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Gipfelgespräch mit Angela Eiter: „Ein Model werde ich sicher keines mehr“

Von Von Marlies Czerny   15.September 2010

Mittags auf der Muttekopfhütte oberhalb von Imst: Eiter ordert ein Glas Mineralwasser und einen Salat. Einen kleinen ohne Dressing, versteht sich.

OÖN: Üppig ist das nicht.

Eiter: Ich brauche nur eine Erfrischung. Wenn man in der Wand hängt, fällt einem das leichter. Gesunde Ernährung ist sehr wichtig.

OÖN: Klettern bedeutet auch Verzicht. Befürchtest du*, in ein paar Jahren mal zu denken, im Leben etwas versäumt zu haben?

Eiter: Nein. Klettern ist nicht nur Wettkampf für mich, es ist so eine Leidenschaft. Ich hab’ mir dieses Leben geschaffen. Klar muss ich auf viel verzichten: manche Freunde, das Ausgehen. Aber wenn ich abends müde ins Bett falle, weiß ich, dass mein Leben einen Sinn hat. Wenn andere Jugendliche in großem Ausmaß feiern, sollen sie. Ich war noch nie rauschig.

OÖN: Fünf Mal hast du das „Kitzbühel der Kletterer“, das Rock-Master in Arco, gewonnen. Wie oft hast du da den Boden unter den Füßen verloren?

Eiter: Nie. Darin hätte ich nie einen Grund gesehen. Es ist alles mit so harter Arbeit verbunden. Erfolg ist nicht langlebig. Ich will in der Kletterroute nicht fallen – auch im Leben nicht.

OÖN: Deine Finger sind rau und abgenützt. Tut das weh?

Eiter: Fein ist das nicht. Aber der Beat Kammerlander (Sportkletter-Legende, Anm.) hat mir einen Tipp gegeben, jetzt schmirgle ich sie mit Vitamin-E-Öl, das ist gut für die Wundheilung. Oft magst du dir die Hände nicht waschen, wenn die Finger wieder offen sind. Aber da beißt du die Zähne zusammen. Wenn sich der Beat wäscht, schaut das so aus: Er in der Dusche, die offenen Hände beim Vorhang raus. Seine Frau schrubbt und wäscht ihn dann...

OÖN: Klingt nach masochistischer Veranlagung.

Eiter: Man tut dem Körper sicher etwas an, aber das ist in jedem Sport so, den man extrem betreibt. Hühneraugen sind eine Kleinigkeit, aber nervig. Ein Fuß- oder Hand-Model werd’ ich sicher keines mehr (lacht).

OÖN: Welche Probleme tauchen sonst noch auf?

Eiter: Beim Einreisen in die USA. Einige Kletterer wurden schon als Terroristen abgestempelt. Wir haben ja so gut wie keine Fingerabdrücke. Für meinen Reisepass haben sie jeden Finger durchprobiert, erst der Daumen hatte ein Profil.

OÖN: Wie winzig sind die Kletterschuhe, in die du dich für den Wettkampf presst?

Eiter: Normal trage ich Größe 37, beim Wettkampf 33,5. Das geht ganz gut.

OÖN: Fast hättest du die Patscherl nie wieder gebraucht. Im September 2009 hat deine Schulter einen schweren Knacks erhalten.

Eiter: Das war schlimm. Meine Bizepssehne war zu 80 Prozent weg. Passiert bei einer Stützbewegung beim Weltcup in Bern. Mir tat alles weh. Ich wollte den Schmerz unterdrücken, doch der Physio sagte, es sei aussichtslos. Die Diagnose: sechs Monate kein Klettern. Dabei ist das mein Leben! Jeder hat geglaubt, ich falle in ein Loch. Aber dem war nicht so. Ich habe mich ausgelebt, war laufen, in der Schule, startete Projekte. Ich hätte nie geglaubt, dass es so lange ohne Klettern geht.

OÖN: An wem hast du dich angehalten, um nicht im Loch zu landen?

Eiter: Lindsey Vonn und Aksel Lund Svindal. Die kenne ich von meinem Sponsor Red Bull. Im Nachhinein war meine Verletzung ein Meilenstein. Zu einem ausgereiften Sportler gehört eine Verletzung dazu.

Wo Angy, da oben

Was hätte aus Angy Eiter auch werden sollen? Eine Tiefseetaucherin oder Bodenturnerin? Bestimmt nicht, wird beim Anblick ihrer Heimat schnell klar. Hoch hinaus wollte die 24-jährige Imsterin schon immer – das will sie auch im Gipfelgespräch mit den OÖN. Von Hochimst, ein paar Steinwürfe von ihrem Elternhaus entfernt, schweben wir mit der Bergbahn zur Mittelstation auf knapp 1500 Meter Seehöhe. Von dort führt uns ein Steig zum Zwischenziel, der Muttekopfhütte (1934 m). Es geht durch den Wald, über schmale Brücken, entlang von Felsen mit eingebohrten Kletterrouten, vorbei an der Latschenhütte (und nicht hinein), bis wir in einer guten Stunde da sind. Uns umringen die Lechtaler Alpen, mächtig thront der Muttekopf (2773 m) vor uns. Dem nähern wir uns eine Viertelstunde, bis wir zum Klettergarten „Felswurm“ abbiegen. „Konglomerat ist mein Lieblingsfels“, sagt Angy und klopft auf das Gestein. Es ist löchrig, aber fest. Der Gurt sitzt, das Equipment hängt, das Seil ist fertig: Auf geht’s. Den „Sigi“, eine Route im fünften Schwierigkeitsgrad, schleicht sie sanftmütig entlang – eine leichte Übung. Nachdem sich Eiter abgeseilt hat, übernimmt sie den Part des Bodenpersonals: Man fühlt sich gut aufgehoben, wenn die Weltmeisterin sichert. Platz zum Üben hat sie genug vor ihrer Haustüre, die Kletterregion Imst-Gurgltal bietet mehr als 1500 Routen aller Grade. Nach einem einstündigen Abstieg zischen wir ins Tal mit dem Alpin-Coaster, der längsten Alpen-Achterbahn mit 500 Höhenmetern. Auch heute will Eiter Fahrt aufnehmen: Bei der Kletter-EM in Imst und Innsbruck (bis Samstag) startet die Qualifikation im Vorstieg. Ein Nachsehen will sie da nicht haben.

"Angy" Eiter: Die Spinnenfrau

Mit 1,54 Metern und 46 kg zählt die Imsterin Angela „Angy“ Eiter zu den kleinsten Kletterinnen. Ihre Vorliebe: der Vorstieg. „So fein ist das nicht, wenn man klein ist, meistens bohren große Männer die Haken ein. Ich muss mich auf meine Qualitäten verlassen.“ Meist ist Verlass, auch wenn der 24-Jährigen immer Jüngere wie Johanna Ernst näher rücken. Ihre Erfolge? WM-Gold 2007, 2005, Weltcup-Gesamtsieg 2006, 2005, 2004, Sieg beim Rock Master in Arco 2009, 2007, 2005, 2004, 2003. Daneben absolviert sie die Abend-HAK, ihr Freund heißt Bernhard. Wie viele Kletterer zieht es Eiter immer mehr von der Halle auf den Fels.

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