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Kritik nach Auftritt von Sebastian Kurz bei religiösem Großevent in Wien

Von nachrichten.at/apa   17.Juni 2019

Kurz hatte auf seiner Wahlkampftour in der Stadthalle Station gemacht und dabei ein "Segensgebet" des evangelikalen Predigers Ben Fitzgerald entgegengenommen. Kritiker sehen darin einen Missbrauch der Religion für Wahlkampfzwecke.

Harte Worte muss Kurz auch von FPÖ und Liste JETZT einstecken. Hafenecker wirft ihm "sektenähnliches Verhalten" vor, Pilz findet es "peinlich, wenn sich ein Altkanzler an fundamentalistische religiöse Sekten anbiedert". Der Altkanzler selbst verteidigte seine Teilnahme, vom "Segensgebet" sei er selbst überrascht gewesen.

Der gebürtige Australier Ben Fitzgerald, der sich auf einer selbst erklärten Mission der christlichen Rückholung Europas sieht, ließ Tausende Teilnehmer des Events in der Stadthalle mit ausgestreckten Armen für den Altkanzler beten. "Gott wir danken dir so sehr für diesen Mann. Für die Weisheit die du ihm gegeben hast. Für das Herz, dass du ihm gegeben hast für dein Volk", sagte Fitzgerald. 

Hier das Video dazu: 

 

Kurz überwältigt

Kurz selbst dankte den rund 10.000 Teilnehmern an dem Event für ihren Einsatz "für eine Gesellschaft, in der es Zusammenhalt gibt, wo Menschen für einander da sind und wo Glaube auch ein Rolle spielt".

Sebastian Kurz reagierte überwältigt, wie auf diesem Video zu sehen ist:

 

"Die Kirchen sollten sich hüten..."

In sozialen Medien mussten sich Kurz und die Veranstalter des Großevents dafür einiges an Kritik gefallen lassen - und zwar auch von kirchlicher Seite. So warnte die Direktorin der evangelischen Diakonie, Maria Katharina Moser, vor einem "Missbrauch des Gebets" für Wahlkampfzwecke: "Die Kirchen sollten sich hüten, sich vor den parteipolitischen Karren spannen zu lassen, egal welcher Partei", schrieb sie auf Twitter.

Und ihr Kollege von der katholischen Caritas, Michael Landau, verwies angesichts der Inszenierung auf offener Bühne schlicht auf das Gebot des Matthäus-Evangeliums, im Privaten zu beten ("Du aber geh in deine Kammer, wenn du betest, und schließ die Tür zu") - "Von Stadthalle steht da nichts."

Katholische Kirche versteht Kritik nicht

Die katholische Kirche kann die Kritik am "Segensgebet" für Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nicht nachvollziehen. "Ganz klar ist mir die Kritik nicht", sagte Michael Prüller, Pressesprecher der Erzdiözese Wien. "Wir sind als Christen aufgefordert, für Politiker zu beten", sagte er. 

Eine parteipolitische Vereinnahmung konnte Prüller nicht erkennen. Das Gebet habe weder Kurz' Partei gegolten noch habe man für seinen Erfolg gebetet. Es habe sich außerdem um eine ökumenische Veranstaltung gehandelt, die katholische Kirche sei daran nicht offiziell beteiligt gewesen, wies er Kritik an der katholischen Kirche zurück. Es hätten lediglich Vertreter daran teilgenommen, darunter eben auch Kardinal Christoph Schönborn.

FPÖ findet Auftritt "sehr befremdlich"

"Sehr befremdlich" findet dagegen die FPÖ den gemeinsamen Auftritt von Kurz und Prediger Fitzgerald. "Mit diesem sektenähnlichen Verhalten wurde eine klare Grenze überschritten. Wenn jemand wie Fitzgerald nach einer Drogendealerkarriere behauptet, Jesus getroffen zu haben und dann 10.000 Menschen in der Wiener Stadthalle auffordert, Sebastian Kurz zu huldigen, ist das nicht nur peinlich, sondern bedenklich", so Generalsekretär Christian Hafenecker in einer Aussendung. Er erinnerte Kurz daran, dass in Österreich die Trennung von Staat und Kirche gelebt werde. "Ein Spitzenpolitiker sollte sich daher für eine solche Aktion nicht hergeben", befand Hafenecker.

Harte Worte kamen auch vom Liste JETZT-Abgeordneten Peter Pilz: "Es ist peinlich, wenn sich ein Altkanzler an fundamentalistische religiöse Sekten anbiedert und für sich beten lässt. Gefährlich wird es, wenn er den Religionskampf dieser Sekten unterstützt", hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme. Pilz forderte von Kurz eine klare Distanzierung von den Zielen von "Awakening Europe".

>>> Das kollektive Gebet für Kurz wurde in sozialen Medien schnell zum Aufreger-Thema Nummer eins. Wir haben die Reaktionen aus dem Netz gesammelt.

Drogendealer begegnete Jesus

Gegründet wurde "Awakening Europe" von Fitzgerald, der selbst angibt, als früherer Drogendealer Jesus begegnet zu sein. Angesichts der Kritik bezeichnete Kurz' Sprecher das Segnungsgebet als "spontane Idee von Ben Fitzgerald im Rahmen dieser Ökumenischen Veranstaltung".

Auf der Großveranstaltung war unter anderem auch Kardinal Christoph Schönborn aufgetreten. Der frühere NEOS-Chef Matthias Strolz reagierte auf die Kurz-Segnung daher auch mit Kritik an der katholischen Kirche: "Als kritischer Katholik am Rande der Kirche hab ich gestern einen Arschtritt bekommen", so Stolz auf Twitter. Er wisse noch nicht, wie er den nehmen solle: "Scheinheiligkeit, Doppelbödigkeit, Naivität, verunfalltes Pop-Event oder Aufforderung zum Austritt..."

Kurz: "Ich wusste davon nichts"

Nach der Debatte um das "Segensgebet" hat sich auch Altkanzler Sebastian Kurz zu Wort gemeldet. Er sei selbst überrascht gewesen und habe nichts davon gewusst. "Wer das Video sieht, sieht mir vielleicht an, dass ich etwas überrascht und starr reagiert habe für meine Verhältnisse", sagte Kurz.

Die Teilnahme an der Veranstaltung hat Kurz verteidigt: "Ich habe nichts Verwerfliches gesagt." Er sei immer wieder bei Religionsgemeinschaften zu Gast gewesen - bei Juden, Christen, beim islamischen Fastenbrechen - und habe am Sonntag gemeinsam mit Kardinal Christoph Schönborn an einer ökumenischen Veranstaltung in der Stadthalle teilgenommen. Den australischen Pastor habe er vorher nicht gekannt.

Kritik vom evangelischen Bischof

Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker hat sich indessen von der Veranstaltung distanziert. Die evangelischen Kirchen in Österreich seien nicht an dem Event beteiligt gewesen, betonte er in einer Aussendung. Es sei "selbstverständlich, dass wir für alle politischen Amtsträgerinnen und Amtsträger beten. Die Bibel beauftragt uns, sie ins Gebet zu nehmen". Dabei sei jedoch die Unterscheidung von Religion und Politik wichtig. "Es muss der Eindruck vermieden werden, dass dadurch einseitig Stellung genommen wird", warnte Bünker. Religion dürfe nicht für politische Zwecke missbraucht werden.

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