"Tschiller: Off Duty": Til Schweiger lässt vom Tatort nichts mehr übrig
Die Tatort-Folge "Tschiller: Off Duty" wurde nur fürs Kino gedreht. Dort ist sie jetzt ein Actionkracher unter vielen.
Das letzte Mal hat ein Tatort-Kommissar vor beinahe 30 Jahren auf der großen Leinwand ermittelt. Das war Götz George als Horst Schimanski.
Jetzt tut es ihm Til Schweiger als Hamburger Haudrauf-Bulle Nick Tschiller gleich. Das klingt fast nach Frevel, wird George doch als grummelnder Schimanski bis heute verehrt, während Schweiger und Regisseur Christian Alvart – er drehte auch die Adrenalin schwangeren, mit Kugeln durchsetzten TV-Tatorte – gern belächelt werden. Die Fehde zwischen Schweiger und Kritikern des deutschen Feuilletons hat bereits Kult-Status.
Über einen Vergleich darf sich der Tschiller-Darsteller nun aber bestimmt nicht beschweren – über jenen mit dem Action-Genre des Kinos. Das wäre auch schlichtweg lächerlich bei dem Umfang, in dem noch mehr "Anleihen" an Paradebeispielen genommen wurde.
Das fängt schon bei der Handlung an. Schweigers Filmtochter Lenny, gespielt vom seinem leiblichen Spross Luna, reist nach Istanbul, um dort den Kriminellen Firat Astan umzubringen. Auge um Auge, weil er ihre Mutter getötet hat. Sie fällt dort einem Abtrünnigen des türkischen Geheimdienstes zum Opfer, der in Moskau große Geschäfte abwickeln will. Da kommt ihm die Tochter eines deutschen Polizisten gerade recht. Als Druckmittel, Köder, Frauenfleisch-Ware. Das Fazit: Vater muss Tochter retten. Wie schon Bruce Willis in "Hostage" (2005) oder Liam Neeson in "Taken 2" (2012). Und Arnold Schwarzenegger ganz früher, 1994, in "True Lies". Und was diese Namen und Titel versprechen, das hält Schweiger auch ein. Es gibt spitzenmäßig choreographierte Verfolgungsjagden über die Dächer Istanbuls und durch die Straßen Moskaus (wie in "Mission Impossible"), erotische Frauen (wie für "Bond") und ganz nach "Bad Boys" einen treuherzigen Partner. Als solcher macht Fahri Yardim eine gekonnt schrullige Figur.
Das alles entspricht zwar überhaupt nicht mehr einem guten, alten, geschweige den differenzierten "Tatort", aber es passt ins Kino.
Der explosive Bombast, Gut gegen und Böse und das typische Überziehen in diesem Genre hätten das Fassungsvermögen des Fernsehens ohnehin gesprengt – in "Off Duty" gibt es etwa ins Fleisch operierte Bomben und Mähdrescher, die durch Moskau fahren.
Richtig bemerkenswert ist der Kino-Tatort trotzdem nicht. Denn so wie Schweiger inszeniert wird und sich zeigt, gibt es keinen einmaligen, coolen Helden. Er verkörpert zwar den glaubhaft gebeutelten Vater und die einwandfreie, schweigsame Kampfmaschine, seine Sprüche sind aber bloß lächerlich platt. Zum beleibten Zellengenossen im türkischen Häf’n etwa: "Ich sprech’ kein Fleischklops!".
Damit hätte sich Schimanski nie aufgehalten. Und Bruce Willis? Da wäre einem wenigstens die schöne, raue Synchronstimme geblieben.
Tschiller: Off Duty: D 2016 , 135 M., C. Alvart
OÖN Bewertung:
Hintergrund
Die Vorläufer: Bei „Tschiller: Off Duty“ handelt es sich um die erste fürs Kino produzierte Tatort-Episode seit „Zabou“ (1987, rund 1,5 Mio. Zuseher in Deutschland) und „Zahn um Zahn“ (1985, rund 2,7 Mio.). Darin spielte Götz George die Hauptrolle Horst Schimanski.
Der aktuelle Kino-Tatort: Um „Off Duty“ folgen zu können, muss man keine vorangegangenen TV-Tatorte kennen. Wobei sich der Kino-Titel daraus ergibt: „Off Duty“ bedeutet hier beurlaubt. Das wurde Kommissar Nick Tschiller aufgrund seines Ungehorsams in „Fegefeuer“. Das Budget für „Off Duty“: kolportierte acht Millionen Euro. Ins TV kommt der Film wegen Sperrfristen frühestens 2017. Kritik gab es, weil er öffentlich-rechtlich (NDR) mitfinanziert wurde. Das ist aber üblich bei Kino-Produktionen. In Österreich gibt es dazu das Film-/Fernseh-Abkommen.