Auch ein Schlusslicht kann strahlen
"Für mich war es einfach wunderbar. Es war wie ein großer Sieg", sagt Claudia Keplinger, die im Vorjahr beim Linz-Marathon als allerletzte ins Ziel kam.
"Ich habe mich wie eine Eliteläuferin gefühlt", erinnert sich Claudia Keplinger noch immer mit Freude an ihren großen Tag. "Nur ein Hubschrauber hat noch gefehlt", schmunzelt die 52jährige Mühlviertlerin, die sich selbst noch immer als "Nichtsportlerin" bezeichnet. Denn der Start beim Linz-Marathon war alles andere als geplant.
Freilich hatte sie sich Jahre zuvor in einem Anfall an Verzweiflung geschworen, dass sie einen Marathon laufen werde, wenn der Sohn die Matura schafft. Doch dieses Gelübde war eigentlich ziemlich utopisch. Hinzu kam eine Knieoperation, die ihre erst sieben Jahre junge Laufkarriere beinah beendet hätte. Tapfer kämpfte sich Keplinger aber zurück. Denn nach 45 Jahren ohne Sport hat sie das Laufen mittlerweile zu lieben gelernt. Und als dann 2018 der Halbmarathon beschwerdefrei klappte, wurde das heimliche Traumziel wieder ein Stück konkreter.
Doch erst am Freitag vor dem Marathon stand der Beschluss fest: "Ich habe mir den Wetterbericht angeschaut und mich einfach spontan für den Marathon angemeldet", sagt sie. Der Plan war einfach: Keplinger wollte zunächst bis zum Halbmarathon laufen und dann entscheiden, ob sie noch Kraft für weitere 21,1 Kilometer hat.
Die übliche wochenlange Marathonvorbereitung hatte sie zwar nicht in den Beinen, doch fühlte sie sich gut und lief weiter. Natürlich fehlten ihr die langen Vorbereitungsläufe und das Laufen wurde ab Kilometer 25 mühsamer. Doch Aufhören war kein Thema mehr. Im Gegenteil: Die Polizistin, die sie ab Kilometer 33 auf dem Rad begleitete, gab ihr neue Motivation.
Es regnete Konfetti
Vier Läufer waren zu diesem Zeitpunkt noch hinter ihr. Wenige Kilometer später bekam sie dann einen weiteren Begleiter: "Der Polizist sagte mir, dass die vier aufgegeben hätten und ich jetzt letzte bin", erinnert sich Keplinger, die über die Abwechslung froh war. "Es war spannend, das alles zu beobachten". Hinter ihr wurden die Labestellen aufgeräumt, die Straßen wurden gereinigt und die Ampeln wurden wieder eingeschaltet." Und Keplinger lief mit ihrer Polizeieskorte weiter dem Ziel entgegen: "Ich war völlig überrascht, dass auf der Landstraße noch so viel los war und der Sprecher mich lautstark ankündigte", schildert sie.
Was dann passierte, kann sie bis heute kaum glauben. "Es war einfach überwältigend". Alle jubelten. Plötzlich regnete es Konfetti, Keplinger bekam Blumen, einen OBB-Gutschein und ein T-Shirt. Sie musste Interviews geben und fühlte sich wie eine Siegerin.
Das war sie auch: Hatte sie doch das schier Unmögliche geschafft und in einer Zeit von 5:49:07 die magische Marathon-Strecke bewältigt. "Mich stört überhaupt nicht, dass ich letzte geworden bin, ich bin ja keine Sportlerin", schmunzelt die Mühlviertlerin.