion Mutter, sondern auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen. Und das ist eine ziemliche Herausforderung.

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