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Sternderlschau beim Griff in die Muschel

Von Silvia Nagl, 07. Dezember 2015, 00:04 Uhr
Sternderlschau beim Griff in die Muschel
Egal, was sie tut: Estelle (Anna Eger) lässt sich nicht abbringen vom positiven Denken – oder doch? Bild: Patrick Pfeiffer

Deutschsprachige Erstaufführung von "Mein Kühlraum" von Joël Pommerat in Linz.

Diese Gutmenschin sieht ja sogar beim Griff in die Klomuschel noch Sternderl. Sie ist jener Typ Mensch, den andere gern als Abwaschfetzen für das Grobe hernehmen, denn am liebsten wird ja auch noch auf jene gespuckt, die sowieso schon im Dreck liegen. Das aber kann Estelle nichts antun, sie hält eisern fest an ihrer Brachial-Positivdenkerei.

Estelle ist Teil der Belegschaft eines Supermarktes, der dem Kapitalisten Blocq (Vasilij Sotke) gehört, ein kühl kalkulierender, menschenverachtender, das weibliche Personal sexuell nötigender Despot mit dem Grundsatz: "Arbeit ist heutzutage ein Privileg, und ein Privileg will verdient sein. Das ist Demokratie!" Als er erfährt, dass er todkrank ist, vererbt er sein Firmen-Imperium – Supermarkt, Zementwerk, Schlachthof, Bordell – seiner Belegschaft. Mit einer Auflage: Jährlich muss sich die Belegschaft an ihn erinnern – in Form eines Theaterstückes.

Das ist das (Arbeits-)Leben

So kurios dies alles ist, so entwickelt sich auch die Handlung. Die Angestellten sind mit dieser Situation völlig überfordert. So wie in George Orwells "Farm der Tiere", wo die Tiere den Bauernhof übernehmen, prallen verschiedene Denkweisen aufeinander: Wollen die einen alles demokratisch entscheiden, möchten andere manipulieren, einige sich total heraushalten und andere nur für sich Profit lukrieren. So wie es eben ist, das (Arbeits-)Leben.

Das Stück ist gescheit und analytisch. Wenn etwas sehr klug ist, neigt es manchmal auch dazu, zu viele Worte zu gebrauchen. So wie das Firmen-Imperium zerbröselt, verheddern sich auch immer mehr Handlungsstränge. "Mein Kühlraum" (in der deutschen Übersetzung von Isabelle Rivoal) hat das Spannende eines Psychothrillers, den dramaturgischen Aufbau eines Krimis, aber auch das manchmal dümmlich ausufernde Geschwätz einer Telenovela.

Regisseur Gerhard Willert lässt das Stück in der Arena des Schauspielhauses auf einem quadratischen Stück Teppich spielen. Die mehr als 50, manchmal nur Sekunden dauernden, stimmig ausgeleuchteten Szenen laufen, von vier hilfreichen Geistern in Schwarz begleitet, wie ein präzises Uhrwerk ab. Alles greift perfekt ineinander, jeder ist sofort richtig positioniert – weiter geht’s, nächste Szene! Wenn es finster wird,braust die von Wolfgang "Fadi" Dorninger komponierte Musik auf, die Kino im Kopf entstehen lässt, indem die Emotionen der vorher gerade gezeigten Szene musikalisch um- und fortgesetzt werden. Die Akteure tragen Mikroports. Das ist gut, denn jedes Wort ist deutlich zu verstehen, was natürlich auch an dieser feinen Truppe und der umsichtigen Personenführung von Willert liegt. Anna Eger ist eine fragile Estelle, wirkt naiv wie ein kleines Mädchen, ist aber umso hinterfotziger manipulativ. "Ein Monster oder eine Heilige?" heißt es im Stück. Katharina Hofmann ist eine ruhige Erzählerin, Lutz Zeidler und Thomas Kasten sind zwei sich der jeweiligen Situation anpassende Windfähnchen, Bettina Buchholz eine aufbrausende Einzelkämpferin, Eva-Maria Aichner die Pragmatikerin, Aurel von Arx und Thomas Bammer skurrile Typen.

Das Stück bedarf hoher Konzentration, nicht nur der Schauspieler, auch des Publikums. Man sollte schon mit Aufmerksamkeit und Wachsamkeit kommen, um sich mitnehmen zu lassen in diesen dreistündigen, eigenartigen Reigen menschlicher Abgründe. Joël Pommerat (geboren 1963) gehört sicher zu den interessantesten Autoren seiner Generation, aber er serviert keine nebenbei zu konsumierende Abendkost.

Theater: "Mein Kühlraum" von J. Pommerat; deutschsprachige Erstaufführung am 5. 12.; Landestheater Linz /Arena

OÖN Bewertung:

 

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