Dawson's Creek: Gefühlschaos und intellektuelle Klugscheißerei
Ab heute sind alle 128 Folgen der US-Kultserie um Dawson, Joey, Pacey und Jen beim Streaminganbieter Netflix zu sehen.
In den späten 90ern war Drehbuchautor Kevin Williamson ein gefragter Mann in Hollywood. Mit seinem ironischen Teenie-Horror "Scream" hatte er ein totgeglaubtes Genre revitalisiert und einen Riesenhit gelandet. Dieser Erfolg ermöglichte ihm, sein persönliches Lieblingsprojekt zu realisieren: eine auf seinem eigenen Erwachsenwerden in einer verschlafenen Kleinstadt basierende TV-Serie. Am 20. Jänner 1998 lief die erste Folge von "Dawson’s Creek" im US-Fernsehen. Das Drama über eine verschworene Gruppe von Freunden, die mit der ersten Liebe, dem ersten Sex, und dem Leben im Allgemeinen haderten, brachte es auf insgesamt 128 Episoden in sechs Staffeln. Ab heute ist die Kultserie, nachdem sie in den vergangenen Jahren vom Bildschirm verschwunden war, in voller Länge auf Netflix zu sehen.
Das Liebesdreieck zwischen dem Filmfreak Dawson, seiner feschen Nachbarin Joey und "Bad Boy" Pacey war mit rund 4,5 Millionen Zuschauern pro Folge zwar nie ein Quotenhit, traf aber von Anfang an den Nerv des jugendlichen Zielpublikums. Im Gegensatz zu anderen Teenie-Serien waren die Darsteller hier keine verantwortungslosen Idioten, die sich nur um schnelle Autos und schicke Outfits scherten. Nein, das Trio aus dem Örtchen Capeside – plus die aus New York "importierte" Jen – parlierte vielmehr in geschliffenen und selbstreflektierten Dialogen über seinen Seelenzustand und die Popkultur.
Realistisch war diese Mischung aus Gefühlschaos und intellektueller Klugscheißerei zwar nicht, die hormonell gebeutelten Fans sprach sie aber umso mehr an. Dies auch, weil "Dawson’s Creek" bis in die kleinsten Rollen ausgezeichnet besetzt war. Neben Katie Holmes (Joey), die von 2006 bis 2012 mit Tom Cruise verheiratet war, gelang auch Pacey-Darsteller Joshua Jackson der Sprung nach Hollywood. Ganz zu schweigen von Michelle "Jen" Williams ("Brokeback Mountain", "Manchester by the Sea"), die insgesamt vier Mal für einen Oscar nominiert war. Lediglich Hauptdarsteller James Van Der Beek blieb der große Durchbruch verwehrt. Heute lebt er mit Ehefrau Kimberley und seinen fünf Kindern in Texas.
Gerüchte um Fortsetzung
Spekulationen um eine Fortsetzung gab’s in den vergangenen Jahren öfters. Meist war es Michelle Williams, die die Gerüchteküche anheizte: "Kevin Williamson hat meine Handynummer. Er braucht nur anzurufen." Ob der jetzt erfolgte Sprung zu Netflix der entscheidende Schritt hin zur Reunion ist – wie bei "Gilmour Girls" und "Full House"–, wird sich zeigen.
Vielleicht darf bei einer Fortsetzung dann ja auch wieder Paula Cole den legendären Titelsong "I Don’t Want to Wait" trällern. Bei der Netflix-Ausstrahlung fehlt die Klavierballade nämlich. Die Produzenten hatten sich in den 90ern die Songrechte lediglich für die TV-Ausstrahlungen gesichert, nicht aber für spätere Verwertungen.