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Premiere auf der Sommerbühne für den blauen Chef-Angreifer

Von OÖN   24.August 2021

Es war das erste ORF-Sommergespräch des neuen FP-Obmanns Herbert Kickl. Inhaltlich hatte er schon in den vergangenen Jahren die jeweiligen Parteichefs auf den Auftritt im TV vorbereitet, dieses Mal stand er erstmals selbst im Fokus, nachdem er im Juni zum FP-Obmann gewählt worden war. Sein Vorgänger Norbert Hofer hatte – enerviert von Kickls Querschüssen – überraschend den Vorsitz abgegeben.

Die FPÖ hat seither in den Umfragen keinen Höhenflug hingelegt. Sie liegt aber sehr stabil bei knapp unter 20 Prozent.

Für den lange Jahre die Öffentlichkeit scheuenden Politiker sind die TV-Sommergespräche eine gute Bühne, neue Facetten seiner Persönlichkeit zu zeigen. Der 52-jährige Vater eines Sohnes präsentierte sich bisher als leidenschaftlicher Bergsteiger und Kletterer. Neuerdings betont er häufig, dass er ein Kreuz als Talisman bei sich führe und Christ sei.

Kickl über Hofer: "Haben einfach die Position gewechselt"

Zum Konflikt um die Führungsrolle mit Norbert Hofer bemühte Kickl einen Fußball-Vergleich: "Wir haben einfach die Position gewechselt", und weiter: "Ich bin ein bisschen in den Sturm gegangen. Und das ist etwas, wo sich Norbert Hofer nicht so wohlfühlt."

"Keine Massenaustritte" 

"Wenn sich das Klima verschärft werden auch die Konflikte härter" begründete Kickl. "Ich glaube, er fühlt sich jetzt wohler und ich denke, für die Partei ist es gut", meinte er zum Machtwechsel bei den Freiheitlichen. Auch diverse Abgesänge hätten sich nicht bewahrheitet, zu Massenaustritten sei es nicht gekommen.

Skeptisch gegenüber Impfungen 

Auch seine inhaltliche Linie bestätigte Kickl einmal mehr. So sei er zwar nicht stolz darauf, nicht gegen das Coronavirus geimpft zu sein, allerdings sei er es guten Gewissens, wie er sagte. Auch das Beispiel des Vizelandeshauptmannes und oberösterreichischen FPÖ-Chefs Manfred Haimbuchner, der aufgrund einer Covid-Erkrankung auf der Intensivstation gelegen war, konnte ihn nicht umstimmen. So müsse es laut Kickl nicht zwangsläufig sein, dass eine Impfung dessen Erkrankung verhindert oder gelindert hätte.

Afghanistan: Keine Hilfe für bedrohte Aktivistinnen

Aus Afghanistan, wo die islamistischen Taliban unlängst die Macht übernommen haben, würde Kickl nicht nur keine Flüchtlinge aufnehmen, er sprach sich auch gegen Hilfe für von den Islamisten bedrohten Aktivistinnen vor Ort aus. Begründung: "Es gibt Dinge, die ich nicht ändern kann." Eine Streitmacht habe dort 20 Jahre lang Krieg geführt und sei dann abgezogen - "jetzt würde ich gerne genau diese Staaten in dieser Verantwortung sehen", meinte Kickl, der als Teenager übrigens der Fremdenlegion beitreten wollte.

Unklarheit über die Person

"Über Kickl als Person herrscht Unklarheit. Wo ist Kickl überzeugter Ideologe, und wo ist er skrupelloser Populist?", fragt auch der Politikwissenschafter Peter Filzmaier im Gespräch mit den OÖNachrichten. Er sieht Widersprüchlichkeiten: Kickl zitiere Marx und den dialektischen Materialismus, ebenso trete er bei rechtsextremen Kongressen in Linz auf.

Platz des "Ungustls"

Im OGM-Vertrauensindex belegt Kickl konstant den Platz des "Ungustls" – seine Werte liegen bei minus 50 Prozent. Dies bedeute, dass 75 Prozent kein Vertrauen zu Kickl haben, umgekehrt lässt sich daraus aber schließen, dass 25 Prozent ihm vertrauen, sagt Filzmaier. Bei einer Wahl wären 25 Prozent für die FPÖ derzeit ein Traumergebnis.

Fraglich ist, ob die Situation in Afghanistan und etwaige Ängste vor Flüchtlingen der FPÖ Stimmen bringen werden. Schließlich deckt das Thema auch die ÖVP in entsprechender Weise ab. Anders ist die Situation hingegen bei Corona. Hier hat die FPÖ mit ihrer von Kickl vorgegebenen Linie ein Alleinstellungsmerkmal. Kickl spreche damit nicht nur Corona-Leugner und Verschwörungstheoretiker an, sondern auch jene, die verängstigt seien und denen die Maßnahmen zu weit gingen, so Filzmaier. In Summe käme man damit auf über 20 Prozent. Doch in Oberösterreich beginne bereits die neue Partei MFG (Menschen-Freiheit-Grundrechte) im selben Teich zu fischen.

Bewährungsproben

Die Oberösterreich-Wahl wird für Kickl nur bedingt ein Lackmustest. Durch den eigenständigen Kurs von Oberösterreichs FP-Obmann Manfred Haimbuchner wird Kickl das Wahlergebnis nicht auf sich münzen können, zumal ohnehin Verluste zu erwarten sind. Die große Bewährungsprobe kommt hingegen 2022, wenn Niederösterreich, Salzburg, Tirol und Kärnten wählen. Diese Ergebnisse werden deutlich machen, ob die Wähler Kickls Kurs mittragen.

Denn letztlich habe sich in genauen Analysen gezeigt, dass die Wähler der FPÖ ebenso wie die Funktionäre der Partei gerne die Freiheitlichen in der Regierung sehen würden. Mit Kickls harter Linie gegen die ÖVP ("Kurz muss weg") nehme sich die Partei aber die einzig realistische Koalitionsvariante, analysiert Filzmaier. "Die Schlüsselfrage, die Kickl beantworten wird müssen, ist: Was ist die Perspektive der FPÖ?"

Berg- und Talfahrt der FPÖ

Die Wahlergebnisse der FPÖ zeigen ein Kontinuum: Kräftige Zuwächse führten die Partei in die Regierung, bei den jeweils folgenden Wahlen sank die FPÖ stark ab, um langsam wieder zuzulegen und die alte Stärke zu erreichen.

1999 erreichten die Freiheitlichen unter ihrem damaligen Parteichef Jörg Haider mit 26,91 Prozent ihr bisher bestes Ergebnis. Nach dem Regierungseintritt folgte 2002 der Absturz auf zehn Prozent.

Es dauerte 15 Jahre, bis sich die FPÖ bei der Nationalratswahl wieder ihrem ehemaligen Höchstwert annäherte und 25,97 Prozent erzielte. FP-Obmann Heinz-Christian Strache wurde Vizekanzler und sollte 2019 über die Ibiza-Affäre stolpern. Bei der anschließenden Nationalratswahl erreichte die FPÖ nur noch 16,17 Prozent.

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