Wenn Schauspieler die Welt retten
Premiere von Ostrowskis Komödie "Der Wald" im Linzer Schauspielhaus.
In Russland ist er ein Säulenheiliger, der gemeinsam mit Kapazundern wie Nikolai Gogol, Fjodor Dostojewski und Anton Tschechow das Gebäude nationaler Dramatik stützt. Im deutschsprachigen Raum sind die Werke Alexander Ostrowskis (1823–1886) Raritäten. Landestheater-Schauspielchef Stephan Suschke nahm "Der Wald" – die bekannteste Komödie des kritischen Realisten von 1871 – selbst in die Regie-Hand. Am Freitag fand im Schauspielhaus die seltsam langsame Premiere statt.
Im Dickicht der Schleimer, Korrupten und Egoisten existiert eine Gruppe von Menschen, die unbeirrbar für das Gute und Schöne ringt: die Schauspieler. Mit dem rhetorischen Florett – von Zitaten der Weltliteratur geschliffen – fechten sie für Gerechtigkeit. Die Schauspieler sind auch auserwählt, die Welt in "Der Wald" zu retten.
Midlife-Crisis
In ihrer Midlife-Crisis wie Rilkes Panther im Käfig gefangen, interessiert sich Gutsbesitzerin Raissa mehr für junge Männer als fürs Geschäft. Weil auch der Hedonismus seinen Preis hat, verkauft sie Stück um Stück ihres Waldes. Das Schicksal ihrer Nichte Axinja, die gegen deren Willen den Verkehrten heiraten soll, ist Raissa einerlei. Der ausgefuchste Holzhändler Wosmibratow haut sie übers Ohr und bezahlt weniger als vereinbart. Alles wurscht, Raissa hat sich in den Kopf gesetzt, den hübschen Dummkopf Alexej für ihren in die Jahre gekommenen Körper zu begeistern. Da taucht Raissas Neffe Gennadij, ein arbeitsloser Schauspieler, in Begleitung seines Kollegen Arkadij auf. Die zwei verkrachten Künstler-Existenzen sind die Einzigen, die das perfide Spiel aller durchschauen.
Suschke mag nicht viel Zeit auf das Timing der den Witz speisenden Dialog-Duelle verwendet haben. Die Text-Zügel schleifen zu lose auf der zwischen herrschaftlichem Mahagoni-Verbau und Schilfufer zum Anbandeln wechselnden Bühne (Siegfried E. Mayer). Und hätte nicht der leider zu oft mit Ergänzungs- statt Hauptrollen beauftragte Vasilij Sotke (diesmal als glänzender Lakai Karp) zusammen mit Musikchef Nebojsa Krulanovic ob hinreißender russischer Lieder die Herzen des Publikums geöffnet, die ersten drei von fünf Akten wären rückstandslos verpufft.
Katharina Hofmann muss als Raissa wie zuletzt so oft eine vordergründig laszive Alte geben, was sie hervorragend bewältigt. Julian Sigl als grandioser Gennadij ist das Eintrittsgeld allein wert. Neuzugang Helmuth Häusler bleibt als ungefährlicher Wosmibratow mehr mit dem Publikum als mit seinen Mitspielern beschäftigt. Anna Rieser ist eine gute, wackere Axinja – und Clemens Berndorff macht sich den Tölpel Alexej zu leicht. Eva-Maria Aichner (Ulita), Horst Heiss (Arkadij), Sebastian Hufschmidt (Jewgenij), Lutz Zeidler (Uwar), Benedikt Steiner (Piotr) und Joachim Wernhart (Terenka) stützen den in Summe durchschnittlichen Komödienabend, der noch zwei Probenwochen gebraucht hätte. Sonderapplaus für Sotke, Hofmann und Sigl. Sie retten an diesem Abend die Welt.
Fazit: Eine Komödie, die nur behäbig Tempo aufnimmt und in ihrer Figurenzeichnung zu passiv bleibt. "Der Wald" von A. Ostrowski, Schauspielhaus Linz, Regie: Stephan Suschke, Termine: 9., 14., 21., 25. Mai; 7., 10., 21., 22. Juni, 4. Juli.
Ein Bravo für die Auswahl des Stückes!