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Ulrike Rabmer-Koller: "Ich werde weiter lästig sein"

Von Gerald Mandlbauer   18.November 2016

"Ich werde weiter Treiberin von Reformen und lästig sein", sagt Ulrike Rabmer-Koller. Seit rund elf Monaten leitet die Unternehmerin aus Oberösterreich als Präsidentin den Hauptverband der Sozialversicherungsträger. Auch wenn das Projekt in den letzten Monaten politisch auf Eis gelegt worden scheint, will sie an einer großen Krankenkassenreform festhalten, sagt sie im Gespräch mit den Bundesländerzeitungen.

 

OÖNachrichten: Sie haben das Gesundheitssystem einmal einen Dschungel genannt. Während noch vor dem Sommer auch in der Regierung viel von einer Kassenreform gesprochen wurde, ist es jetzt darum still geworden. Ist das Vorhaben einer großen Flurbereinigung tot?

Rabmer-Koller: Nein. Ich werde alles tun, damit das Thema auf der Agenda bleibt. Aber wir brauchen natürlich die Politik, um im Gesundheitssystem Weichen zu stellen. Wir geben sehr viel Geld für Gesundheit aus, aber das führt nicht dazu, dass die Österreicher mehr Jahre gesund erleben können als andere Europäer. Das System ist nicht leistungsfähig genug.

Noch vor Monaten haben sogar Landeshauptleute von der Reduktion auf neun Länderkassen gesprochen, auch der Kanzler hat von Reform geredet. Ist jetzt Ernüchterung bei Ihnen da?

Ernüchterung ist das falsche Wort, aber ich habe mir mehr politischen Willen und Schwung erwartet. Zusammenlegung alleine ist zu wenig. Wir müssen uns anschauen, welche Struktur optimal und kundenorientiert ist. Dazu soll es eine Studie geben, die der Sozialminister in Auftrag gibt.

Bis wann sind Ergebnisse zu erwarten?

Eigentlich wollte ich diese Studie im Herbst haben. Aber bis jetzt wurde sie nicht einmal in Auftrag gegeben. Wann immer ich den zuständigen Sozialminister Alois Stöger treffe, frage ich ihn danach. Ganz wichtig dabei ist, dass sie frei von Ideologie ist. Davon haben wir in der Gesundheitspolitik ohnehin schon zu viel. Wenn Sie 30 Gesundheitsexperten fragen, was geändert werden soll, kriegen Sie 30 verschiedene Antworten. Und ich brauche keine Studie, die sagt, dass wir alles beibehalten und nur mehr Geld eintreiben sollen. Das ist nicht mein Zugang.

Unser Sozialversicherungssystem ist mit einem Finanzvolumen von 60 Milliarden Euro eine der größten Geld-Mischmaschinen. Die jährlichen Steigerungsraten betragen zwischen 4 und 6 Prozent. Kritiker sagen, das geht ungebremst gegen eine Wand?

Daher müssen wir an allen Schrauben drehen, um die Effizienz zu erhöhen und das Geld bestmöglich für die Versorgung einzusetzen. Wir haben im Finanzausgleich die jährlichen Steigerungsraten reduziert, bis 2021 von 3,6 auf 3,2 Prozent Steigerung maximal per anno. Das bedeutet, dass wir in den Jahren 2016 bis 2021 in Summe 13,9 Milliarden Euro mehr für die Gesundheitsversorgung der Menschen in Österreich ausgeben werden. Und das muss bei den Patienten ankommen.

Das ist doch eine Kapitulation?

Darum sage ich, dass das System noch effizienter werden muss. Wir müssen die Finanzierung aus einer Hand umsetzen. Die Zahl der Player muss reduziert werden, wir müssen die Patienten von den Spitälern und den Ambulanzen zu den niedergelassenen Einheiten lenken. Wir müssen Doppeluntersuchungen vermeiden, auf Prävention setzen. Viele kleine Dinge machen es aus, wir brauchen neue Versorgungsformen, längere Öffnungszeiten, umfassendere Betreuung. Es gibt immer weniger Ärzte, die sagen, ich bin Einzelkämpfer, der sieben Tage die Woche 360 Tage im Jahr Dienst schiebt. In den nächsten Jahren werden 50 Prozent der Ärzteschaft in Pension gehen. Deshalb wollen wir die Primärversorgungseinheiten zusätzlich zum Hausarzt weiter ausbauen.

Gegen diese neuen Zentren läuft die Ärztekammer Sturm?

Die Kammer ist schon im Vorwahlmodus, denn im März wird gewählt. Ich versuche trotzdem eine gute Gesprächsbasis mit der Kammerspitze aufrechtzuerhalten, denn wir brauchen im Sinne der Patienten dringend Verbesserungen und Innovationen. Die Lebenswelten der Patienten haben sich geändert und auch die der Ärzte – da können wir nur gemeinsam aktiv werden. Vieles ist eben nicht mehr zeitgemäß, gehört hinterfragt und geändert. Das muss auch die Ärztekammer einsehen.

Was?

Zum Beispiel die Honorarordnung. Wenn die Ärzte länger erreichbar sein sollen, muss ich das durch Pauschalen abgelten. Ich bin für Infrastrukturpauschalen, Fallpauschalen und eine Leistungskomponente. Wenn ein Arzt es schafft, bei 20 Prozent seiner Diabetespatienten den Zuckerwert zu reduzieren, so soll er dafür einen Bonus erhalten. Es geht um ein leistungsgerechtes Honorarsystem.

Wie stark belasten die Krankenstände das System? Steigen die Kosten oder sinken die Krankenstände angesichts einer unsicheren Wirtschaftslage?

Wir schauen uns auch dieses Thema im Zuge unserer Finanzstrategie an. Die Aufwendungen für Krankengeldfortzahlung stiegen kontinuierlich – auf 632 Millionen Euro im Jahr 2015. Besonders stark steigen die Kurzkrankenstände. Wenn wir ideologiefrei darüber reden wollen, müssen wir uns auch das anschauen. Daher mehr Prävention. Wir dürfen aber auch nicht die Augen vor möglichem Missbrauch verschließen. Das ist kein Kavaliersdelikt.

Das Kassensystem ist hochgradig ungerecht. Kleine Kassen mit höherem Steuerzuschuss gewähren oftmals den Versicherten bessere Leistungen. Sogar unter den Gebietskrankenkassen gibt es große Unterschiede.

Richtig. Kein Versicherter versteht, warum das so ist. Daher habe ich auch das große Thema Leistungsharmonisierung auf meiner Agenda.

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26. April 2024