Ausstellung "plötzlich bob. Symbole des Aufbruchs"
Das Porzellanmuseum im Augarten beleuchtet die 1920er Jahre aus der Perspektive eines besonderen Materials. Als "fein und kühn" beschrieb die zeitgenössische Presse das seit 1923 im ältesten Wiener Barockgarten hergestellte Porzellan.
Mit einem Highlight feiert die Wiener Porzellanmanufaktur ihr hundertjähriges Jubiläum am Standort Augarten. Die Figur "Pyjama" von Mathilde Jaksch (1899–1989) wurde aus diesem Anlass als kleine Edition neu aufgelegt. Mit dem Modell aus dem Jahr 1928 schuf die Künstlerin ein kleines, feines Denkmal des Aufbruchs. Die historische Form der Figur ist erhalten und diente den Formenbauern der Manufaktur bei der Erstellung der neuen Form.
Die junge Frau aus Porzellan trägt einen Pyjama, jenes bequem flatternde und doch so elegante Ensemble, angelehnt an die Herrenpyjamas des Art déco. Sie betrachtet sich selbst und ihre neue Frisur im Handspiegel.
Der "Bubikopf", auch Bob genannt, ist ebenso neu und heiß diskutiert wie der Pyjama als Kleidung für den Strand oder das Dinner. Die Bemalung der Figuren in den zwanziger Jahren war sparsam, um die detaillierte Modellierung nur zart zu akzentuieren. Ein Hauch von rosigen Wangen, der Pyjama und die Pantoffeln mit dem schönen Korallenrot dekoriert, der Sockel in Gelb bemalt und mit den Initialen der Künstlerin, LJ für Lizzy Jaksch, versehen. Das korallenrote Pigment ist heute nicht mehr erhältlich. Der Porzellanmaler verwendete einen letzten Vorrat aus alten Zeiten, um die limitierte Edition der Figur "Pyjama" originalgetreu zu staffieren.
Die Millionenstadt Wien schritt trotz der politischen und wirtschaftlichen Katastrophen jener Zeit in eine frei und modern geträumte Zukunft. Zeitgeist und Moderne gehörten zu den Lieblingsbegriffen des Aufbruchs. Alles tanzte im flackernden Licht zwischen Glanz und Krisen. Die vibrierende Stimmung und das Selbstbewusstsein einer mutigen Zeit, die kaum ein Jahrzehnt dauerte, bleiben bis zu ihren Alltagsdingen spürbar. Die Ausstellung zeigt Träume und Realitäten der Künstler und Mitarbeiter, aber auch der Kundenkreise der Wiener Porzellanmanufaktur.
So nebensächlich er scheinen mag, der Bubikopf als Frisur, auch gerne lässig englisch "Bob" genannt, wurde dabei zum radikalen Zeichen des Bruchs mit den gängigen Rollenbildern. Die Scheren der zögerlichen Friseure arbeiteten pausenlos, Zöpfe und Chignons fielen auf Wunsch der Kundinnen reihenweise zu Boden. Das neuartige Ergebnis, das auch einen freien Blick ermöglichte und das individuelle Gesicht betonte, führte nicht selten zu privaten Zerwürfnissen und damit zu existenzieller Bedrohung.
Öffnungszeiten: Mo–Sa 10–17Uhr, Sonn- und Feiertage geschlossen