Prozess nach blutigem Ende einer Firmen-Weihnachtsfeier
WIEN. Mit dem Ende einer Firmen-Weihnachtsfeier in einem Wirtshaus in Wien-Landstraße hat sich am Donnerstag ein Schwurgericht im Grauen Haus auseinandergesetzt.
Ein 47 Jahre alter, bisher unbescholtener Glaser stieß am 15. Dezember 2023 vor dem Lokal einem 43-jährigen Arbeitskollegen ein Messer neun Mal in Brust, Bauch und die Flanke. Die Klinge eröffnete die Brusthöhle, dank glücklicher Umstände und rascher notärztlicher Umstände überlebte das Opfer.
"Mich lieben die Leute, ich liebe die Leute"
Der Angeklagte, der den Tötungsvorsatz bestritt, rätselte nun, wie es dazu kommen konnte. "Das waren meine Arbeitskollegen, die ich wirklich liebe", sagte er eingangs der Verhandlung. Er sei bis dahin "nie in meinem Leben auf wen losgegangen. Mich lieben die Leute, ich liebe die Leute". Und weiter: "Das hätt' nie im Leben passieren dürfen, Alter!"
Auf der Firmen-Weihnachtsfeier sei "reichlich Alkohol" geflossen, berichtete die Staatsanwältin. Der Angeklagte sei besonders stark alkoholisiert gewesen, seine Kollegen hätten ihn schließlich "als lästig empfunden". Zunächst habe der Junior-Chef dem 47-Jährigen vor dem Lokal einen leichten Stoß versetzt, um ihn damit dazu zu bringen, nach Hause zu gehen. Obendrein habe auch noch das spätere Opfer dem Mann gut zugeredet, sich dann umgedreht, "und da zieht der Angeklagte ein Messer und sticht neun Mal zu", meinte die Staatsanwältin.
"Nach dem Essen kam literweise Wodka an den Tisch"
Der Angeklagte behauptete, er sei noch im Lokal von seinen Kollegen körperlich angegriffen worden. Alle seien betrunken gewesen: "Nach dem Essen kam literweise Wodka an den Tisch." Er habe nach mehreren Bier im Alleingang eine ganze Flasche Wodka geleert: "Voriges Jahr bin ich nicht hingegangen zur Weihnachtsfeier, weil ich nicht trinken wollte. Dieses Jahr hab' ich mich sicher gefühlt. Das ist meine Arbeitsfamilie." Man habe ihn dann plötzlich "von hinten attackiert". Was danach geschehen sei, wisse er nicht mehr. "Er hat einen Filmriss, partielle Erinnerungen. Er kann es sich nicht erklären. Er wollte, dass es aufhört, die Angriffe gegen ihn", sagte die Verteidigerin. Ihr Mandant sei ein "grundsätzlich friedfertiger, hilfsbereiter Mensch".
Nach der Tat begab sich der 47-Jährige heimwärts, ohne sich um den Verletzten zu kümmern. Die Tatwaffe entsorgte er am Nach-Hause-Weg, sie wurde nie sichergestellt. Laut gerichtsmedizinischem Gutachten handelte es sich um ein scharfes Messer mit einer mindestens sieben Zentimeter langen Klinge. "Wir haben es hier nicht mit einem Mörder zu tun", versicherte die Verteidigerin, "es war eine überaus überschießende Abwehrreaktion, die er zutiefst bedauert."