SPD-Parteitag: Rückendeckung für Scholz und Profilschärfung in Ampel
BERLIN. Dauerstreit in der "Ampel", Haushaltskrise und schwache Umfragewerte: Die deutschen Sozialdemokraten (SPD) haben mit ihrem Parteitag am Wochenende versucht, wieder Tritt zu fassen.
Nach engagierten Debatten schärften die 600 Delegierten SPD-Positionen zu Themen wie Sozialpolitik, Migration, Außenpolitik und Bildung - und sie stellten sich demonstrativ hinter Parteiführung und Kanzler Olaf Scholz.
Ein Überblick zu dem dreitägigen Treffen unter dem Motto "Deutschland.Besser.Gerecht.":
Kontinuität bei der Parteiführung
Die Wiederwahl der Parteispitze galt zum Auftakt am Freitag als erster Stimmungstest. Die Ergebnisse fielen dann besser aus als erwartet. Die Parteivorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil wurden mit 82,6 beziehungsweise 85,6 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt. Generalsekretär Kevin Kühnert erhielt bei seiner Wiederwahl sogar 92,6 Prozent.
Rückendeckung für den Kanzler
Es gab deutliche Kritik an Bundeskanzler Olaf Scholz, die kam aber vor allem von der Jugendorganisation Jusos. Ihr Vorsitzender Philipp Türmer verlangte von Scholz "Führung", die Lösung der Haushaltskrise und die stärkere Durchsetzung sozialdemokratischer Inhalte gegenüber den Ampel-Partnern FDP und Grüne. Sonst stellte sich die Partei aber zumeist klar hinter ihren Kanzler - zum Abschluss spendeten die Delegierten ihm fünf Minuten lang stehend Applaus.
Absage an Kürzungen in der Sozialpolitik
Besonders stark war der Beifall für Scholz, als er Forderungen auch des Koalitionspartners FDP nach Kürzungen im Sozialbereich wegen der Haushaltsprobleme eine klare Absage erteilte. Der Parteitag beschloss eine "einmalige Krisenabgabe" auf die höchsten Vermögen. Und auch durch eine Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer sollen Reiche stärker zum Gemeinwohl beitragen.
Schuldenbremse reformieren
Für einen "aktiven Staat" beim klimaneutralen und digitalen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft will die SPD die Schuldenbremse im Grundgesetz reformieren. "Starre Begrenzungen der Kreditaufnahme von Bund und Ländern" sollen fallen. Kurzfristig plädiert die Partei angesichts der Haushaltsprobleme dafür, die bisherige Schuldenbremse 2024 nochmals auszusetzen. Begründet werden soll die dazu nötige Notlage mit den Folgen des Ukraine-Kriegs.
Kampfansage gegen Hetze und Populismus
Heftige Angriffe von der Parteispitze gab es auf CDU-Chef und Oppositionsführer Friedrich Merz. "Für den billigen Erfolg einer Schlagzeile nimmt er in Kauf, das Land zu spalten", sagte Esken. Die Merz-CDU sei "die populistischste Opposition aller Zeiten" und hetze "im Chor mit der AfD" gegen die Ampel-Regierung, Klingbeil rief die SPD vor den Europa- und Landtagswahlen im kommenden Jahr seinerseits dazu auf, "Bollwerk gegen die AfD" zu sein. Diese hetze gegen Menschen mit anderem Glauben, verachte Demokratie und Rechtsstaat und stehe für weniger Arbeitnehmerrechte.
Migration
Absage an eine Obergrenze für Flüchtlinge, Unterstützung der Seenotrettung im Mittelmeer und ein wieder ausgeweiteter Familiennachzug für Menschen mit Schutzstatus unterhalb von Asyl: Angesichts der aufgeheizten Migrationsdebatte betonte die SPD eine menschliche Asylpolitik. Doch die Partei bekannte sich auch zu Abschiebungen, wenn kein Bleiberecht besteht. Deutliche Kritik gab es aber weiter an einer Interview-Äußerung von Scholz, der Abschiebungen "im großen Stil" gefordert hatte.
Eingeständnis von Fehlern in der Russland-Politik
Die Annahme, mit immer stärkeren Wirtschaftsbeziehungen zu einer Demokratisierung Russlands beizutragen, sei "ein Fehler" gewesen, stellte die SPD selbstkritisch zu ihrer Politik vor dem Ukraine-Krieg fest. Diese Annahme habe Deutschland "energiepolitisch in eine einseitige Abhängigkeit von Russland" geführt. Scholz sicherte der Ukraine weiter umfassende finanzielle und militärische Hilfe zu und warnte, dass diese womöglich noch jahrelang und in höherem Maße nötig sei.
"Führungsrolle" in der Außenpolitik
Staaten in aller Welt erwarteten, "dass Deutschland auf internationaler Ebene mehr Initiative zeigt und eine Führungsrolle einnimmt", heißt es im Beschluss zur Außenpolitik. Dort wird ein souveränes Europa als wichtigste politische Antwort auf die Zeitenwende bezeichnet. Militärische Stärke wird neben Diplomatie und Entwicklungspolitik ausdrücklich als Bestandteil einer wirksamen Friedenspolitik anerkannt.
Bildungspakt mit Länder und Kommunen
Die SPD will einen Deutschlandpakt Bildung mit Ländern und Kommunen. Dieser soll dazu beitragen, Ungleichheiten bei Bildungschancen zu beseitigen und eine ausreichende Zahl von Fachkräften sicherstellen. Zur Finanzierung vorgeschlagen wird etwa ein Sondervermögen, das unter anderem aus Mehreinnahmen durch Reformen der Erbschaftssteuer und der Einkommensteuer finanziert werden soll.