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Schutzgeld und tägliche Schläge: Prozess um Gewalt an Wiener Schule

Von nachrichten.at/apa, 04. April 2024, 13:36 Uhr
Justiz Prozess Gericht
Symbolfoto Bild: VOLKER WEIHBOLD

WIEN. Unglaubliche Zustände an einer Mittelschule in Wien-Landstraße hat am Donnerstag ein Prozess am Landesgericht zu Tage gefördert.

Zwei mittlerweile 15-Jährige sowie ein 16-Jähriger sollen ihre jeweiligen Klassen seit Herbst 2021 regelrecht terrorisiert haben. Mitschüler wurden laut Anklage teilweise täglich geschlagen, einer der drei Angeklagten soll von einigen Klassenkameraden sogar Schutzgeld in Höhe von zwei Euro pro Woche gefordert und teilweise bekommen haben.

Die Anklage lautete auf fortgesetzte Gewaltausübung (§ 107b StGB) und Erpressung, aber auch schwerer Raub und weitere Delikte wie Körperverletzungen, gefährliche Drohungen und Nötigungen waren inkriminiert. Außerhalb der Klasse soll einer der 15-Jährigen am 20. Jänner 2024 am Reumannplatz in Favoriten gemeinsam mit einem erst 14 Jahre alten Komplizen einem Mann mit Gewalt dessen Bauchtasche und 50 Euro in bar abgenommen haben, indem der Mittäter dem Opfer einen Faustschlag ins Gesicht versetzte. Der 14 und der 15 Jahre alte Bursch sitzen seither und somit seit rund zehn Wochen wegen Tatbegehungsgefahr in U-Haft. Der 14-Jährige stammt aus Syrien und kann weder lesen noch schreiben, da seine Familie in den Libanon geflüchtet war, wo er drei Monate die Schule besucht hatte, ehe die Familie nach Europa weiterreiste. In Wien hat der 14-Jährige bisher keine Schule besucht. "Er lernt jetzt im Gefängnis schreiben. Er kann schon ein paar Buchstaben malen", verriet sein Verfahrenshelfer.

Geschlagen und gemobbt

"Sie haben mich geschlagen und mich gemobbt", schilderte einer der von kontinuierlicher Gewalt Betroffenen, ein 15 Jahre alter, schmächtiger Bub. Meistens hätten ihm seine drei früheren Mitschüler auf die Oberarme oder auf die Schulter geschlagen: "Manchmal waren sie wütend und genervt. Dann haben sie ihre Wut an mir ausgelassen." Auf die Frage, wie oft das vorgekommen sei, erwiderte der Betroffene: "Mehrmals wöchentlich. Ich konnte mich nicht verteidigen. Sie sind älter und größer als ich."

Ein 13-jähriger, ausgesprochen schüchtern wirkender Bub erzählte stockend, er sei von den drei früheren Klassenkollegen "mit Schlägen, manchmal mit der Faust" traktiert worden: "Sie dachten, es sei Spaß. Sie haben gelacht." Er habe oft versucht mitzulachen, weil er angenommen hätte, sie würden dann aufhören, "weil es nicht weh tut". Auf die Frage, wie oft er geschlagen worden sei, erwiderte der 13-Jährige: "Fünf bis sechs Mal." "In der Woche?", hakte die Richterin nach. "Am Tag", konkretisierte der 13-Jährige. Einem der drei habe er auch Schutzgeld von zwei Euro gezahlt, "da hat er dann einmal gesagt, sie sollen aufhören".

Schüler suspendiert

Die drei gewalttätigen Schüler - die 15-Jährigen stammen aus Somalia und Afghanistan, der 16-Jährige aus Syrien - waren am 15. Mai 2023 von der Direktorin der betroffenen Bildungseinrichtung suspendiert worden. Die drei hätten bis dahin eineinhalb Jahre lang Mitschülerinnen und -schüler gequält, berichtete die Direktorin nun einem Schöffensenat (Vorsitz: Katharina Adegbite-Lewy). "Es hat Schläge in den Nacken gegeben, Ohrenziehen, bis es kracht, Schläge mit Fäusten auf die Arme", offenbarte die Schuldirektorin im Zeugenstand. Auch Mädchen wurden demnach geschlagen und teilweise sexuell belästigt, etwa indem die Burschen sie aufforderten, sich unter anzüglichen Bemerkungen auf ihren Schoß zu setzen oder ihnen in die Hosentaschen zu greifen, nachdem sie den Mitschülerinnen Kugelschreiber oder Schreibstifte abgenommen hatten.

Die in Mitleidenschaft gezogenen Schülerinnen und Schüler wurden offenbar derart eingeschüchtert, dass sie sich lange Zeit nicht Hilfe suchend an die Lehrer wandten. Erst als die drei Angeklagten begonnen hätten, Unterrichtsmaterialien ihrer Klassenkolleginnen und -kollegen zu vernichten, sei deren Gewalt-Regime zutage getreten, verriet die Direktorin: "Die haben Schulbücher mit brachialer Gewalt zerrissen. Da bin ich in die Klasse rauf, als ich das erfahren habe. Die Kinder haben teilweise geweint. Da habe ich gesagt, ich möchte euch helfen, aber dazu müsst ihr mir helfen und sagen, wer so etwas macht. Da hat ein Mädchen gesagt 'Frau Direktorin, das halten wir auch noch aus!' Und dann ist der Damm gebrochen."

Von Bildungsdirektion "im Stich gelassen"

Die Polizei habe bei der strafrechtlichen Aufarbeitung vorbildlich agiert, betonte die Direktorin. Von der Bildungsdirektorin habe sie sich allerdings "unzureichend" unterstützt und "teilweise im Stich gelassen" gefühlt, sagte die Schulleiterin.

Die Bildungsdirektion für Wien hielt auf APA-Anfrage fest: "Wir verstehen den Wunsch von Schulleitungen nach mehr Unterstützung in schwierigen Situationen. Sowohl die Schulqualitätsmanagerin als auch die Regionalleitung haben die Schulleitung in dieser schwierigen Phase begleitet", wurde versichert. "Eine Schulpsychologin war nach den Vorfällen an der Schule und stand Schülerinnen und Schüler zur Verfügung." Für die betroffene Bildungsstätte seien zudem "umfassende Unterstützungsmaßnahmen für die Schulentwicklung im Sinne der Gewaltprävention in diesem Schuljahr geplant".

Zwei Ex-Schüler der betroffenen Schule bekannten sich teilweise schuldig, der dritte behauptete, er habe nie jemanden geschlagen oder Geld verlangt. Er wurde jedoch von mehreren als Zeugen einvernommenen Ex-Schulkolleginnen und -kollegen belastet. Gegen diesen Burschen wurde das Verfahren nach mehrstündiger Verhandlung ausgeschieden und wird Anfang Juni separat weiterverhandelt, da sein Verfahrenshelfer auf einer Zeugenaussage des Onkels des 15-Jährige beharrte.

2 weitere Angeklagte

Zwei weitere Burschen, die nicht an der betroffenen Schule, mit den drei Ex-Schülern aber eng befreundet waren bzw. sind, waren mitangeklagt. Neben dem am Raub am Reumannplatz Beteiligten handelte es sich dabei um einen weiteren 15-Jährigen, der laut Anklage bei einem weiteren Raub im Mai des Vorjahrs mitgemacht hatte. Außerdem soll dieser Bursch - ein gebürtiger Rumäne - einen Gleichaltrigen in einem Park brutal zusammengeschlagen und das Video auf TikTok verbreitet haben.

Dabei habe man "unter Aufsicht und nach Regeln" gekämpft, behauptete der 15-Jährige. Dass sich der Kontrahent - wie auf dem Video zu sehen war, das im Gerichtssaal abgespielt wurde - nicht gewehrt hätte, "dafür kann ich nichts". Am Ende des Videos lag der andere Jugendliche bereits am Boden, der Rumäne trat dann mit bloßen Füßen auf ihn ein. "Gegen den Kopf", wie die Vorsitzende festhielt. "Ich hab' mich zurückgehalten", tat der 15-Jährige diesen Einwand ab. Sein Kontrahent sei nämlich "mein Erzfeind" gewesen: "Wegen seinen Lügen hat meine Freundin mit mir Schluss gemacht. Da hatte ich einen sehr großen Hass auf ihn."

"Nur Fäuste beigetragen"

Zu dem ihm angelasteten Raub - gemeinsam mit zwei Mitangeklagten hatte er einem 15-Jährigen am Heimweg vom Schwimmbad dessen Tasche mit Gewalt weggenommen - bemerkte der Bursch: "Zu diesem Vorfall habe ich nur Fäuste beigetragen." Er sei damals "ein sehr streitsüchtiger Typ" gewesen. Die Tasche des anderen Jugendlichen habe ihm einfach gefallen: "Die wollte ich haben. Da habe ich ihm die Faust gegeben."

Dieser Artikel wurde um 16.02 Uhr aktualisiert.

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