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Internationale Pressestimmen zum Ukraine-Russland-Konflikt

Von nachrichten.at/apa   25.Jänner 2022

Zum Konflikt zwischen der Ukraine und Russland schreiben Zeitungen am Dienstag: 

The "Times" (London):

"Deutschland hat in den vielen Nachkriegsjahrzehnten der Ostpolitik einen schmalen Grat zwischen Beschwichtigung Moskaus und Standhaftigkeit gegenüber den Übergriffen und offenen Drohungen des Kremls beschritten. Die frischgebackene Berliner Koalition sollte in der aktuellen Krise darauf achten, dass sie am Ende nicht als schwächstes Glied im westlichen Bündnis dasteht. (...)

Gleichwohl ist Berlin zurückhaltend. Zum einen aufgrund seiner Geschichte, die selbst jungen Deutschen bei der Vorstellung, Waffen zu liefern, die zum Töten von Russen verwendet werden könnten, ein mulmiges Gefühl beschert. Und zum anderen aufgrund der Überzeugung, die der deutschen Nachkriegspolitik gegenüber Osteuropa zugrunde liegt: Selbst unliebsame Regime lassen sich am besser durch Handel und Dialog als durch Machtdemonstrationen verändern."

"De Tijd" (Brüssel):

"Während die Gefahr eines Krieges in der Ukraine zunimmt, gehen die Finanzmärkte in den Verkaufsmodus. Die Friedensdividende, die der Weltwirtschaft in den vergangen 30 Jahren zugute kam, steht auf dem Spiel. (...)

Die diplomatischen Gespräche, die die Lunte aus dem Pulverfass holen sollen, gehen zwar weiter. Doch die Möglichkeit, dass es zu einem Krieg kommt, ist real. Das hat zu großen Sorgen an den Finanzmärkten geführt. Ein Krieg bringt enorme wirtschaftliche Unsicherheiten mit sich. Das erklärt, warum die Finanzmärkte, die bereits Probleme haben wegen der hohen Inflation und der erwarteten Zinserhöhungen durch die Zentralbanken, am Montag auf Talfahrt gingen. (...)

Die geopolitischen Risiken sind ganz und gar zurückgekehrt. Die Stabilität, die dank einer alles in allem friedlichen Koexistenz der Großmächte lange Zeit kennzeichnend war für die Weltordnung, steht unter Druck."

"Neue Zürcher Zeitung":

"Auch mehr als drei Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch des Ostblocks sind die Ukraine, Weißrussland und das Baltikum, ja selbst Polen in den Augen vieler Deutscher geopolitisches 'flyover country' geblieben: ein Gebiet, über das man sich gerne hinwegsetzen würde, wenn es gilt, eine europäische Ordnung zu entwerfen. (...)

So ärgerlich diese deutsche Stimmungslage auch ist, sollte man dennoch nicht allzu pessimistisch sein. Zwar gibt es in Deutschland zahlreiche Putin-Versteher, aber eben auch solche, die dagegenhalten: Wie eine neue Umfrage zeigt, lehnen 47 Prozent der Deutschen die Lieferung von Defensivwaffen an die Ukraine ab, doch immerhin 42 Prozent sind dafür. Die öffentliche Meinung ist in der Frage offenbar gespalten.

In seiner politischen Mentalität nimmt Deutschland innerhalb des Westens eine seltsame Sonderrolle ein. Die Bundesrepublik ist aber auch ein Schlüsselland, auf das es ankommt. Man darf die Deutschen für die Sache des Westens nicht verloren geben - und es besteht auch kein Anlass, dies zu tun."

"Kommersant" (Moskau):

"Die Eskalation um die Ukraine hat am Montag ihre bisher höchste Stufe seit Anfang des Jahres erreicht. Die Gefahr eines Krieges und neuer Sanktionen gegen Russland haben den Kurs des Rubels gedrückt; und die Preise für russische Aktien sind auf den tiefstem Stand seit Monaten. Geführt haben zu den Erschütterungen auf den Märkten die Mitteilungen der NATO über die Verlegung zusätzlicher Truppen an die 'Ostflanke', aber auch die Ankunft von Militärgütern aus den USA und aus Großbritannien in der Ukraine - und natürlich die beginnende Evakuierung von Diplomaten der USA und ihrer Verbündeten aus Kiew.

Im Kreml wird das Geschehen als 'hysterische Informationskampagne' bewertet, gleichwohl wird aber auch davor gewarnt, dass die Aktivitäten der NATO nun Kiew dazu ermuntern könnten, eine gewaltsame Operation gegen den Donbass zu versuchen. (...) Ein Beispiel für die 'falschen Geschichten', die die Märkte erschüttern, ist auch die Informationskampagne dazu, dass Russland sich in einen Sanktionskrieg verstricken und den Export von Gas einstellen könnte, wenn gegen das Land wegen seiner Ukraine-Politik neue Strafmaßnahmen erlassen werden."

"de Volkskrant" (Amsterdam):

"In den vergangenen Jahren ist die deutsche Regierung nicht vor amerikanischen Sanktionsdrohungen gegen den Bau von Nord Stream 2 oder vor Beschwerden osteuropäischer Länder zurückgewichen, darunter die Ukraine, die durch die Pipeline von russischem Gas abgeklemmt werden könnten. (...)

Doch angesichts der Umzingelung der Ukraine durch die russische Armee und des Drängens westlicher Länder auf Sanktionen klingen die Deutschen uneinig. Die neue Außenministerin Annalena Baerbock sagt, Nord Stream 2 werde im Falle einer russischen Militärinvasion wahrscheinlich nicht in Betrieb gehen, doch Bundeskanzler Olaf Scholz bleibt zurückhaltend, wenn es darum geht, die Pipeline für Sanktionen zu verwenden. Nord Stream 2 geschlossen zu halten, kann die Gasversorgung Westeuropas in Gefahr bringen: Russland hat deutlich gemacht, dass es zusätzliche Gaslieferungen allein durch die neue Pipeline in der Ostsee pumpen will. Über Einkommenseinbußen macht sich die russische Regierung keine Sorgen: Seit der ersten westlichen Sanktionswelle im Jahr 2014 hat Russland Valuta- und Goldreserven von bis zu 620 Milliarden Dollar aufgebaut."

"Wall Street Journal" (New York):

"Bidens Strategie der Zurückhaltung, in der Hoffnung, Wladimir Putin nicht zu provozieren, hat nicht funktioniert. Putin hat seinen eigenen Truppenaufmarsch an drei verschiedenen Fronten an den Grenzen zur Ukraine verstärkt. (...)

Das Herzstück von Bidens außenpolitischem Programm war es, die US-Allianzen wiederzubeleben, aber Länder haben keine Verbündeten um der Verbündeten willen. Der Präsident hat in die Pflege der Beziehungen zu Berlin investiert, kann aber wenig dafür vorweisen. Er kann deutlich machen, dass engere Beziehungen von Deutschlands Kooperation in der Ukraine-Frage abhängen. Dies bedeutet, die deutsche Regierung zu drängen, schärfere Sanktionen zu unterstützen und Drittstaaten Waffenexporte in die Ukraine zu erlauben.

Die USA müssen nicht in der Ukraine kämpfen, aber sie können mehr tun, um dieser demokratischen Nation zu helfen, sich zu verteidigen. Dies bedeutet die Entsendung von Panzerabwehr- und Flugabwehrraketen sowie Unterstützung bei der Luftverteidigung, der maritimen Sicherheit und der Aufklärung."

"La Vanguardia" (Barcelona):

"Russland hat Gewicht in der Welt. Das sowjetische Erbe hat ihm Militär-, Nuklear- und Cybermacht sowie das Weltraumprogramm eingebracht. Auch die territoriale Ausdehnung als größtes Land der Welt und die Gasreserven sind sehr wertvoll. Russland kann auch eine effektive Bündnispolitik betreiben: Moskaus Annäherung an China ist keine gute Nachricht. Aber wirtschaftlich gesehen ist Russland ein kleines Land mit einer Bevölkerung, die nur 31 Prozent der europäischen Bevölkerung (EU 27) entspricht, und mit einem BIP, das nur 15 Prozent größer als das Spaniens ist. Wirtschaftlich ist es alles andere als eine Großmacht. Russland kann sich einen ernsthaften Konflikt mit dem Westen auf der Grundlage einer militärischen Bedrohung nicht leisten: Es kann nicht gewinnen. Der Westen hingegen kann es sich glücklicherweise leisten, den Konflikt ausschließlich in Form wirtschaftlicher Vergeltung und defensiver militärischer Hilfe für das angegriffene Land zu gestalten."

"Dernières Nouvelles d'Alsace" (Straßburg):

"Die Luft ist so geladen, und es sind so viele Waffen vor Ort, dass es nur einen kleinen Funken braucht, damit sich die ganze Region entzündet. Die Hypothese eines offenen Krieges zwischen den beiden Blöcken schien lange Zeit nur Theorie. Das ist sie nun nicht mehr. Auch wenn man sich über die Bedeutung des Begriffs noch verständigen muss. Denn wenn Russland nicht unerwarteterweise eine Generaloffensive startet, um die gesamte Ukraine einzunehmen, wird die Antwort des Westens nicht militärisch sein."

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26. April 2024