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„Der Kreisky hat die Voest gerettet“

Von Dietmar Mascher   14.Februar 2011

OÖN: Herr Ruhaltinger, vor 25 Jahren erreichte die Verstaatlichtenkrise ihren Höhepunkt. Sie bezeichneten diese Zeit als die schwärzeste Ihrer Karriere. Wie sehen Sie die Entwicklung seither?

Ruhaltinger: Die voestalpine hat sich gut entwickelt, sie hat sich aber auch von den defizitären Betrieben befreit. Das war seinerzeit nicht lustig für uns.

OÖN: Hätte man nicht viel früher mit der Sanierung der Verstaatlichten beginnen müssen?

Ruhaltinger: Das sagt sich alles heute leicht. Da hätte man in Ober- und Niederösterreich, in der Steiermark und Wien einen Aufstand gehabt.

OÖN: Sie haben einmal die Fusion mit der Alpine als Ursprung des Problems gesehen, vor allem das Diktat der Politik, die steirischen Betriebe zu retten.

Ruhaltinger: Die Steirer hatten mehr Sozialleistungen als wir. Dennoch mussten wir sie retten. Das war Kreiskys Wunsch. Der hat die Arbeitslosigkeit aus den Dreißigerjahren noch im Hinterkopf gehabt. Wichtig war, dass wir den Generaldirektor in Linz halten konnten. Immer wieder gab es Versuche, den nach Wien zu verlegen.

OÖN: Sie hatten zahlreiche Funktionen. Androsch hat gesagt, Sie seien der eigentliche Generaldirektor gewesen. Wie groß war Ihre Verantwortung an der Entwicklung vor 25 Jahren?

Ruhaltinger: Der Einfluss der Belegschaft war nicht so groß. Wir hatten im Aufsichtsrat nur ein Drittel der Stimmen.

OÖN: Sie hatten auch bei den Eigentümervertretern im Aufsichtsrat genug Mandatare. Die SPÖ dominierte. Und ohne Sie ging in der SPÖ nichts.

Ruhaltinger: Es wird auch vergessen, dass die Hälfte der Eigentümer-Mandate bei der ÖVP lag. Aber die Leute und auch die Medien haben nur mich gesehen. Und dann hieß es: Richtet alle Gewehre auf den Ruhaltinger.

OÖN: Also hatte Androsch nicht Recht? Sie waren nicht so einflussreich?

Ruhaltinger: Wenn der Androsch so blöd daherredet, kann ich das nicht verstehen. Wenn ich jetzt in die Sauna gehe, dann sagen die Leut „Grüß Dich, Herr Generaldirektor“. Ich habe damals meine Aufgabe erfüllt, als Betriebsrat für die Belegschaft einzutreten. Der Neid der Leute verfolgt mich heute noch.

OÖN: Sie haben es aber auch bei Ihrer Pensionierung als Fehler bezeichnet, so viele Ämter gehabt zu haben.

Ruhaltinger: Die Arbeit war mir keiner neidig, das Geld schon. Wovon wir profitiert haben: Wir hatten die Macht. Und ich habe eigentlich nur mich fragen müssen, wenn wir schnell was entscheiden mussten. Gleichzeitig möchte ich aber sagen: Ich wurde in alle Funktionen einstimmig gewählt, auch von den anderen Fraktionen. Die haben dann gesagt: Franz, mach du! Und der Franz is marschiert.

OÖN: Der Einfluss der Parteipolitik hat der Voest damals nicht gut getan.

Ruhaltinger: Natürlich gab es diesen Einfluss, weil es ein Staatsbetrieb war. Das Problem war, dass man uns unsere Sozialleistungen neidig war. Da sind wir bundesweit schon auf der Seife gestanden. Es war nicht mehr lustig, unter die Leute zu gehen. Aber wir haben alles zusammengehalten. Was nicht so leicht war, weil die Steirer haben immer geglaubt, sie hätten das Eisen erfunden.

OÖN: Wie sehen Sie das heute, dass der Konzern fast pleite war?

Ruhaltinger: Der Kreisky hat die Voest gerettet, indem im Parlament ein Zuschuss beschlossen wurde.

OÖN: Hat er nicht gerettet, was er mit seiner Beschäftigungspolitik an den Abgrund getrieben hat?

Ruhaltinger: Der Druck der Landeshauptleute in Oberösterreich und der Steiermark war groß. Das muss man auch sehen. Es ist in schneller Zeit gelungen, die Bereiche zu retten.

OÖN: Wie war Ihr Verhältnis zu Generaldirektor Apfalter?

Ruhaltinger: Gut. Ab und zu haben wir halt Theater gespielt. Aber jeder hat gewusst, was er dem anderen zumuten kann.

OÖN: Ihr Einfluss war scheinbar doch nicht so gering. Sie haben Rudolf Streicher als Voest-Generaldirektor verhindert.

Ruhaltinger: Das stimmt. Wir hatten aus seiner Zeit in Ranshofen (als Amag-Chef, Anm.) nichts Gutes gehört. Er spricht mich heute noch drauf an.

OÖN: Mit Strahammer hatten Sie mehr Freude.

Ruhaltinger: Was die Voest jetzt ist, hat sie Peter Strahammer zu verdanken. Er hat die richtigen Reformen eingeleitet.

OÖN: Auch die Privatisierung. Sind Sie darüber glücklich?

Ruhaltinger: Nein, weil etliche Betriebe verkauft wurden. Und weil man sich jetzt leichter tut, Leute abzubauen, die man nicht mehr braucht.

OÖN: Was ist die Alternative?

Ruhaltinger: Dass die Leute Arbeit haben und dass das Werkl rennt. Jede Investition in neue Technologien war ja auch ein Arbeitsplatzverlust.

OÖN: Ohne neue Technologien gäbe es die Voest gar nicht mehr.

Ruhaltinger: Stimmt auch, wir haben die Konkurrenz überholt.

OÖN: Bleiben wir bei der Gegenwart. Sind Sie mit Ihren Nachfolgern zufrieden?

Ruhaltinger: Ja, aber sie haben es nicht leicht, weil die Solidarität abnimmt.

OÖN: Zuletzt gab es Probleme: im Arbeiterbetriebsrat und mit dem Dienstwagen von Fritz Sulzbacher.

Ruhaltinger: Das waren Blödheiten. Zu meiner Zeit waren das alles Lausbuben. Einige haben sich gut entwickelt, andere nicht.

Betriebsratskaiser mit viel Macht

Franz Ruhaltinger (83) stammt aus Neukirchen am Walde und wuchs mit Alt-Landeshauptmann Josef Ratzenböck (VP) auf. Der gelernte Schmied und Kranführer war von 1948 bis 1987 in der Voest tätig, am Ende als Betriebsratsobmann.
Das bedeutete viel Macht. Er war auch SP-Nationalratsabgeordneter, Obmann der Gebietskrankenkasse und des ÖGB sowie des Fußballvereins SK VÖEST. Bei der Wahl zum AK-Präsidenten hatte er gegen Fritz Freyschlag das Nachsehen.

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11. Mai 2024