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Kopf-an-Kopf-Rennen um das polnische Präsidentenamt

Von Florian Bayer   30.Juni 2020

So sehr der Wahlkampf in Polen von Chaos geprägt war, so wenig überraschend war das Ergebnis vom Sonntag: Im Rennen um die Präsidentschaft landeten Amtsinhaber Andrzej Duda (44 Prozent) und Herausforderer Rafal Trzaskowski (30 Prozent) in der Stichwahl. Für Duda schmerzhaft, denn zum geplanten Wahltermin am 10. Mai wäre ihm ein Sieg in der ersten Runde gewiss gewesen.

Nun muss sich Duda (der Partei "Recht und Gerechtigkeit", PiS, nahestehend) dem derzeitigen Warschauer Bürgermeister Trzaskowski (Bürgerplattform, PO) in der Stichwahl am 12. Juli stellen. Der Ausgang ist absolut ungewiss.

Zwar hat Duda einen komfortablen Vorsprung aus der ersten Runde, doch viele Wähler der anderen neun angetretenen Parteien werden eher zu Trzaskowski wechseln. Die Zeit spielt eher gegen Duda: Nach und nach werden die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie spürbar, zudem funktioniert das Krisenmanagement nicht immer reibungslos. Fast wäre wegen der Frage der Abhaltung der Wahl die Regierungskoalition zerbrochen. Erst im letzten Moment hat die PiS einer Verschiebung zugestimmt. Trotz der keineswegs ausgestandenen Coronakrise betrug die Wahlbeteiligung nun 64,4 Prozent – Rekord.

"Ein Sieg Trzaskowski wäre eine politische Wende", sagt Wojciech Przybylski, Politologe und Chefredakteur des Warschauer Magazins "Visegrad Insight". Der Hintergrund: Seit ihrem Wahlerfolg 2015 baut die regierende PiS die Justiz um, weswegen die EU ein Rechtsstaatsverfahren gegen Polen eingeleitet hat.

Hetze gegen Minderheiten

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wurde zum Propagandasender, dazu kommt, besonders vor Wahlen, eine Hetze gegen Minderheiten: Im Jahr 2015 waren es noch Flüchtlinge, seit der Parlamentswahl 2019 sind Schwule und Lesben das Feindbild der Regierung.

"Wird Duda in eine zweite Amtszeit gewählt, könnte die PiS ungestört mit dem Umbau des Staats weitermachen", sagt Przybylski. Schon in den vergangenen fünf Jahren hat Präsident Duda fast alle Reformen der Regierung durchgewunken und nicht von seinem Vetorecht Gebrauch gemacht. Bis zuletzt hat er zur politischen Polarisierung beigetragen, anstatt die Wogen zu glätten. Die Arbeitsmarktpolitik der Bürgerplattform nennt er "schlimmer als das Coronavirus", die LGBT-Bewegung eine "gefährlichere Ideologie als den Kommunismus".

Ganz anders Trzaskowski, der erst Mitte Mai von seiner Partei ins Rennen geschickt wurde und der bei seinen Auftritten betont, politische Gräben überbrücken zu wollen. Zentrales Motto seiner Kampagne ist "Veränderung" sowie eine Öffnung Polens, mit der der frühere EU-Parlamentarier bei den PiS-Gegnern, vor allem Städtern und höher Gebildeten, punktet.

Auch deswegen ist es ihm gelungen, in nur wenigen Wochen viele Prozentpunkte aufzuholen. Ob der Wunsch nach politischer Veränderung mehrheitsfähig ist, bleibt abzuwarten. Umfragen sagen ein äußerst knappes Rennen voraus, ausschlaggebend wird die Mobilmachung beider Kandidaten auf den letzten Metern sein.

Der Wahlkampf könne noch durchaus schmutzig werden, sagt Przybylski. Ein Sieg Trzaskowskis ist für ihn durchaus realistisch, sein Geld darauf verwetten würde er aber nicht.

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26. April 2024