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Tom Schimmeck: Journalismus unter kritischen Augen

Von Von Klaus Buttinger, 24. April 2010, 00:04 Uhr
Journalismus unter kritischen Augen
Schimmeck: „Eine kritische Öffentlichkeit ist der Spiegel, den sich eine demokratische Öffentlichkeit vorhält.“ Bild: Anwen Roberts

Es ist lauter als bloßes Rascheln im Feuilleton. Seit Tom Schimmecks kritische Analyse über den Zustand des Journalismus in Deutschland und Österreich auf dem Buchmarkt ist, finden längst fällige Diskussionen an den Fließbändern der Informationsbranche statt.

OÖN: Sie gehen mit den Medien hart ins Gericht. Was sind Ihre Hauptkritikpunkte?

Schimmeck: Dass sich die deutsche Politikberichterstattung zusehends nur noch auf tagesaktuelle Events ausrichtete und keine analytische Kraft mehr entfaltete. Gleichzeitig konnte man in Österreich beobachten, was geschieht, wenn bestimmte Rampensäue den ganzen politischen Diskurs kapern.

OÖN: Sie meinen Jörg Haider?

Schimmeck: Ja. Dazu kommt der Leidensdruck, der auf alle Journalisten wirkt, seit den Sparmaßnahmen der Verlage, der Absatzkrise der Presse und nun durch die Weltwirtschaftskrise. Selbst bei großen Qualitätszeitungen kann man bestaunen, wie sich Kündigungswellen und Streichungen auf die Berichterstattung auswirkten. Immer weniger Leute haben immer weniger Zeit, sich Dinge wirklich anzuschauen.

OÖN: Sie beklagen den Einfluss von Public Relations auf den Journalismus. Hat die PR den Kampf um die Hirne gewonnen?

Schimmeck: Nein, aber seit einigen Jahren verschiebt sich die Balance zwischen PR und dem unabhängigen, kritischen Journalismus stark. Die PR für die Interessen von Firmen, Verbänden und Parteien ist viel mächtiger und professioneller geworden.

OÖN: Auf der anderen Seite entwickelt sich mit den jungen, unterbezahlten Journalisten das Prekariat des Kommunikationsgewerbes. Wohin führt das?

Schimmeck: Dazu, dass das Kräfteverhältnis immer weiter kippt, dass es nicht mehr genug freie Information und kritische Analyse gibt. Das führt letztendlich zu einem Verlust an Demokratie.

OÖN: Und wohl auch zu gekaufter Information …

Schimmeck: Zwangsläufig. Aber man sollte nicht nur schwarzmalen. Das Schöne ist: Meinungen zu manipulieren ist ein unglaublich schwieriger Job. Beispiel Atomkraft in Deutschland: Wenn unangenehme Wahrheiten ans Licht kommen, wenn offensichtlich wird, dass verheerend geschlampt wurde, erreichen Sie selbst mit millionenschwerer PR weniger als mit drei klaren Sätzen in einer Zeitung.

OÖN: Sie kritisieren, dass sich im Journalismus in den vergangenen Jahren viele aus der Generation Golf breitgemacht haben, die sich durch vorauseilenden Gehorsam und politische Geschmeidigkeit auszeichneten. Wie kam das?

Schimmeck: Seit den 1980ern traten jüngere, hedonistischer gepolte „Schönschreiber“ auf, die sich radikal abwandten von allem, was auch nur ansatzweise nach Aufklärung, Kritik und 1968 roch. Diese, ich sag mal: „Popper“ hatten eine Zeitlang viel zu melden. Ich finde gute Schreibe ja sehr wichtig. Aber der hier kultivierte Zeitgeist war oft eher ein Antigeist, ein selbstverliebter, antipolitischer Geist.

OÖN: Kann man hinsichtlich der unerwarteten Wirtschaftskrise von einem Versagen des Wirtschaftsjournalismus sprechen?

Schimmeck: Versagen ist ein hartes Wort. Es ist schon schwierig, die Realität gut zu beschreiben. Ungleich schwieriger ist es, die Zukunft vorherzusehen. Ein Phänomen, das im Politik- und mehr noch im Wirtschaftsjournalismus zutage trat, ist der Verlust der Distanz, ein stark wachsender Hang zur Anbetung. Als Journalisten haben wir immer einen Widerpart in jenen, die wir beschreiben. Das sind beim Wirtschaftsjournalismus mächtige Leute: CEOs, Banker, Manager – vermeintliche Helden. Was US-Notenbanker Alan Greenspan verkündete, war über Jahre Gottes Wort. Vielen ist heute peinlich, was sie über den geschrieben haben. Oder nehmen Sie Island, dieses neoliberale Nirvana: Da wurde alles gemacht, was in den Büchern der Chicago-Boys stand. Und die Medien folgten dem wie ein Lemmingzug. Wenn alle mitmachen, tritt ein Grad der Verblendung ein, der schauderhaft ist.

OÖN: Was halten Sie vom Kooperationsjournalismus?

Schimmeck: Diese Medienpartnerschaften grassieren derzeit. Da kommt beispielsweise die „Initiative neue Marktwirtschaft“ – eine von den Arbeitgebern der Metallindustrie finanzierte Pressure-Group – und macht zusammen mit den wichtigsten Wirtschaftszeitungen irgendwelche Umfragen und Analysen. Die sind selbstverständlich interessengesteuert. Dann gibt’s einen Event, die Initiative, also die Industrie, zahlt, und die Zeitung hängt ihren Namen dazu. Das ist nuttig.

OÖN: Täuscht es, oder freuen sich Teile der Politik über den Druck, der derzeit auf dem Journalismus lastet?

Schimmeck: Auf Medienkonferenzen hört man von Politikern eher Mitleid. Das ist das Schlimmste, was Journalisten passieren kann. Die Politiker sehnen sich ja schon nach anständiger Kritik, müssen aber diese mittelmäßigen Theaterkritiken lesen, wo immer nur steht: Der Vorsitzende X. mache eine gute Figur und die Partei sei gut aufgestellt. Heute steht man ja für nichts mehr, heute ist man gut aufgestellt. Und wechselt die Stellung täglich, je nachdem, was der Imageberater sagt.

OÖN: Sie schreiben, Österreich sei Beispiel für die Degeneration kritischer Öffentlichkeit. Wieso?

Schimmeck: Eigentlich hat Österreich eine unglaubliche Stärke in der Selbstkritik, wenn man Literatur und Essays liest. Und Boulevard hat es immer gegeben, das ist nicht das Bedrohliche. Ich habe mit vielen Kollegen geredet, die sich an Jörg Haider abgearbeitet haben – alles kluge, kritische Leute. Da spürt man eine große Ohnmacht gegenüber der Wucht des Populismus.

OÖN: Müssten Journalisten besser ausgebildet werden?

Schimmeck: Es gibt sehr viele gut ausgebildete Journalisten. Auffällig ist, dass es in den Journalistenschmieden ein soziales Ungleichgewicht gibt. In Deutschland finden sich dort auffällig viele junge Menschen aus der gehobenen Mittelschicht und dem Beamtentum. Ich glaube, dass die Herkunft die Wahrnehmung und Beschreibung von Wirklichkeit beeinflusst. Dass etwa Gewerkschaften seit Jahren als das Allerletzte und Dümmste überhaupt gelten, liegt vermutlich auch daran, dass der Nachwuchs oft aus besseren Kreisen kommt.

OÖN: Hingegen lautete das alte Ideal des Journalismus, auf Seiten der Schwachen zu stehen …

Schimmeck: Auch vor zwanzig Jahren lag überwiegend nicht die Aufklärung der Öffentlichkeit an den Kiosken, sondern die Bespaßung – und die ist viel mehr geworden, da wir nun auch 30 Fernsehstationen haben, die uns rund um die Uhr „Freude machen“.

OÖN: Wie geht es weiter mit dem Journalismus?

Schimmeck: Es gibt unter Journalisten ein großes Bedürfnis, einfach anständig arbeiten zu können und dafür auch aktiv zu werden. Unter Lesern gibt es ein großes Bedürfnis, wieder Fleisch zwischen die Zähne zu kriegen. Kurz: mehr Licht. Ein Problem wird sein, wie man das, was wir traditionell als Medienlandschaft begreifen, mit den neuen Kommunikationsformen des Internet zusammenbringt, auch ökonomisch. Ich finde das Internet eine große Bereicherung, einen Zugewinn an Freiheit, wie es ihn seit Erfindung des Buchdrucks nicht mehr gegeben hat.

OÖN: Wobei mehr als 80 Prozent der Nachrichten im Internet ja wieder aus den klassischen Quellen Zeitung und Nachrichtenagenturen stammen, oder?

Schimmeck: Klar. Im Internet wird ja viel recycelt und wenig Geld für Recherche ausgegeben. Der „moderne Journalist“ sitzt vor dem Schirm und macht aus dem, was einströmt, etwas Neues. Studien zeigen: Er hat oft kaum noch Realitätskontakt, nur noch fünf Minuten pro Tag Zeit für die Recherche vor Ort. Der am Förderband der Information tätige Journalist ist wahrscheinlich der Letzte, der mitkriegt, was draußen los ist.

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1  Kommentar
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eulenauge (19.448 Kommentare)
am 26.04.2010 16:41

und die Zeitung hängt ihren Namen dazu. Das ist nuttig." Tja, da hat euch der Buttinger sicher was 'reingewürgt, denn der OÖN-City-Marathon, das "Rad-Total-im-Donautal" und das "Brassen" am langen Einkaufsabend hat Schimmeck doch sicherlich nicht gemeint.

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