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Zwölf Jahre Haft für Mord an siebenjährigem Mädchen in Wien

Von nachrichten.at/apa   13.Februar 2020

Zudem wurde der Bursch einen Tag vor seinem 18. Geburtstag in den Maßnahmenvollzug eingewiesen.

Die Geschworenen folgten nach mehrstündiger Beratung mehrheitlich - mit 6:2 Stimmen - den psychiatrischen Sachverständigen Peter Hofmann und Kathrin Sevecke und stuften den Täter als zurechnungsfähig und damit als schuldfähig ein.

Bei der Strafbemessung waren die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten, seine geständige Verantwortung und die krankheitsbedingte Einschränkung - der Bursch weist eine kombinierte Persönlichkeitsstörung auf - mildernd. Erschwerend wurden die Heimtücke der Tat, die Hilf- und Wehrlosigkeit des Opfers und das "eiskalte Nachtatverhalten" berücksichtigt, wie Richter Norbert Gerstberger ausführte. 

Einweisung in Anstalt

Im Hinblick auf die Gefährlichkeit, die den Psychiatern zufolge aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur dem Jugendlichen innewohnt und die ohne entsprechende Therapie weitere Straftaten mit schweren Folgen befürchten lässt, wurde vom Gericht die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verfügt. In dieser wäre selbst nach Verbüßung seiner Strafe die weitere unbefristete Anhaltung des jungen Mannes möglich, falls er von Experten als weiterhin gefährlich angesehen wird.

Das Urteil ist allerdings nicht rechtskräftig. Verteidigerin Liane Hirschbrich meldete dagegen unverzüglich Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Der Staatsanwalt gab keine Erklärung ab.

"Es ist ihm wichtig, dass alle bleiben"

"Ich hab's getan, ich gebe es zu", sagte der Bursch, der - wie bereits beim ersten Prozess im Dezember 2018 - in einer schuss- und stichsicheren Weste vor die Geschworenen trat.

Im Saal selbst hatten sich mehrere bewaffnete Sicherheitskräfte postiert, vor dem Saal war eine mobile Metallschleuse installiert worden. Auf den Täter war nach seiner Festnahme ein Kopfgeld von 50.000 Euro ausgesetzt worden, das Bedrohungsszenario soll auch seine Verteidigerin mitumfasst haben.

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"Ich hatte ein Black-Out. Und dann ist es passiert"

Die Tat habe aber "ein anderes Ich" begangen, schilderte der 18-Jährige, der im Unterschied zum ersten Rechtsgang einen klareren, weniger sedierten Eindruck machte. Seit seinem achten Lebensjahr höre er Stimmen. Manche würden beruhigend und Rat gebend auf ihn einwirken. Es gebe aber auch imperative Stimmen. Diese hätten ihm am 11. Mai 2018 befohlen, das siebenjährige Mädchen aus der Nachbarschaft zu töten: "Weil ich es nicht tun wollte, hatte ich ein Black-Out. Und dann ist es passiert."

Zu der Bluttat war es in der Wohnung gekommen, in der der Jugendliche mit seinen Eltern und einem jüngeren Bruder lebte. Das Mädchen war regelmäßig zu Besuch. "Sie hat mit uns gespielt, gegessen. Ich mochte sie", schilderte der Angeklagte den Geschworenen. Nachdem er sie getötet hatte, hatte er die Leiche in einem Müllcontainer in der Wohnhausanlage abgelegt.

Am nächsten Tag wurde die Tote gefunden. Am 14. Mai 2018 wurde über den Jugendlichen die U-Haft verhängt. Knapp ein halbes Jahr später wurde er wegen Mordes zu 13 Jahren Haft verurteilt und im Hinblick auf eine ihm fachärztlich bescheinigte schwere Persönlichkeitsstörung und eine damit verbundene Gefährlichkeit in den Maßnahmenvollzug eingewiesen.

"Antonia ist in meiner Zelle"

"Ich hatte viele Freunde. Ich war auf Events, Partys, Unternehmungen", erinnerte sich der Angeklagte am Donnerstag vor Gericht an seine Schulzeit. Grundsätzlich möge er Menschen,"aber erst wenn ich Menschen sehr mag, kann ich ihnen vertrauen". Nur diesen Menschen könne er Wichtiges anvertrauen: "Das ist wie ein Zwang."

Aus diesem Grund habe er nach seiner Festnahme nichts von den inneren Stimmen berichtet und auch nichts von der imaginären Person "Antonia", einem um einen Monat jüngeren Mädchen, die für ihn real sei: "Für mich ist sie echt. Sie ist schon immer in meinem Leben da." Während für alle anderen "Antonia" nicht existiere, begleite sie ihn nach wie vor: "Sie ist in meiner Zelle. Sie wartet. Sie hilft mir." Während des Mordes habe "Antonia" geschlafen, sonst wäre es womöglich nicht zu der Tat gekommen.

"Letztens sagte sie mir, ich soll mehr auf sie hören und weniger auf die Stimmen", erzählte der 17-Jährige. Manchmal habe er mit "Antonia" auch Sex, verriet er noch. Den psychiatrischen Gutachtern habe er - speziell zum Thema Sexualität - "nicht die ganze Wahrheit gesagt". Auf die Frage, warum "Antonia" nicht bei der Verhandlung zugegen sei, erwiderte der Angeklagte: "Sie will nicht dabei sein und mich leiden sehen. Es ist für mich wie eine Hinrichtung hier."

"Hochauffällige Persönlichkeit mit schwer narzisstischen Zügen"

Im Anschluss bekräftigte der psychiatrische Sachverständige Peter Hofmann sein Gutachten, in dem er dem Angeklagten Zurechnungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt bescheinigt hatte. Dieser sei "eine hochauffällige Persönlichkeit mit schwer narzisstischen Zügen" und neige zur Selbstüberhöhung. Schizoide Züge hätten sich erst in der Haft herausgebildet. Tötungsgedanken wären dem Burschen "schon Wochen vor der Tat gekommen. Und sie sind drängender geworden. Er wollte wissen, wie das ist", stellte Hofmann fest. Bei der gegenständlichen Bluttat sei es dem Jugendlichen um Erkenntnisgewinn gegangen.

Vor allem aufgrund des Nachtatverhaltens - der Bursch hatte die Leiche in den Müllraum geschafft, die Wohnung gesäubert und Spuren aus dem Abfluss in der Duschtasse beseitigt - war für Hofmann "völlig eindeutig, dass er in der Lage war, das Unrecht seiner Tat zu erkennen". Die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sei nicht aufgehoben gewesen. Dass der Bursch imstande war, hochkomplexe Dinge zu erledigen, "passt nicht mit einer schweren Psychose zusammen. Da war nichts Ungeordnetes."

Psychiatrische Gutachter nicht einig

Weil zwei psychiatrische Gutachter sich nicht einig waren, ob der Bursch zurechnungsfähig und damit schuldfähig ist, und das Erstgericht zur Klärung dieser Frage auf die Einholung eines Obergutachtens verzichtet hatte, hob der OGH das Urteil teilweise auf. Der Schuldspruch wegen Mordes wurde bestätigt und ist damit in Rechtskraft erwachsen, jedoch wurde eine neue Verhandlung zur Überprüfung der Zurechnungsfähigkeit angeordnet und mit Kathrin Sevecke eine dritte psychiatrische Sachverständige bestellt.

Diese gelangte - wie bereits der Erstgutachter Peter Hofmann - zur Ansicht, dass bei dem Jugendlichen Zurechnungsfähigkeit gegeben ist. Der Sachverständige Werner Gerstl, der dagegen von einem Schuldausschließungsgrund ausging, weil der Bursch unter dem Einfluss einer inneren Stimme gehandelt habe, ist mittlerweile verstorben. Eine innere Stimme hätte den im Tatzeitpunkt 16-Jährigen "blitzartig überfallen" und ihm "Pack zu!" gesagt, hatte Gerstl in der ersten Verhandlung erklärt. 

"Ich wollte nicht, dass man mich für krank hält"

Co-Verteidiger Florian Höllwarth sprach in seinem Eröffnungsvortrag am Donnerstag den Geschworenen die Kompetenz ab, die Frage der Zurechnungsfähigkeit entscheiden zu können, wozu diese laut Gesetz verpflichtet sind. Der Gerichtsakt enthalte insgesamt fünf psychiatrische Gutachten: "Es ist unmöglich, dass Geschworene befinden, welches Gutachten richtig ist." Diese könnten "rein aus der Emotion urteilen, aber sicher nicht aus dem Fachlichen". Höllwarth wies außerdem darauf hin, dass der damals 16-Jährige nach seiner Festnahme ohne Rechtsbeistand befragt worden sei. Das sei "ein massiver Verstoß gegen ein faires Verfahren". Der Betroffene sei "fast noch ein Kind" gewesen.

Auf die Frage des vorsitzenden Richters, weshalb er beim ersten Verhör nichts von den inneren Stimmen erzählt hätte, erwiderte der Angeklagte: "Weil es wichtig war und ich niemandem vertrauen konnte. Ich wollte nicht, dass man mich für krank hält." Bei seiner zweiten Befragung am 13. Juni 2018 hatte er dann erwähnt, eine Stimme habe ihm "die einzelnen Schritte der Tat" befohlen. 

Am Nachmittag kommt die "Obergutachterin" Kathrin Sevecke zu Wort.

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26. April 2024