Enthauptungen angeordnet? IS-Prozess startete

WIEN. Der Hauptangeklagte Turpal I. (32) soll laut Anklage für Gräueltaten in Syrien verantwortlich sein – er bestreitet das.
In Österreich war Turpal I. (32) erfolgreicher Kampfsportler. Taekwondo war seine Disziplin, in der er sogar österreichischer Meister wurde. In Syrien soll der gebürtige Tschetschene unter dem Kampfnamen "Abu Aische" laut Anklage verantwortlich für die Hinrichtung mehrerer Menschen sein.
Am Wiener Landesgericht startete gestern der Prozess gegen Turpal I. und vier weitere Angeklagte, die sich für die Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS) betätigt haben sollen. Turpal I. erschien auf freiem Fuß zur Verhandlung. Um ihn hatte es zuletzt Schlagzeilen gegeben, weil er nach Ablauf der auf zwei Jahre begrenzten U-Haft Anfang Mai enthaftet werden musste.
"Köpfe abschneiden lassen"
Der 32-Jährige wird vom Verfassungsschutz rund um die Uhr überwacht. Ende August 2013 soll er von Österreich nach Syrien gereist sein. Der Staatsanwalt lastet Turpal I. an, in der nordsyrischen Stadt Hraytan die Erschießung von Bewohnern eines Hochhauses sowie drei als Sklavinnen gefangengenommener Frauen angeordnet haben. In einer Kleinstadt nördlich von Aleppo soll er laut Anklage zumindest sieben Schiiten mit Messern die Köpfe abschneiden haben lassen.
Sein Verteidiger Florian Kreiner wies das zurück. Turpal I. habe sich zwar drei Mal in Syrien aufgehalten, sei aber an keinen terroristischen Straftaten beteiligt gewesen. "Es gibt kein Beweismittel, das das belegen würde", sagte Kreiner. Turpal I. kenne die in der Anklage genannten Orte nicht. Turpal I. sei auch nicht mit der Person ident, die im Akt als "Abu Aische" vorkomme. Turpal I. habe bei seinen Reisen nach Syrien vielmehr aufklären wollen, ob und wo sein Schwager, der ebenfalls in Syrien gekämpft hatte, gestorben war.
Mitangeklagt ist der radikalislamistische Hassprediger Mirsad O. alias "Ebu Tejma", der 2016 in Graz zu 20 Jahren Haft verurteilt wurde. Er soll junge Tschetschenen, darunter Turpal I., der 2004 als Flüchtling nach Österreich gekommen war, für den IS rekrutiert haben.
"Viel Unheil bewirkt"
Mirsad O. legte gestern ein reumütiges Geständnis ab. Er habe den Hauptangeklagten Turpal I. und einen Mitangeklagten dazu bewogen, für den IS nach Syrien zu gehen und zu kämpfen. "Meine Vorträge haben viel Unheil bewirkt." Sein Verteidiger Leonhard Kregcjk sagte, bei Mirsad O. laufe ein Läuterungsprozess ab, ausgelöst durch den Terroranschlag in Wien vom 2. November.
Die weiteren Angeklagten sind ein 32-jähriger zum Islam konvertierter Ex-Profi-Boxer aus der Steiermark, der sich laut Anklage 2013 in Syrien vom IS zum Kämpfer ausbilden hatte lassen, dessen Ehefrau und die Ex-Frau von Turpal I., die sich von diesem inzwischen getrennt hat. Die Staatsanwaltschaft hat auch die Eltern von Turpal I. angeklagt. Der Vater ist allerdings im vergangenen Dezember verstorben, die Mutter dürfte untergetaucht sein – gegen sie gibt es einen Europäischen Haftbefehl.
Der Prozess ist bis Ende Juli anberaumt und wird unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen abgehalten.