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EU-Einigung zu Belarus und Türkei - Finanzstreit dauert an

Von nachrichten.at/apa   02.Oktober 2020

Am ersten Tag des EU-Gipfel haben sie sich nach langem Ringen auf Sanktionen gegen Belarus und eine gemeinsame Haltung zur Türkei verständigt - wir haben berichtet. Der Finanzstreit und der Konflikt um die Rechtsstaatlichkeit könnten die Beratungen weiter überschatten. Ein Überblick:

Türkei

Das Verhältnis zur Türkei wegen des Gas-Streits im östlichen Mittelmeer stand im Zentrum der stundenlangen Gipfelberatungen. Griechenland und Zypern forderten Sanktionen und lehnten deshalb mehrere Entwürfe für eine gemeinsame Erklärung ab. Spät am Abend stimmten sie einem Text zu, demzufolge die EU droht, "alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente" zu nutzen, wenn die Ankara nicht zum Dialog bereit sei.

Das Wort "Sanktionen" kommt darin nicht vor, es werden aber zwei Artikel aus den EU-Verträgen genannt, die Grundlage für die Verhängung von Strafmaßnahmen sind. Im Falle "konstruktiver Bemühungen" Ankaras stellte der Gipfel "eine positive politische EU-Türkei-Agenda" in Aussicht. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte als Beispiel "die Zusammenarbeit in Flüchtlingsfragen" oder die Erweiterung der Zollunion. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zeigte sich erfreut darüber, dass es "erstmals klare Sanktionsdrohungen in Richtung Türkei" gebe, wenn diese "weiterhin Völkerrecht bricht".

Weißrussland (Belarus)

Mit der Einigung in der Türkei-Frage gab Zypern seine Blockade der bereits seit Wochen angekündigten Belarus-Sanktionen auf. Schon kurz nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl im August hatte die EU Strafmaßnahmen angekündigt. Dafür war aber Einstimmigkeit nötig und Zypern stellte sich quer.

Eine seit längerem existierende Liste mit mehr als 40 Belarussen, die für Wahlbetrug und Gewalt gegen Demonstranten verantwortlich gemacht werden, kann nun zur Anwendung kommen. Präsident Alexander Lukaschenko befindet sich bisher nicht darunter. Dies könnte sich laut EU-Ratspräsident Charles Michel aber ändern.

Berg-Karabach

Beim militärischen Konflikt um die Region Berg-Karabach rief der Gipfel zu "einem sofortigen Ende der Gefechte" sowie Armenien und Aserbaidschan zu Verhandlungen auf. Ausländische Mächte sollten sich zudem aus dem Konflikt herauszuhalten. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron forderte die türkische Regierung zur Aufklärung über die mutmaßliche Verlegung von 300 dschihadistischen Kämpfern aus Syrien nach Berg-Karabach auf. Die Türkei unterstützt Aserbaidschan.

Nawalny

Den Giftanschlag gegen den russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny verurteilte der Gipfel als "Mordversuch" mit einem militärischen Nervenkampfstoff der Nowitschok-Gruppe. Die Staats- und Regierungschefs verlangten von Russland, "eine unparteiische internationale Untersuchung sicherzustellen und die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen".

Eine Debatte über Sanktionen wurde offiziell nicht geführt, da die abschließende Bewertung durch die Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OVCW) noch aussteht. Polen hatte zuvor aber angekündigt, Strafmaßnahmen und in diesem Zusammenhang das Thema Nord Stream 2 zur Sprache bringen zu wollen. Das Land fordert das Aus des deutsch-russischen Pipeline-Projekts.

China

Den Erklärungsteil zu China verabschiedete der Gipfel ohne Diskussion. Die Staats- und Regierungschefs riefen demnach dazu auf, die Verhandlungen über ein seit langem geplantes Investitionsabkommen bis Jahresende abzuschließen. Sie begrüßten auch, dass Peking nun vor dem Jahr 2060 das Ziel der Klimaneutralität erreichen will. Gleichzeitig äußerte der Gipfel seine "ernsthafte Besorgnis" zur Lage in Hongkong und zur Behandlung von Minderheiten.

Stärkung des EU-Binnenmarktes

Bei den noch ausstehenden Beratungen am Freitag wollte der Gipfel schon lange geplanten Reformen des EU-Binnenmarktes einen Schub geben. Bei der Wirtschaftspolitik steht die "strategische Autonomie" der EU im Fokus. Die stärkere wirtschaftliche Unabhängigkeit von Drittstaaten sei "ein Schlüsselziel der Union", heißt es im Gipfelentwurf. Er fordert zudem eine "ehrgeizigere europäische Industriepolitik" etwa bei der Batterieproduktion oder Mikroelektronik.

EU-Finanzstreit

Nicht offiziell auf der Agenda, aber ein zentrales Thema sind die Probleme, den Hilfsfonds gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise auf den Weg zu bringen. Die Verhandlungen der Mitgliedstaaten über den nächsten EU-Mehrjahreshaushalt mit dem EU-Parlament stocken, der zu Jahresbeginn 2021 geplante Start des 750 Milliarden Euro schweren Corona-Fonds droht sich deswegen zu verzögern. Parlamentspräsident David Sassoli gab den Mitgliedstaaten die Schuld am fehlenden Fortschritt bei den Verhandlungen.

Eng damit verbunden ist der sich zuspitzende Konflikt um die Rechtsstaatlichkeit. Polen und Ungarn, die seit langem wegen rechtsstaatlicher Verfehlungen in Brüssel am Pranger stehen, wehren sich vehement gegen Pläne, die Auszahlung von EU-Mitteln an die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien zu knüpfen. Ungarns Regierungschef Viktor Orban hatte in dem Konflikt in der Vergangenheit schon mehrfach mit einem Veto auch bei anderen EU-Themen gedroht.

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26. April 2024