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„In meinem Leben gibt es noch viele Aufräumarbeiten“

17. März 2012, 00:04 Uhr
„In meinem Leben gibt es noch viele Aufräumarbeiten“
Hans Popper, 62, ein Pensionist mit einer Vision. Bild: Weihbold

Hans Popper und sein ganz persönliches Pensionsmodell: Der ehemalige Direktor der Gebietskrankenkasse begleitet Menschen auf ihrem letzten Lebensabschnitt.

OÖNachrichten: Herr Popper, seit Sie im Ruhestand sind, begleiten Sie ehrenamtlich todkranke Menschen. Ihre Pension hätten Sie auch einfacher, lebenslustiger gestalten können.

Hans Popper: Das Thema hat mich schon länger beschäftigt. Mir war klar, dass ich nach meinem Beruf so etwas wie eine weiterführende Alternative brauche. In Pension zu gehen und alles nachzuholen, was man glaubt, versäumt zu haben – das bin ich nicht. Ich habe in meiner Arbeit sehr viel Sinn gesehen. Dafür brauchte ich Ersatz. Ich habe eine Sehnsucht nach Sinn.

OÖNachrichten: Was zieht Sie am Thema Sterben an?

Hans Popper: Jeder, der älter wird, entwickelt eine Affinität zum Sterben. Wenn man ein Leben lang im medizinischen Geschehen arbeitet und sich um Strukturen und Systeme kümmert, will man endlich einmal wissen, wie die Medizin beim Menschen ankommt. Um zu sehen, was man auf der Systemebene anrichtet. Was bedeutet es für die Menschen, die schwer krank sind. Ich wollte die Realität des Lebens mit dem abprüfen, was ich beruflich getan habe.

OÖNachrichten: Waren Sie schockiert davon, was Sie „angerichtet“ haben?

Hans Popper: Man hat keine Ahnung vom wirklichen Leben – was es bedeutet, schwer oder unheilbar krank zu sein, wenn man es nicht selber erlebt oder miterlebt hat.

OÖNachrichten: Sie haben sich Ihr Berufsleben lang für die Gesundheit der Menschen eingesetzt. In der Palliativmedizin geht es nicht um heilen, wohl aber um lindern.

Hans Popper: Die Palliativmedizin, die wir haben, ist nicht ausreichend. Das werde ich an das System, woher ich komme, zurückmelden. Wir brauchen eine Haltungsänderung. Wir müssen zur Natürlichkeit des Lebens und des Sterbens zurückfinden. Was die Medizin nicht gut kann, ist der Umgang mit der Natürlichkeit.

OÖNachrichten: Aber muss die Schulmedizin nicht so handeln, wie sie handelt: Heilen um jeden Preis?

Hans Popper: Ich verstehe sehr gut, dass die Medizin so ist, wie sie ist. Was ich nicht verstehe, ist, dass es so schwierig ist, eine Änderung der Haltung und eine Sichtweise auf den Menschen einzupflegen.

OÖNachrichten: Manager wie Sie stellt man sich immer als geradlinige Kopfmenschen vor. Sie sind eher feinstofflich. Wie haben Sie es beruflich so weit nach oben bringen können?

Hans Popper: Das ist ein sehr einseitiges Managerbild: Man kann nicht erfolgreich sein, wenn man kein Kotzbrocken ist. Meine Erfahrung ist es, dass man mit Menschlichkeit und Vertrauen mehr erreicht als in einem hierarchisch auf Disziplin und Gehorsam aufgebauten System.

OÖNachrichten: Was ist Ihre Stärke, wenn Sie an einem Krankenbett sitzen, in dem ein Mensch in seiner letzten Lebensphase liegt, rundherum Angehörige, völlig durch den Wind?

Hans Popper: Man hat zu mir schnell vertrauen. Das ist hilfreich. Ich helfe beim Essen und Trinken, ich reiche die Hand. Das ist gar nicht so schwer, da kommt viel Dankbarkeit.

OÖNachrichten: Intensive Erlebnisse.

Hans Popper: Ich bin ein Greenhorn. Es wäre falsch, ein Highlight zu schildern. Was man mitnimmt, ist ein anderer Blick auf die Werte im Leben, auf die Menschen. Und damit auf das eigene Leben. Damit wird man mit dem eigenen Sterben konfrontiert. Das ist ein notwendiger Blick.

OÖNachrichten: Wie grenzen Sie sich ab, wenn jemand bei Ihnen gestorben ist?

Hans Popper: Wenn man zu einem Menschen nicht in Liebe verfangen ist, dann ist das Sterben-Beobachten emotional nicht so belastend. Man muss zwischen Mitfühlen und Mitleiden unterscheiden. Mitfühlen ist notwendig, mitleiden wäre ein Ausschlussgrund. Wenn ein Patient gestorben ist, hilft man. Man verfällt nicht in eine große Emotionalität.

OÖNachrichten: Sie erleben viel an Dankbarkeit.

Hans Popper: Man bekommt so viel zurück, auch nicht ausgesprochene Dankbarkeit. Das ist das Salz in der Suppe des Lebens.

OÖNachrichten: Viele Menschen können sich dem Thema nicht so natürlich annähern wie Sie. Gab es in Ihrem Umfeld verstörte Kommentare?

Hans Popper: Viele reagieren mit Respekt, nicht wenige sagen, dass sie das nicht könnten. Diese Angst vor schweren Krankheiten, vor Gerüchen, vor ich weiß nicht, was. Ich glaube, dass das überschätzt wird und die Menschen sich unterschätzen, die sagen, ich könnte das nicht.

OÖNachrichten: Warum können Sie es?

Hans Popper: Es gibt Situationen, die man am Anfang schwer aushält. Wenn man sie einmal ausgehalten hat, dann hat man es geschafft. Einem Patienten die Brechschale zu halten, das ist nicht einfach. Wenn es einmal gegangen ist, dann kann man das.

OÖNachrichten: Wie möchten Sie sterben?

Hans Popper: Ja, ja. Äh. Hm. Ich würde gern in Stimmigkeit leben. Dazu gehört auch, mit mir und mit meiner Umwelt stimmig zu sterben.

OÖNachrichten: Was wäre in Ihrem Fall stimmig?

Hans Popper: Ich darf entscheiden, was passiert. Ich möchte auch im Sterben die Bedeutung sehen, Dinge zu regeln, die einen vielleicht noch belasten. Auch noch Frieden zu schließen.

OÖNachrichten: Könnten Sie jetzt sterben?

Hans Popper: Da ist noch vieles offen. Ich möchte noch viele Dinge tun. Und ich bin noch lange nicht mit meinem Leben und mit meiner Welt im Reinen. In meinem Leben gibt es noch viele Aufräumarbeiten.

 

Porträt

Hans Popper aus Rohrbach ist 62 Jahre alt, seit Ende 2010 Pensionist, verheiratet, zwei Kinder. Der Jurist leitete von 2003 bis 2010 die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse sehr erfolgreich.

Das Pensionsprojekt

Für seine Pensionszeit entwarf er ein für sich maßgeschneidertes Pensionsmodell. Er machte eine Hospizausbildung beim Roten Kreuz. Jetzt ist er als ehrenamtlicher Mitarbeiter in der Palliativstation der Barmherzigen Schwestern in Linz tätig. 2 bis 3 Nachtdienste pro Monat nimmt er sich Zeit für Menschen in ihrer letzten Lebensphase. Weiters ist Popper in der mobilen Hospiz der Caritas in Rohrbach freiwilliger Mitarbeiter.

Hospiz- und Palliativarbeit

Zahlreiche Spitäler und Institutionen bieten Hilfe für Menschen in ihrer letzten Lebensphase und deren Angehörigen an – etwa Caritas, Rotes Kreuz und verschiedene lokale Hospizvereine. Ehrenamtliche Mitarbeiter werden immer gesucht.

Informationen unter http://www.hospiz-ooe.at/Hospiz.html

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