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Neue Töne in der Türkei: "Wir haben mit Österreich kein Problem"

Von nachrichten.at/apa, 04. Juli 2022, 15:40 Uhr
++ HANDOUT ++ AUSSENMINISTER ALEXANDER SCHALLENBERG UND INNENMINISTER GERHARD KARNER IN DER T?RKEI: KARNER/SCHALLENBERG/CAVUSOGLU/SOYLU
Außenminister Alexander Schallenberg (VP) und sein türkischer Amtskollege Mevlüt Cavusoglu Bild: MICHAEL GRUBER (BMEIA)

ANKARA. In den vergangenen Jahren waren die bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und der Türkei eher angespannt.

"Wir haben mit Österreich kein Problem." Dass der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu dies seinem "Freund Alexander" am Montag in Ankara vor versammelter Presse ausrichtete, war signifikant für die neuen Töne, die zwischen der Türkei und Wien neuerdings angeschlagen werden. Sein Amtskollege Alexander Schallenberg (ÖVP) erwähnte nach dem Treffen zwar, dass man nicht immer "einer Meinung" sei. Dies müsse dann aber mittels eines Dialogs auf Augenhöhe ausdiskutiert werden.

Die Frequenz der jüngsten bilateralen Gespräche könne sich jedenfalls "sehen lassen", freute sich auch Schallenberg. Zuletzt hatte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Rand des NATO-Gipfels in Madrid mit dem türkischen Präsidenten Reep Tayyip Erdogan konferiert. Dieser war zuvor auch mit Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP) und Bürgermeister Michale Ludwig (SPÖ) in Ankara zusammengekommen.

Schallenberg betont: "Kein Kuschelkurs"

In den vergangenen Jahren waren die bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und der Türkei eher angespannt. Hintergrund waren der Demokratie- und Rechtsstaatsabbau unter Erdogan, seine Einflussnahme auf die türkische Diaspora in Österreich sowie vermeintliche Versuche, die EU mit Migranten zu erpressen. Dass es jüngst aber wieder vermehrt Kontakte gab, sei aus seiner Sicht keineswegs auf eine "Charmeoffensive" oder einen "Kuschelkurs" von österreichischer Seite zurückzuführen, wie dies in Medien - unter anderem der Austria Presse Agentur (APA) - beschrieben werde, hielt Schallenberg fest.

Vielmehr seien die ersten Avancen für eine Normalisierung und Entspannung von türkischer Seite gekommen. Es sei ja nicht Österreich gewesen, dass die gemeinsamen archäologischen Ausgrabungen in Ephesos gestoppt oder das österreichische Mitwirken an der "Partnerschaft für Frieden" (PfP) blockiert habe. Selbst wenn diese Versuche, die Beziehungen wieder zu normalisieren auch im österreichischen Interesse seien, "gibt es Bereiche, wo wir nicht einig sind."

Konkret nannte Schallenberg eine eventuell "drohende türkische Militäroperation in Nordsyrien" - die sich nach türkischen Angaben rein gegen "terroristische Bedrohungen" kurdischer Gruppierungen wenden würde - oder die "Menschenrechtssituation". Diese Themen würden, "wenn sich die Gelegenheit ergibt", in Ankara auch angesprochen werden. International wird etwa die repressive Politik des autokratischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gegenüber kritischen Medien und der kurdischen Minderheit in der Türkei angeprangert.

Türkei will zur EU

Prinzipiell hielt der Außenminister fest: "Die Beziehung Österreichs zur Türkei ist nicht eindimensional. Da gibt es Licht und Schatten in der Geschichte der letzten Jahrzehnte und Jahrhunderte. Wichtig ist, dass man eine gute Gesprächsbasis auf Augenhöhe hat. Das heißt aber nicht, in allen Punkten einer Meinung zu sein."

Cavusoglu erinnerte daran, dass Österreich gegen einen EU-Beitritt der Türkei sei. Aber da müsse man eben Gespräche führen. Eine Mehrheit der Bevölkerung seines Landes sei jedenfalls nach wie vor für eine Annäherung an die Europäische Union. Allerdings müssten auch seitens der EU die Regeln für Verhandlungen eingehalten werden.

Bereits am Vormittag hatte Außenminister Schallenberg nach der Festsetzung eines unter russischer Flagge fahrenden Schiffs mit ukrainischem Getreide harsche Kritik an Moskau geübt. Es handle sich bei dem mutmaßlichen Schmuggel um ein "unglaublich schamloses Vorgehen" der russischen Seite, erklärte Schallenberg.

Die Türkei hatte den Frachter "Zhibek Zholy" abgefangen und in einen türkischen Hafen gebracht. Die Ukraine vermutet einen illegalen Export des von russischen Besatzern gestohlenen Getreides und hatte deshalb von türkischen Behörden die Untersuchung des Frachters verlangt. Das Schiff hatte nach Angaben eines Vertreters des Außenministeriums in Kiew den russisch besetzten ukrainischen Hafen von Berdjansk mit 4.500 Tonnen Getreide an Bord verlassen. Anderen Quellen zufolge war sogar von 7.000 Tonnen Getreide die Rede. Es bestehe der Verdacht, dass "durch die Vermischung mit russischem Getreide" versucht worden sei, "Spuren zu verwischen", empörte sich Schallenberg. Man müsse der Türkei für das Eingreifen jedenfalls "Anerkennung zollen".

Ziel: Gütertransport reaktivieren

Mit Cavosoglu wurde - gemeinsam mit den Innenministern aus Österreich (Gerhard Karner) und der Türkei (Süleyman Soylu) - besprochen, wie die Türkei mithelfen könne den durch die russische Aggression blockierten Export von Weizen, Getreide und Saat mit Hilfe von grünen Korridoren über den Seeweg zu reaktivieren. Tausende Tonnen liegen in Schwarzmeerhäfen und können nicht ausgeliefert werden. Russland wird aber schon länger vorgeworfen, ukrainisches Saatgut und Getreide illegal fortzuschaffen und zu verkaufen. Diese Güter fehlen dann aber insbesondere in afrikanischen Ländern.

Der russische Präsident Wladimir Putin treibe damit die Preise in die Höhe und die Menschen in Nordafrika in die Armut, hatte Schallenberg bereits bei seinem sonntägigen Besuch in Kairo kritisiert. "Russland blockiert ukrainische Häfen im Schwarzen Meer, zerstört gezielt Getreidesilos und verhindert durch die fortgesetzten Kampfhandlungen ein normales Bestellen und Ernten der Felder." Putin führe einen Krieg mit "unglaublichem Zynismus und mit Hunger als Waffe", meinte Schallenberg.

Momentan keine Verhandlungen in der Türkei 

Als Überwacherin der grünen Korridore zum Transport von Getreide aus der Ukraine über das Schwarze Meer soll die Türkei gewonnen werden, die von beiden Kriegsgegnern als Partnerin akzeptiert wird. Das NATO-Mitglied hat sowohl zu Russland als auch der Ukraine gute Beziehungen und verfolgt das Ziel, eine Balance zwischen den russischen und ukrainischen Interessen zu finden.

Auch die "Istanbuler Gespräche" zwischen Russland und der Ukraine gelten als der derzeit einzige Verhandlungskanal zwischen den beiden Kriegsparteien. Diese seien "momentan ruhend", meinte Schallenberg, "weil beide Parteien, aber insbesondere die Russen, versuchen, am Boden militärisch Fakten zu schaffen." Nachsatz: "Solange das der Fall ist und von russischer Seite alles auf eine militärische Lösung konzentriert wird, sind Bemühungen, Dialog und Vermittlung schwierig, aber sie sind weiterhin notwendig."

Karner und Schallenberg besuchten auch das Büro gegen Schlepperwesen der Türkischen Nationalpolizei. Dabei stand der "Kampf gegen illegale Migration" im Fokus. Karner: "Da brauchen wir handfeste kriminalpolizeiliche Zusammenarbeit. Das ist einfach im Sinne der Sicherheit unseres Landes notwendig." Daher sei es wichtig, dass zu einem Treffen auf Innenministerebene gekommen sei. Schließlich sei dies vor dem Meeting am Montag das letzte Mal vor zehn Jahren der Fall gewesen.

Sechs Millionen Flüchtlinge im Land

Die Türkei beherbergt laut UNHCR weltweit eine der höchsten Anzahl an Flüchtlingen. So sind etwa rund 3,6 Millionen syrische Kriegsvertriebene im Land, insgesamt dürften es um die sechs Millionen sein. Es versuchen nämlich auch illegale Migranten aus Afrika und Nahost über die Türkei nach Europa zu gelangen. Angesichts der Situation in Afghanistan machte die Türkei aber klar, dass sie keine weiteren Flüchtlinge aufnehmen werde. Die türkische Gesellschaft ist laut Diplomaten beim Thema Migration zunehmend polarisiert. Dominierte früher Hilfsbereitschaft, machten sich später und auch Indifferenz und sogar Feindseligkeit gegenüber Flüchtlingen bemerkbar.

Ankara setzt die Flüchtlingsvereinbarung mit der EU vom März 2016 großteils um. Innenminister Soylu forderte aber eine Adaptierung seitens der EU. Der türkische Innenminister erklärte zudem, es gelte nicht nur Zäune oder Mauern zur Abwehr von Flüchtlingen zu bauen. Vielmehr müsse es das Ziel sein, in den von Migration betroffenen Regionen, "sichere Zonen mit der nötigen Infrastruktur" zu errichten, die ein Leben vor Ort möglich mache.

Karner erinnerte daran, dass zuletzt die Asylanträge türkischer Staatsbürger in Österreich gestiegen seien. "Sie sind derzeit an fünfter Stelle." Allerdings handle es dabei in der Regel um wirtschaftliche Fluchtgründe. Die Betroffenen hätten aber keine Chance auf Asyl, bekräftigte der ÖVP-Politiker.

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6  Kommentare
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herst (12.765 Kommentare)
am 05.07.2022 09:44

Könnte man es auch "gegenseitiges einschleimen" nennen?

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Ybbstaler (970 Kommentare)
am 04.07.2022 17:29

Die Türkei spielt die Rolle des Vermittlers zwischen der Ukraine bzw. dem Westen und Russland derzeit glaubwürdiger, als die neutralen Staaten Europas. An den türkischen Friedensbemühungen könnte unsere Aussenpolitik anknüpfen, eine gemeinsame Linie würde 1) dem Frieden mutmaßlich mehr bringen, als aus der dritten Reihe auf den Angreifer hinzukeiffen und 2) die Gesprächsbasis zur Türkei verbessern.

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Fensterputzer (5.146 Kommentare)
am 04.07.2022 16:37

Tja, offensichtlich zeigt es Wirkung dass weniger Gäste (auch aus anderen Ländern) ihren Urlaub nicht mehr in der Türkei verbringen. Es sieht nicht mehr so rosig aus ind den Türkischen Hotels und Ferienorten. Obwohl der Großteil der Bevölkerung für ihren Sultan nicht verantwortlich sind. Der bäckt nun auch kleinere Semmeln.

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analysis (3.559 Kommentare)
am 04.07.2022 16:16

Die PR-geilen ÖVPler in dieser Regierung haben schon so viel Porzellan zerschlagen, dass selbst eine verantwortungsvolle und nachhaltige Außenpolitik mehr als ein Jahrzehnt brauchen wird, um die österreichische Position in der Welt zumindest wieder auf DIPLOMATISCH (verschwiegen, aber effektiv und zuverlässig) und NEUTRAL zu korrigieren. Ein Türkeibesuch ist derzeit sinnlos.
Bundeskanzler und Außenminister haben, weit über die moralische Erfordernisse hinaus und aus parteipolitischem Kalkül, alles unternommen, um von den russischen Gas-Sanktionen nicht ausgenommen zu werden. Die Schweiz und selbst Ungarn handeln klüger und zum Wohle der eigenen Bürger.
Alleine für den Schaden, welche die ÖVP-Außenpolitik seit Kurz angerichtet hat, gehört diese Selbstdarsteller-Partei vor Gericht gestellt und zu min 20 Jahre Regierungsverbot verurteilt!

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franzf (281 Kommentare)
am 04.07.2022 16:12

Ja, für die Türken bei uns mit 2 Pässen

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Gugelbua (31.952 Kommentare)
am 04.07.2022 15:48

Sag ich auch, die Türkische Politik ist ein vorzeige Projekt 🤣🤣🤣

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