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Wirtschaft in den USA, Deutschland und Österreich "historisch" stark geschrumpft

Von nachrichten.at/apa   30.Juli 2020

Die US-Wirtschaft hat in der Coronakrise einen historischen Konjunktureinbruch erlitten. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ging im zweiten Quartal um auf das Jahr hochgerechnet 32,9 Prozent zurück, teilte die Regierung in Washington am Donnerstag mit.Das war der tiefste Einbruch in einem Vierteljahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Nach der in Europa gebräuchlichen Berichtsweise im Quartalsvergleich entspräche das umgerechnet etwa einem Minus von fast zehn Prozent.

Im ersten Vierteljahr war die US-Wirtschaft aufs Jahr hochgerechnet bereits um fünf Prozent geschrumpft. Die Zuspitzung der Coronapandemie ab Mitte März stürzte die USA dann aber in eine schwere Wirtschaftskrise. In der zweiten Maihälfte und im Juni gab es bereits wieder Zeichen einer Erholung. Seit Ende Juni hat die Zahl der Neuinfektionen aber wieder dramatisch zugenommen, was zu neuerlichen Einschränkungen des Wirtschaftslebens geführt hat und das Wachstum erneut ausbremsen dürfte. Die Arbeitslosenquote lag im Juni bei 11,1 Prozent. Vor der Pandemie hatte sie noch bei 3,5 Prozent gelegen.

Notenbankchef Jerome Powell hatte am Mittwoch bereits vor einem historischen Einbruch des BIP gewarnt. Er erklärte, die weitere Entwicklung der größten Volkswirtschaft der Welt sei wegen der Pandemie höchst unsicher. "Der Verlauf der Wirtschaft wird in sehr großem Ausmaß vom Verlauf des Virus abhängen", sagte Powell. Ohne eine Eindämmung des Virus sei eine vollständige wirtschaftliche Erholung "unwahrscheinlich", warnte er.

US-Präsident Donald Trumps Regierung hingegen hofft auf eine rasche Erholung der größten Volkswirtschaft der Welt im dritten Quartal. Trump drängt daher trotz Pandemie auf eine rasche Normalisierung des Wirtschaftslebens. Analysten sehen die Hoffnung auf einen schnellen Aufschwung allerdings zumeist skeptischer.

Erste Reaktionen von Volkswirtschafts-Experten aus Deutschland 

Bastian Hepperle, Bankhaus Lampe: "Es wird lange dauern, bis die US-Wirtschaft aus dem tiefen Tal der Tränen herauskommt. Anhaltend hohe Infektionszahlen und Massenarbeitslosigkeit sorgen für erhebliche Verunsicherung. Diese lähmt den Privatkonsum sowie Investitionen. Weitere Hilfen seitens der Fiskal- und Geldpolitik sind nötig, ansonsten drohen stärkere Konjunkturrückschläge."

Uwe Burhert, Landesbank Baden-Württemberg: "Die US-Wirtschaftsleistung ist im zweiten Quartal erwartungsgemäß in einem historischen Ausmaß geschrumpft. Der 'Lockdown' hatte das wirtschaftliche Leben weitgehend gelähmt. Eine so stark konsum- und dienstleistungsorientierte Wirtschaft wie die der USA leidet natürlich besonders unter der Schließung von Geschäften, Restaurants und so weiter. Der wirtschaftlich schwerste Rückschlag in der jüngeren US-Geschichte könnte ein eher kurzer sein. Die Daten vom Arbeitsmarkt und eine ganze Reihe weiterer Konjunkturdaten und Frühindikatoren weisen zumindest auf eine kräftige Erholung im laufenden Quartal hin. Allerdings wird es schon länger dauern, die Wirtschaftsleistung wieder auf das Vorkrisenniveau zu steigern. Und als Damoklesschwert über allem schweben die hohen Neuinfektionszahlen in den USA."

Der US-Kongress und die Regierung haben seit Beginn der Krise bereits Konjunkturpakete in Höhe von fast drei Billionen US-Dollar (etwa 2.558 Mrd. Euro) beschlossen. Das entspricht mehr als zehn Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Derzeit gibt es im Kongress Verhandlungen über ein weiteres Paket. Die Vorstellungen von Republikanern und Demokraten dazu gehen aber noch weit auseinander.

Auch Österreich betroffen

In Österreich ist es eine Rezession historischen Ausmaßes, erklärte das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) am Donnerstag. Verglichen mit dem ersten Vierteljahr, das schon ein Minus aufgewiesen hatte, war das BIP von April bis Juni um 10,7 Prozent tiefer. Details dazu im Video:

Ein Rückgang dieser Größenordnung sei einzigartig seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 hätten einen massiven Ausfall der Konsumnachfrage mit sich gebracht. Wertschöpfungseinbußen bei Tourismus, Verkehr, Handel, persönlichen Dienstleistungen sowie Kunst, Unterhaltung und Erholung hätten das gezeigt. Auch die Industrie und die Exportnachfrage seien im Gleichklang mit dem internationalen Umfeld eingebrochen.

Historischer Einbruch in Deutschland

Mit dem starken BIP-Rückgang im zweiten Quartal ist Österreich nicht allein. Die deutsche Wirtschaft hat auf dem Höhepunkt der Coronakrise einen noch nie da gewesenen Einbruch erlebt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpfte im zweiten Quartal gegenüber dem Vorquartal um 10,1 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden in einer ersten Schätzung mitteilte. Es war der stärkste Rückgang seit Beginn der vierteljährlichen BIP-Berechnungen im Jahr 1970.

Für Frankreich ging das Pariser Statistikamt Anfang Juli in einer vorläufigen Annahme von einem Einbruch von 17 Prozent im zweiten Quartal aus, erwartete aber fürs Sommerquartal schon wieder 19 Prozent Anstieg. Das Institut für Höhere Studien (IHS) hatte vorige Woche zur neuen Mittelfristprognose erklärt, der Tiefpunkt der Rezession dürfte bereits im zweiten Quartal des heurigen Jahres erreicht worden sein, sodass die globale Wirtschaft nun wieder zu einem moderaten Wachstum zurückkehre.

Die BIP-Entwicklung Österreichs im ersten Quartal wurde vom Wifo nur geringfügig revidiert und liegt für Jänner bis März bei -2,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr und -2,4 Prozent gegenüber der Vorperiode, als dem Schlussquartal 2019.

Die Bereiche mit den größten Einbußen

Im zweiten Quartal sei die Wertschöpfung in den Bereichen Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kfz, Verkehr, Beherbergung und Gastronomie um 27,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr abgesackt - und mit minus 5,4 Prozentpunkten für fast die Hälfte des BIP-Rückganges von April bis Juni verantwortlich gewesen. Die wirtschaftliche Entwicklung sei maßgeblich durch die Corona-Eindämmungsmaßnahmen sowie die sukzessive Öffnung der Handels- und Dienstleistungsbereiche zwischen Mitte April und Ende Mai bestimmt gewesen, so das Wifo.

Mit Wertschöpfungseinbußen von 32,0 Prozent waren den Experten zufolge auch die Bereiche Sport-, Kultur- und Unterhaltungseinrichtungen sowie persönliche Dienstleistungen unmittelbar stark betroffen. Auch in den Sektoren Bergbau, Warenherstellung, Energie- und Wasserversorgung, Abfallentsorgung sei die Wertschöpfung mit -20,9 Prozent massiv eingebrochen. Geprägt gewesen sei die Entwicklung durch Angebotseinschränkungen sowie heimische und internationale Nachfrageausfälle. In der Bauwirtschaft wurden 9,2 Prozent Rückgang verzeichnet.

Krisenresistente Bereiche

Als krisenresistent erwies sich laut Wifo hingegen die wirtschaftliche Dynamik der Bereiche Information und Kommunikation, Kredit- und Versicherungswesen, Grundstücks- und Wohnungswesen sowie öffentliche Verwaltung.

Der private Konsum brachte - aufgrund der Einschränkungen bei Handel und Dienstleistungen - einen historischen Nachfrageausfall in Höhe von minus 15,9 Prozent mit sich und dämpfte damit das BIP maßgeblich um immerhin -8,3 Prozentpunkte. Auch die Investitions- und Exporttätigkeit wurde deutlich eingeschränkt, allerdings "nur" ähnlich stark wie bei der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09. Die Anlageinvestitionen sanken im zweiten Quartal um 10,9 Prozent, die Exporte um 18,1 Prozent - hier drückte der Einbruch der Reiseverkehrsexporte die Entwicklung. Die Importe lagen um 15,3 Prozent unter Vorjahr, sodass der Außenbeitrag die Gesamtwirtschaft dämpfte.

7,3 Prozent Minus prognostiziert

Die revidierten Daten zum zweiten Quartal will das Wifo am 28. August vorlegen. Ihre nächsten vierteljährlichen Prognosen wollen Wifo und IHS am 9. Oktober erläutern. Ende Juni waren sie für 2020 von 7,0 bzw. 7,3 Prozent BIP-Rückgang ausgegangen, hatten für 2021 aber schon wieder 4,3 bzw. 5,8 Prozent Zuwachs vorhergesagt.

Auch vorige Woche blieb das IHS bei den 7,3 Prozent Minus bzw. 5,8 Prozent Plus, präzisierte aber: Bei schneller Erholung könnte das BIP heuer vielleicht "nur" um 6,4 Prozent schrumpfen, bei einer langsamen Erholung um 8,3 Prozent, bei einer zweiten Corona-Welle aber um 9,1 Prozent. Bei einer 2. Welle würde 2021 das BIP-Plus auf 1,4 Prozent gebremst, könnte bei einer langsamen Erholung 4,8 und bei einer schnellen Erholung 6,6 Prozent ausmachen.

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08. Mai 2024