Rentenreform-Proteste eskalieren: Wie kommt Frankreich da wieder raus?

PARIS. Gewerkschaften kündigten für heute neue Proteste im ganzen Land an.
Die friedlichen Proteste zu Jahresbeginn gegen die Rentenreform haben sich zum Flächenbrand entwickelt. Das Land diskutiert nun auch über Polizeigewalt gegen Demonstranten, eine Missachtung der Demokratie und einen Rücktritt der Regierung. Die Abgeordnete Aurore Berge berichtete auf Twitter über Todesdrohungen gegen sie und ihr vier Monate altes Baby, weil sie für die Pensionsreform stimmte. Wie konnte es so weit kommen?
Die Streik- und Protesttage verliefen wochenlang überwiegend friedlich. Doch seit die Regierung die umstrittene Reform vergangene Woche ohne Abstimmung durch die Nationalversammlung geboxt hat, kommt es zu immer mehr Gewalt.
Bildergalerie: Frankreich: Massive Ausschreitungen bei Demos gegen Pensionsreform

"Szenen des Chaos" in Bordeaux
Die Tür des Rathauses von Bordeaux wurde in Brand gesteckt, die Bürgermeisterin von Rennes prangerte "Szenen des Chaos" in ihrer Stadt an. Einer Demonstrantin wurde in Rouen der Daumen abgerissen, in Lorient wurde eine Polizeistation angegriffen und ein Gewerkschaftsaktivist wurde in Paris schwer am Auge verletzt. Tonaufnahmen zeigen laut Berichten von franceinfo, wie eine Polizeitruppe Demonstranten einschüchtert und schlägt. Auch internationale Beobachter sind besorgt über die Eskalation bei den Protesten. Der Europarat zeigte sich alarmiert angesichts der Gewalt und forderte den Schutz der Versammlungsfreiheit.
Dass Emmanuel Macron am Freitag nun den Besuch des britischen Königs Charles III. abgesagt hat, könnte ein Zeichen dafür sein, dass er die Kontrolle verloren hat. Zumindest sollte es wohl ein Signal nach innen sein, dass er sich mit dem Frust der Menschen beschäftigt, anstatt sich im Königsglanz zu sonnen.
Große Aktionen angekündigt
Für morgen sind die nächsten Streiks und Demonstrationen geplant. Die Gewerkschaften kündigten große Aktionen an, die Stimmung ist aufgeheizt.
Wie es danach weitergeht, ist unklar. Möglich wäre ein nationales Referendum gegen das Vorhaben. Die Reform ist verabschiedet, liegt zur Prüfung aber beim Verfassungsrat. Noch steht nicht fest, wann dieser entscheidet. Macron will, dass die Reform bis zum Jahresende in Kraft tritt.
Laurent Berger von der Gewerkschaft CFDT fordert dagegen, das Vorhaben auf Eis zu legen. Macron sagte daraufhin beim EU-Gipfel in Brüssel, er sei offen für Gespräche mit den Gewerkschaften – über alle möglichen Themen mit Arbeits- und Sozialbezug, aber nicht über die Reform.
Parallelen zu den Gelbwesten
Macron hält bisher erbittert an seinem Schlüsselprojekt fest, so scheint es. Der kommunistische Politiker Fabien Roussel sagte dem Sender RMC, Macron hoffe womöglich, dass die friedliebenden Bürger auf seine Seite umschwenken. "Ich frage mich, ob Macron nicht alles versucht, um die Bewegung zu radikalisieren und die öffentliche Meinung gegen die Demonstrationen zu wenden – und das ist ernst."
So manche Beobachter sehen Parallelen zur Gelbwestenbewegung 2018 und 2019. Damals war die Erhöhung von Steuern auf Kraftstoff der Auslöser für umfangreiche Sozialproteste. Macron beruhigte die Unruhen teilweise mit einer nationalen Bürgerdebatte. "Emmanuel Macron versucht, seine Wählerbasis zu retten, aber auch seine alternative Mehrheit, die puzzleartig zersplittert ist", analysierte der Politologe Benjamin Morel bei franceinfo.
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