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EU-Bürger begehren wegen der Wohnkosten auf

Von Josef Lehner   03.Mai 2019

Die EU-Kommission hat eine Task Force für Investitionen in soziale Infrastruktur eingerichtet, die den eklatanten Rückgang von Investitionen konstatiert und eine jährliche Finanzlücke für leistbaren Wohnraum in den Mitgliedsländern von rund 57 Milliarden Euro im Jahr erhoben hat.

Drei Entwicklungen haben den Anstieg der Wohnkosten im internationalen Gleichklang geprägt: knapper Wohnraum in Städten wegen der Landflucht; verstärkte Spekulation mit Wohnraum wegen der niedrigen Bankzinsen; weniger Sozialwohnbau wegen der Schuldenbremse für öffentliche Haushalte.

Wohnbaubremsen lösen

Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, haben Bürger aus mehreren EU-Ländern die Initiative "Housing for All" ins Leben gerufen. Sie wollen die europäischen Politiker dazu animieren, die Bremse im sozialen Wohnbau zu lösen. Sprecherin ist die Wienerin Karin Zauner-Lohmeyer, die sich seit Jahren für leistbares Wohnen engagiert. Es sei deprimierend, auf Reisen in allen EU-Ländern auf dasselbe Problem zu stoßen. "Wenn sich so viele Menschen das Wohnen nicht mehr leisten können, ist das doch keine Gesellschaft, in der wir leben wollen", sagt sie den OÖNachrichten. Leistbares Wohnen müsse selbstverständlich sein wie gute Bildung und ein funktionierendes Gesundheitswesen.

"Der Markt versagt"

Die EU müsse Geld für sozialen Wohnbau mobilisieren, so die promovierte Publizistin: "Die Zahlen belegen es ja. Der Markt versagt, er erzeugt keinen leistbaren Wohnraum. Wohnen ohne den Staat geht nicht. Das Problem ist so groß, dass wir jetzt etwas tun müssen."

Die Fehlentwicklung habe überall dieselbe Wurzel. Sie habe mit der Finanzkrise im Jahr 2008 eingesetzt, weil Investoren wegen der schlechten Aussichten auf den Kapitalmärkten in Immobilien veranlagten. Auch Finanzkonzerne und Pensionsfonds verteuerten mit ihrem Engagement den Wohnraum.

Gemeinnützigkeit nützt

"Es hat in Wien noch nie so viele Baubewilligungen gegeben wie im Vorjahr. Das große Geld fließt jedoch in Vorsorgewohnungen von Anlegern", sagt Zauner-Lohmeyer. Das löse nicht das große Problem der Wohnungssuchenden, die hohen Preise. Österreich und Wien hätten den Vorzug, dass der gemeinnützige Wohnbau funktioniere. Deutschland habe ihn geopfert und eine Kostenexplosion geerntet. Reaktion: "Städte wie Dresden gründen jetzt kommunale Wohnbauunternehmen", sagt Zauner.

Mit dem Wohnungseigentum sinkt die Ungleichheit

Neben dem staatlichen Pensionssystem trägt ein hoher Anteil an Wohnungseigentum maßgeblich dazu bei, dass in einem Land die Vermögen breiter verteilt sind. Das stellen Ökonomen der Denkwerkstatt Agenda Austria fest.

Die Österreicher wohnen, getrieben von der Gemeinde Wien, zu mehr als 50 Prozent zur Miete. Daraus leite sich bei den Vermögen – im Unterschied zu den Einkommen – eine relative Ungleichheit ab. "Wenn die Politik tatsächlich eine gleichere Vermögensverteilung anstrebt, sollten mehr Anreize für Eigentum gesetzt werden", sagt Ökonom Hanno Lorenz.

Wohnung als Vorsorge

Die in der Europäischen Union so stark aufgehende Schere zwischen Wohnungsmiete und Eigentum hat historische Gründe. Erstens haben südliche Länder traditionell einen sehr hohen Eigentumsanteil; die eigenen vier Wände spielen eine wichtige Rolle in der Vorsorge, weil die staatliche Vorsorge unterentwickelt ist.

Zweite historische Entwicklung: Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks boten die Staaten den Bewohnern des kollektiven Eigentums das Zuhause zum Kauf an. Deshalb gibt es heute etwa in der Slowakei, in Ungarn und Polen Eigentumsquoten von 75 Prozent und mehr. Die Menschen kauften, weil sie dem Staat mit dem Gemeinschaftseigentum misstrauten.

Allerdings gebe es negative Begleiterscheinungen, erzählt Wohnexpertin Karin Zauner-Lohmeyer. In der Slowakei etwa fehlten Regeln, wie für die gemeinsame Infrastruktur gesorgt wird: "Die Eigentümer kümmern sich nur um ihre Wohnung, der Rest des Hauses verfällt." Außerdem gebe es in diesen Ländern einen unterentwickelten Mietwohnmarkt. Dieser sei jedoch für viele Menschen wichtig, die flexiblen Bedarf haben.

Das fordert die Bürgerinitiative "Housing for All"

Die Bürgerinitiative will bis März 2020 eine Million Unterschriften für leistbares Wohnen sammeln. Das sind die Forderungen:

1. Änderung des europäischen Beihilfenrechts, sodass nicht bloß die Allerärmsten in geförderte Wohnungen einziehen dürfen.

2. Öffentliche Investitionen in sozialen Wohnbau sollen den Staaten nicht als Maastricht-Schulden angelastet werden.

3. Schaffung eines EU-Fonds für gemeinnützige Wohnbauträger.

4. Fairer Wettbewerb für Kurzzeitvermieter (z.B. Airbnb), die dem Markt Wohnungen entziehen.

5. Eurostat soll regional Wohndaten erfassen (statt national).

Mehr Infos: housingforall.eu

 
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26. April 2024