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Gedränge um Kurz bei Besuch im Kleinwalsertal

Von nachrichten.at/apa   14.Mai 2020

Im Kleinwalsertal fanden sich viele sichtlich begeisterte Menschen ein, um Kurz zu empfangen - und hielten sich dabei, wie auf einem Video der "Vorarlberger Nachrichten" zu sehen war, nicht an den Corona-Mindestabstand. Das sprach der Kanzler in einer improvisierten kurzen Ansprache auch an: "Ich bitte euch alle, a bissl an Abstand zu halten", sagte er, nachdem er sich seinen Weg durch die Menge zum Eingang gebahnt hatte - was mit einigen lauten Lachern quittiert wurde. 

Kurz, Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP), Bürgermeister Andi Haid und andere Vorarlberger Politiker bemühten sich am zur Rede-Tribüne umfunktionierten Gebäudeeingang so gut es ging um Abstand. Masken waren auf dem Youtube-Video der Zeitung nur wenige zu sehen, manche trugen sie als "Halsband".

  • Video: Kanzler Sebastian Kurz zu Besuch im Kleinwalsertal (Quelle: Vorarlberger Nachrichten):

Neos fordern von Kurz Entschuldigung

Die Neos forderten von Kurz eine Entschuldigung für die Vorkommnisse bei seinem Besuch. "Was man gestern gesehen hat, entbehrt jeglicher Ernsthaftigkeit und jeglichem Verantwortungsbewusstsein", kritisierte Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger.

Zudem waren die Menschen zuvor von der Gemeinde auf Facebook aufgefordert worden, anlässlich des hohen Besuches die Häuserwände zu beflaggen und den Bundeskanzler mit Bekundungen zu begrüßen. "Die Verantwortlichen freuen sich über eine Beflaggung der Häuserwände und Bekundungen an der Walserstraße" lautete die wörtliche Aufforderung. Später wurde der Satz gelöscht. Ein paar Kurz-Fans ließen sich aber nicht beirren und kamen prompt mit Fahnen.

Der Kanzler lockte die Mittelberger an.

Die Neos zeigten sich am Donnerstag empört. Tausende Künstler dürfen nicht ein mal im Freien auftreten und bangen um ihre Existenz und der Kanzler inszeniere sich. "Die Leute sind angefressen", sagte Meinl-Reisinger. "Ich erwarte mir eine Entschuldigung von Kurz und Landeshauptmann Markus von Wallner."

Neos-Abgeordneter Sepp Schellhorn kündigte Mittwochabend eine Anzeige an. Meinl-Reisinger sagte auf Nachfrage, dass eine Anzeige geprüft werde. Es könne nicht sein, dass viele Menschen in den letzten Wochen 500 Euro zahlen mussten, weil sie auf einer Parkbank oder zu viert im Auto gesessen sind und der Kanzler die Regeln nicht einhalte.

Neues Sicherheitskonzept

Das Bundeskanzleramt hat noch am Donnerstag ein neues Sicherheitskonzept für die Bundesländertage von Sebastian Kurz (ÖVP) erarbeitet. Mit recht strengen Vorgaben und in enger Kooperation mit der Polizei bemüht man sich, künftig "spontane Menschenansammlungen" zu vermeiden und den 1-Meter-Abstand zu gewährleisten, hieß es am Abend.

Die Ankunftszeiten werden künftig nicht mehr im Vorfeld veröffentlicht. Mit Polizei und Verwaltungsbehörden vor Ort wird "noch enger zusammengearbeitet", um Menschenmengen zu verhindern. Bei Medienterminen werden Kamerateams und Reporter mit Bodenmarkierungen auf - Coronaschutz-gerechtem - Abstand gehalten. Für Indoor-Medientermine wird es "geregelten Einlass" geben. Outdoor-Termine sollen von der Polizei gesichert werden.

"Das Demonstrationsrecht ist damit natürlich nicht eingeschränkt", unterstrich das Kanzleramt in seiner Unterlage zum neuen Konzept. Für "Austausch mit der Bevölkerung" werden der Kanzler, Minister und Ministerinnen Sprechstunden in den Bundesländern abhalten. Dort soll "direkt kommuniziert werden" - aber "mit den notwendigen Regeln", um ein "Maximum an Sicherheit zu gewähren".

Kanzleramt appelliert: Abstand einhalten

Angesichts der Kritik hat das Bundeskanzleramt den Appell erneuert, den Sicherheitsabstand einzuhalten. Obwohl man sich in der Organisation und beim Besuch direkt darum bemüht habe, sei von Bewohnern und Medienvertretern "teilweise der Mindestabstand leider nicht eingehalten" worden.

Der vereinbarte Termin mit den Gemeindevertretern von Mittelberg habe in zwei kleinen Runden und mit einem Sicherheitsabstand von zwei Metern stattgefunden. Und die Gemeinde habe der Bevölkerung vor dem Besuch mitgeteilt, dass aufgrund der Coronaregeln keine öffentliche Zusammenkunft mit Kurz möglich sei. Auf dem Weg ins Walserhaus habe der Kanzler selbst daher die Bevölkerung und die Medienvertreter auf der Straße mehrmals gebeten und aufgerufen, die Abstandsregeln einzuhalten, betonte ein Sprecher.

"Man weiß, wie schwer es ist, den Abstand einzuhalten, vor allem wenn die Infektionszahlen zurückgehen", hieß es darin weiter. Das Kleinwalsertal sei aufgrund seiner geografischen Defacto-Abriegelung in den letzten Wochen vom Virus verschont geblieben, auch Vorarlberg verzeichne seit mehreren Tagen keine Neuinfektionen.

Trotzdem wies das Kanzleramt nochmals darauf hin, wie wichtig es sei, weiterhin die Regelungen zu befolgen: "Egal ob man den Bundeskanzler oder Freunde auf der Straße trifft: Der Abstand ist einzuhalten." Mit der Maske halte es Kurz in den Bundesländern nicht anders als in Wien: Bei Bewegungen in geschlossenen Räume trage er Mund-Nasen-Schutz, im Freien nicht.

  • Video: Erster Grenzübertritt von Bundeskanzler Kurz:

"Wir haben die Hilferufe gehört"

Das Kleinwalsertal mit seinen rund 5000 Einwohnern gehört zwar zu Vorarlberg, ist aber auf dem Straßenweg nur über Deutschland zu erreichen. Weil die Grenzen noch geschlossen sind, musste sich der Bundeskanzler eine Transitgenehmigung im bayrischen Innenministerium besorgen, um überhaupt anreisen zu können.

Als auf den deutschen Tourismus ausgerichtetes Zollausschlussgebiet - vor Einführung des Euro wurde im Kleinwalsertal mit D-Mark bezahlt - haben sich die Grenzschließungen in den vergangenen Wochen im Kleinwalsertal besonders einschneidend ausgewirkt. "Es herrschte im Kleinwalsertal von Anfang an eine besondere Situation. Es war eine Quarantäne aus geografischen Gründen", sagte Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP). Es sei ein Signal, "gemeinsam hier zu stehen und zu sagen: 'Wir wollen offene Grenzen!'" Erst Ende April wurde eine Lösung gefunden, derzufolge die Kleinwalsertaler wenigstens nach Süddeutschland und ins restliche Vorarlberg fahren durften, ohne anschließend in 14-tägige Heim-Quarantäne zu müssen. "Wir haben die Hilferufe aus dem Kleinwalsertal gehört", betonte Wallner.

Für Kurz war die Situation der Talschaft beispielhaft dafür, welch' schwierige Situationen die Coronakrise verursacht hat. "Ich freue mich, dass wir mit guten Nachrichten im Gepäck kommen", sagte der Bundeskanzler, für den es der erste Besuch im Kleinwalsertal war - als bisher letzter Bundeskanzler war Bruno Kreisky im Jahr 1973 im Kleinwalsertal zu Gast gewesen. "Mich freut, dass wir einige Erleichterungen zustande bringen konnten. Die wirklich gute Nachricht: Mit 15. Juni sollen die Grenzen zu Deutschland und der Schweiz völlig fallen", so Kurz. Dazu müssten die Länder aber auch ihre Hausaufgaben machen und die Ansteckungsraten niedrig halten, sagte Kurz.

Der Kleinwalsertaler Bürgermeister Andi Haid bedankte sich für die "besondere Ehre und Freude", Kurz empfangen zu dürfen. "Wir hatten eine schwere Zeit und waren de facto sieben Wochen in Quarantäne", sagte das Gemeindeoberhaupt. Die neue Situation mache Hoffnung. Nun gebe es wieder eine Perspektive für den Tourismus, das einzige Standbein des Kleinwalsertals. "Ohne deutsche Gäste erleiden wir einen wirtschaftlichen Totalschaden", so der Bürgermeister. Er hoffte, dass Verhandlungen mit Deutschland über die Quarantänebestimmungen noch vor der Grenzöffnung weitere Erleichterungen bringen werden. Nach der Begrüßung bei der Walserschanz - der Grenze zwischen Deutschland und Österreich - fuhren die Politiker weiter nach Hirschegg, wo eine Arbeitssitzung mit Gemeindevertretern und Touristikern auf dem Programm stand. Am Donnerstag stand für Kurz ein Treffen mit Vorarlberger Unternehmern an.

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