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"Es wäre nicht nötig gewesen, dass sich Inflation in unseren Köpfen festsetzt"

Von Dietmar Mascher, 22. Februar 2023, 00:04 Uhr
Teodoro Cocca
Teodoro Cocca Bild: Volker Weihbold

LINZ. Finanzexperte Teodoro Cocca über Fehler der EZB und Wohlstandsverluste für die Bürger.

Warum die europäischen Währungshüter in den vergangenen zwölf Monaten Glaubwürdigkeit verloren haben, die steigenden Zinsen aber für die hochverschuldeten Länder dennoch keine Gefahr einer neuen Schuldenkrise bedeuten, erklärt der Finanzprofessor Teodoro Cocca von der Kepler-Universität Linz (JKU).

OÖNachrichten: Die Europäische Zentralbank EZB hat Anfang Februar die Leitzinsen noch einmal erhöht und angedeutet, dass es nicht der letzte Zinsschritt war. Auf der anderen Seite schwächelt die Konjunktur. Welchen Spielraum hat die EZB?

Teodoro Cocca: Die EZB hat in dieser Inflationsphase eine sehr schlechte Figur gemacht. Sie war in jeder Phase zu spät. Zuerst hat sie die Inflationsgefahr heruntergespielt. Dann hat sie zu spät begonnen, Zinserhöhungen vorzunehmen. Und jetzt will sie besonders aggressiv werden in der Inflationsbekämpfung, obwohl sich schon abzeichnet, dass die Inflation ihren Höhepunkt überschritten hat und bald sinken wird, weil die Konjunktur schwächelt und die Energiepreise im Fallen sind. Vor allem Frau Lagarde hat in den vergangenen zwölf Monaten viel an Glaubwürdigkeit eingebüßt.

Wie wird Frau Lagarde weiter vorgehen? Braucht es keine weiteren Zinsschritte wie die angekündigte Erhöhung um mehr als einen Viertelprozentpunkt?

Doch. Aber die plötzlich so aggressive Rhetorik passt bald nicht mit der wirtschaftlichen Realität zusammen. Die jetzigen Pläne sehen ja vor, dass bis in den Sommer hinein die Zinsen angehoben werden. Das könnte dann schnell zu viel sein und würde einmal mehr bestätigen, dass die EZB hinten nachhinkt. Der jetzige Zwang zu einem besonders aggressiven Ton der EZB ist dem Zögern der Vergangenheit geschuldet und kein Zeichen von Stärke.

Das heißt, die EZB hängt sich an die US-Notenbank Fed und ist immer einen Schritt zu spät?

Ganz genau. Gemessen am wichtigsten Ziel einer Notenbank – der Inflationsbekämpfung – ist der EZB ein schlechtes Zeugnis auszustellen. Es ist der Klassiker: Zögerliches Abwarten zu Beginn rächt sich in der langen Frist. Man ist dann gezwungen, in einer sich abschwächenden Wirtschaft die Zinsen weiter zu erhöhen. Der Kern der Inflationsbekämpfung ist möglichst frühes Handeln, weil die Maßnahmen erst mit Zeitverzögerung wirken. Das steht in jedem Lehrbuch. Jetzt hat sich die Inflation in unseren Köpfen festgesetzt. Das wäre nicht notwendig gewesen. Aber wenn Frau Lagarde sagt, die Inflation sei aus dem Nichts gekommen, dann muss man sich schon fragen, was sie sich dabei denkt. Es ist schon klar, dass der Krieg Russlands gegen die Ukraine die Entwicklung beschleunigt hat, aber keineswegs der Auslöser für die Teuerung war. Das sieht man an der steigenden Kerninflation.

Die EZB hat ja massiv Geld gedruckt, indem sie staatliche Anleihen gekauft hat.

Wenn ich das schon mache, wofür es gute Gründe gegeben haben mag, muss ich mit allerhöchster Aufmerksamkeit jedes Aufflackern der Inflation erkennen und sofort reagieren. Aber die EZB hat das derart falsch eingestuft, das war ein gravierender Fehler.

Macht es Frau Lagarde weniger gut als Herr Draghi und dessen Vorgänger, oder hat die EZB eine Tradition in schlechter Führung?

Die EZB hat zwei Dinge konsequent verabsäumt: zu beweisen, dass sie politisch unabhängig agiert und dass die Inflationsbekämpfung ihr oberstes Ziel ist.

Was ist ihr oberstes Ziel?

Die Eurozone dank leistbarer Schuldenberge zusammenzuhalten. Das ist auch ein hehres Ziel, steht aber nicht in ihren Statuten.

Ist die EZB nicht dazu verdammt, eine Ersatz-Wirtschaftsregierung zu sein, weil die EU-Kommission diesem Anspruch nicht gerecht wurde?

Ja, das schon. Aber ausgebildete Geldpolitiker sollten schon wissen, welche Gefahren eine ultraexpansive Geldpolitik birgt. Nämlich einen enormen Wohlstandsverlust in der Bevölkerung.

Welche Auswirkungen haben die steigenden Zinsen auf die stark verschuldeten Länder Südeuropas?

Das ist noch kein Problem. Das Geld ist langfristig aufgenommen, und es braucht viele Jahre, bis sich die Erhöhungen spürbar auf die gesamte Zinsenlast auswirken. Vor allem aber hat die EZB ja ihre schützende Hand über die schwachen Euroländer ausgebreitet, um Panik zu vermeiden und Zinsen nicht stärker steigen zu lassen.

Die Rechnung zahlen nicht die Staaten, sondern die Bürger.

Man kann es so formulieren: Die Inflation ist eine Steuer zur Stützung des Euros. Diese Stützung kann schon sinnvoll sein. Die Frage ist nur, ob zehn Prozent unseres Wohlstands der geeignete Preis dafür sind.

Welche Auswirkungen hat die Inflation auf die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft?

Zu sehen ist ein schuldenfinanzierter Subventionswettbewerb, um den Kaufkraftverlust zu kompensieren. Das sind zumindest in Teilen Konsumausgaben auf Pump. Langfristig senkt das die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes, weil Geld nicht dort investiert wird, wo es langfristig Wohlstand schafft.

Wir haben auch Inflation importiert, weil der Euro so schwach war. Jetzt ist er wieder stärker, warum hat sich das gedreht?

Weil der Winter in Europa glimpflicher als erwartet verlaufen ist. Langfristig neigt der Euro zur Schwäche, weil der Schuldenberg der Staaten nicht kleiner wurde.

Neuer OÖN-Podcast

Ab sofort wird OÖN-Wirtschaftsressortleiter Dietmar Mascher alle 14 Tage mit Experten aus der Finanzwelt im Podcast "Geld und Leben" über Tipps und Tricks rund um das Thema Geldanlage und Finanzen sprechen. Teodoro Cocca war der Gast in der ersten Folge und gibt Ratschläge für den Einstieg in die Geldanlage mit Wertpapieren:

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Autor
Dietmar Mascher
Stellvertretender Chefredakteur, Leiter Wirtschaftsredaktion
Dietmar Mascher

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17  Kommentare
17  Kommentare
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RobertReason (3.014 Kommentare)
am 22.02.2023 20:32

Prof. Hans-Werner Sinn meint: "Die EZB hat das Mandat für die Preisstabilität zu sorgen. Gemacht hat sie ganz was anders: nämlich Politik. "

Wo sind da die "Kontrollorgane" der EU?

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sagenhaft (2.061 Kommentare)
am 22.02.2023 18:55

ja, deshalb will die EU in der Ukraine auch keinen Frieden weil auch dort geht die Geldblase und Geldvernichtung. Es geht da ja um 5 Billionen Euro die die EZB versenken muss

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Berkeley_1972 (2.243 Kommentare)
am 22.02.2023 16:46

@ Lagarde: Rosen stechen, Veilchen stinken - wir warten entnervt, dass die Preise sinken (und sie endlich abhauen) 🤮👿

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Berkeley_1972 (2.243 Kommentare)
am 22.02.2023 16:45

Lagarde kann nur noch mit schwachsinnigen Twitter-Nachrichten punkten. Am 14.2. twitterte sie geistreich: „Roses are red -Violets are blue- We will stay the course- And Return Inflation to 2“ 😖😤🤮

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angerba (1.518 Kommentare)
am 22.02.2023 13:54

Hohe Zinsen belasten aber insbesondere junge Leute ebenfalls. Hohe Zinsen Nutzen nicht jeden!

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her (4.560 Kommentare)
am 22.02.2023 14:03

Was hätten junge Leute von Nullzinsen,

da die (Immobillien)Preise inflationiert (aufgeblasen) wurden, und die Nachwachsenden sich den teuren Wohnraum nicht leisten können?

Ganz abgesehen davon kaufe ich mir wegen der abnehmenden inneren Sicherheit im Bundesgebiet
keinen Grund mehr

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her (4.560 Kommentare)
am 22.02.2023 13:46

Wider die Geldentwertung,
die wie eine Steuer auf die Haushaltseinkommen wirkt!!

Wann kommt die Klage der 🫒 Regierung auf Einhaltung des Inflationsziels beim EU Gericht?

Wann ver(handeln) die ¿Ökosozialen?
die Anpassung der Mieten an die Inflationsrate Anfang kommenden Mai (April)?

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dachbodenhexe (5.628 Kommentare)
am 22.02.2023 12:55

Der Kern der Inflationsbekämpfung ist möglichst frühes Handeln, weil die Maßnahmen erst mit Zeitverzögerung wirken. Das steht in jedem Lehrbuch.

Vor allem aber hat die EZB ja ihre schützende Hand über die schwachen Euroländer ausgebreitet, um Panik zu vermeiden und Zinsen nicht stärker steigen zu lassen.

Diese beiden Sätze sind nicht vereinbar und daher wird die Inflation erst vorbei sein, wenn die schwachen Euroländer ihre Staatsverschuldung abgebaut haben. Diese Staatsverschuldung, welche die EZB veranlasst hat Unmengen an Geld zu drucken um diese Länder zu "retten".

Wenn nun die Zinsen steigen, dann ist dies gut für die Inflation allerdings bringen steigende Zinsen die schwachen Euroländer wieder in eine starke Bedrängnis. Daher können die Zinsen nicht hoch gehalten werden da ansonsten der "schützenden Hand" die Schutzwirkung genommen wird.

Die Inflation werden wir daher noch länger haben da ansonsten ein weiteres Gelddrucken zur wiederholten Rettung erforderlich wird.

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her (4.560 Kommentare)
am 22.02.2023 13:57

<Wenn die schwachen Euroländer ihre Staatsverschuldung abgebaut haben>

Also nie?

In ihrer Analyse fehlt:
1. Die Geldentwertung in Österreich liegt durch die Regierungspolitik weit über dem Durchschnitt im Teuroraum.

(Ich schreibe Ihnen mit erster Hand Vergleich von einer afrikanischen Insel eines EU Landes, wo ich Energieferien mache)

2. Die Regierung hat im Gegensatz zu den Bürgern einen Vorteil von der Inflation weil diese (in Abhängigkeit vom BIP) die Staatsverschuldung inflationären kann.
Suchen Sie
<finanzielle Repression>

und
treffen Sie persönliche Maßnahmen (außerhalb des EUroraums) zur Sicherung ihres Vermögens

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teja (5.824 Kommentare)
am 22.02.2023 11:37

Die Inflation hat sich im Geldbörsel ausgebreitet, im Kopf wärs mir egal.

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laskpedro (3.325 Kommentare)
am 22.02.2023 10:53

der analyse ist nichts hinzufügen ....
.. .nur die politiker und ihre medien haben bis jetzt den ukraine krieg als ursache dieser katastrophe hingestellt.. jedes kind hat schon vor langem erkannt dass die ezb ( statutenwidrig) politik gegen die bürger macht um manchen politikern im süden zu gefallen.. eine schande .. nicht umsonst waren draghi und die vorbestrafte legarde federführend an dem scherbenhaufen

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Flachmann (7.126 Kommentare)
am 22.02.2023 09:51

Wir werden die Briten noch beneiden!

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trude (1.252 Kommentare)
am 22.02.2023 11:48

..dann schau bitte nach Großbritannien was sich dort gerade abspielt. Es ist gerade umgekehrt, der Großteil der Bevölkerung will nach den Ausstiegslügen die dort verbreitet wurden, wieder zurück in die EU.

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her (4.560 Kommentare)
am 22.02.2023 13:41

Interessant,
und ich dachte die Bundesrepublik sei in der Winterrezession &
nicht das UK?

Wert Realos: Memorandum für eine andere Politik

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Klettermaxe (10.487 Kommentare)
am 22.02.2023 08:20

Endlich liest man von einem Experten, dass die EU-Politik auf Kosten des Wohlstands der Bürger geht.

Ich bin niemals EU-feindlich gewesen, aber was die jetzigen Amtsträger machen, ist zu sehr Ideologie-lastig und richtet sich meiner Meinung nach letztendlich gegen die Bürger. Da wollen einige gut leben und sich selbst mit ihren Taten verewigen, aber letztendlich passiert ein Fehler nach dem anderen. Die EU-Außenpolitik ist nur mehr ein schlechter Witz, die Innenpolitik ist ähnlich freundschaftssüchtig und man will es offenbar allen recht machen und die schwache Geldpolitik beschreibt der Artikel.

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Zonne1 (3.627 Kommentare)
am 22.02.2023 09:37

wir dürfen auf gar keinen Fall Experten-hörig sein !

und die Börsen-Spekulanten, die die Preise treiben, sind die gefährlichsten

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sagenhaft (2.061 Kommentare)
am 22.02.2023 18:23

ja aber die zahlen die Lobbyisten und die wiederum zahlen.....
Stichwort Korruption

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