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Beatmungsschlauch gezogen: Es war Mord

Von nachrichten.at/apa, 26. Jänner 2021, 16:39 Uhr
Frau zog Beatmungsschlauch: War es Sterbehilfe oder Mord?
Der Tod eines 70-Jährigen im Wiener AKH wirft eine Reihe heikler juristischer Fragen auf. Bild: Symbolfoto: Colourbox

WIEN. Ihr Lebensgefährte lag im Sterben, sie zog den Beatmungsschlauch. "Ich habe den Anblick von Willi nicht mehr ertragen", sagte die 55-jährige Angeklagte. Die Geschworenen stimmten für Mord.

Die Frau hatte im April 2018 die lebenserhaltende Intubation sowie den zentralen Dialysekatheter entfernt. Am Dienstag wurde sie unter Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechts zu drei Jahren Haft - ein Jahr davon unbedingt - verurteilt. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

Die Geschworenen stimmten für Mord. Die Angeklagte hatte sich mit Tötung auf Verlangen verantwortet. Sie erklärte, sie habe "den Anblick von Willi nicht mehr ertragen" und ihn "nicht so leidend" sterben sehen können. Der 70-Jährige - von einem schweren Herzleiden, einer Herzoperation, COPD und zwei Nierentransplantationen gezeichnet - soll seiner Partnerin im Vorfeld das Versprechen abgenommen haben, ihn von seinem Leiden zu erlösen.

Staatsanwalt: Warum es keine Sterbehilfe war

Auch wenn der Mann im Sterben lag und nicht mehr ansprechbar war, habe die Handlung der Beschuldigten den Tod früher herbeigeführt, begründete Staatsanwalt Martin Ortner die Anklage. Von Sterbehilfe könne keine Rede sein, denn dazu müsse der Mann den konkreten Willen dazu äußern, wann, wo, wer und wie es passieren würde, und er muss sagen, dass er das auch will, sagte der Ankläger.

"Eine Generalvollmacht, bring mich um, wann du willst, die gibt es nicht", sagte der Staatsanwalt. Die Grenzen dafür seien hier am Gericht zu ziehen. "Es ist unumstritten, dass die zwei sich umeinander gesorgt haben", so der Ankläger. Aber es gebe in Österreich Sterbebegleitung, um einem Menschen ein ethisches Sterben in Würde zu ermöglichen. Man stelle sich vor, der Mann habe die Wahl, schmerzfrei auf die andere Seite zu schlafen oder man reißt ihm den Beatmungstubus aus dem Hals und den angenähten Katheter, dass das Blut nur so spritzt, stellte der Staatsanwalt in den Raum.

Das Paar kannte sich seit sieben Jahren. Der Mann war bereits damals gesundheitlich angeschlagen. Da er bald im Rollstuhl saß, lebte er seit einiger Zeit im Heim. "Die Wohnung war nicht mehr behindertengerecht", erzählte die 55-Jährige.

Weil es dem Pensionisten Ende März 2018 wegen einer verschleppten Lungenentzündung immer schlechter ging, wurde er ins Wiener AKH eingeliefert. Einen Tag später wurde dem 70-Jährigen bewusst, dass es dieses Mal dramatisch schlecht um ihn stand, die Medikamente schlugen nicht mehr an. 

Wodka getrunken: "Ich war völlig durch den Wind"

Am 1. April verschlechterte sich sein Zustand zusehends und der 70-Jährige wurde auf die Intensivstation gebracht. Seine Nieren drohten zu versagen, er erhielt einen Dialysekatheter und musste künstlich beatmet werden. Ab dem 2. April war der 70-Jährige gar nicht mehr ansprechbar. Vier Tage später wurde den Ärzten klar, dass der Mann nur noch wenige Stunden zu leben hatte. Weil die Mediziner beschlossen, im Falle eines Kreislaufstillstandes auch keine Reanimation mehr durchzuführen, informierten sie die 55-jährige Lebensgefährtin darüber, die sich - begleitet von Freunden - sofort auf dem Weg machte. Am Weg dorthin trank die Frau immer wieder Wodka. "Ich war völlig durch den Wind", sagte sie. "Das war die Überwindung für die letzte Hemmschwelle." Laut Gutachter dürfte sie mittel- bis hochgradig alkoholisiert gewesen sein.

"Ich habe ihm dann ein Busserl gegeben"

Auf der Intensivstation angekommen, wurde sie von den Ärzten über den dramatischen Zustand ihres Freundes aufgeklärt. Verzweifelt über die Situation - sie trank auch im Spital mehrmals aus einer Wodkaflasche - schrie sie auf der Station: "Willi, bitte kämpf um dein Leben, komm zurück, ich und deine Katzen brauchen dich", erzählte sie dem Schwurgericht (Vorsitz: Andreas Böhm). Sie sei hin und her gerissen gewesen, denn sie habe auch gesehen, dass es ihm nicht mehr gut geht. "Er war ganz kalt und gelb im Gesicht." Eine Ärztin versuchte, sie zu beruhigen und sprach mit ihr über den Sterbeprozess. Als der Pfleger gegen 17.00 Uhr aus dem Zimmer ging, war die Frau für zehn Minuten mit dem Patienten alleine.

"'Das ist mein letzter Liebesdienst an dir, Willi', hab ich gesagt. Ich hab ihm dann ein Busserl gegeben", danach zog die Frau die lebenserhaltenden Geräte. "Er war lebenslang ein todkranker Mann und er hatte Angst dahinzusiechen." Sie habe sich über ihn gebeugt: "Ich hatte das Gefühl, dass er röchelt." Sie wollte ihm Leiden ersparen.

Voller Blut

Plötzlich ertönte aus dem Zimmer der akustische Alarm der Beatmungsmaschine, an die der 70-Jährige angeschlossen war. Als das medizinische Personal ins Zimmer stürmte, hielt die 55-Jährige den Sterbenden im Arm, in der anderen Hand hielt sie den Dialysekatheter, der am Hals des Mannes befestigt war. Auch der Beatmungstubus, die Magensonde sowie EKG-Kabel waren bereits entfernt. Laut Staatsanwalt musste dazu viel Kraft aufgewendet werden, denn der Dialysekatheter war zwei Mal an der Haut festgenäht. Die Frau war über und über mit Blut besudelt. Während die Ärzte sich um den Mann kümmerten, ging die 55-Jährige aus dem AKH, nahm sich ein Taxi und fuhr nach Hause. Am Abend wurde sie festgenommen.

Freunde des 70-Jährigen haben nichts von so einer Vereinbarung zur Sterbehilfe gewusst. Auf die Frage von Verteidiger Gahleithner, das der Pensionist einem Wahlneffen gesagt habe, "wenn ich nicht mehr alleine aufs Klo gehe, dann schieß mir eine Kugel in den Kopf", meinte dieser im Zeugenstand: "Thema war es schon, aber es war ja nicht ernst gemeint." Sein Wahlonkel sei es schon öfter schlecht gegangen, er habe es jedoch immer geschafft. "Kein Mensch verdient so einen Abgang", sagte der Freund.

Schmerzvoller Tod

Wie der Sachverständige für Intensivmedizin, Rudolf Likar, ausführte, war der Patient zum Zeitpunkt, als die Schläuche gezogen wurden, längst nicht mehr bei Bewusstsein: "Der Sterbeprozess war im Gange." Der Mann wäre laut Likar auch ohne Zutun der 55-Jährigen gestorben. Man habe ihn im Krankenhaus nur mehr mit Schlaf- und Schmerzmitteln versorgt, um Angehörigen die Möglichkeit zu geben, sich von ihm zu Lebzeiten zu verabschieden. Das Rausreißen der lebenserhaltenden Geräte hätte dem Patienten vielmehr eine Schmerzreizung zugefügt.

Warum der OGH das erste Urteil aufhob

Bereits im Vorjahr erhielt die 55-Jährige eine teilbedingte Haftstrafe wegen Mordes in der gleichen Höhe. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hob das Urteil allerdings auf und ordnete eine Neudurchführung des Verfahrens an, weil sich das Erstgericht nicht mit der Frage in Richtung Totschlag befasst habe. Da die Staatsanwaltschaft im ersten Verfahren im vergangenen Jahr keine Berufung eingelegt hat, konnte die Strafhöhe nun nicht mehr höher angesetzt werden, als die damals verhängten teilbedingten drei Jahre. "Die Frau wird keinen Tag im Gefängnis verbringen", so der Ankläger. Die bisher unbescholtene Frau wäre grundsätzlich eine klassische Fußfessel-Kandidatin: wenn die zu verbüßende Strafzeit zwölf Monate nicht übersteigt, kann ein Antrag auf Genehmigung des elektronisch überwachten Hausarrests gestellt werden.

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