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Mordfall Daniela Kammerer: Tatverdächtiger wurde entlassen

Von Reinhard Fellner, Tiroler Tageszeitung   08.Februar 2014

Eigentlich ist im Leben eines Niederösterreichers alles bestens gelaufen. Sohn einer Unternehmerfamilie, Studienabschluss in Innsbruck, Karriere in Australien, liebe Freundin. Am 22. Dezember brach die Lebensidylle jedoch zusammen. Direkt vor dem Weihnachtsurlaub wurde der Mann vor den Augen von Freundin und Schwiegereltern am Wiener Flughafen verhaftet. Dass er Mordverdächtiger ist, will er erst spät erfahren haben.

Im Interview schilderte der 29-Jährige gestern im Beisein seiner Eltern, Schwestern und Verteidiger Albert Heiss, wie es ist, wenn für Normalbürger, die noch nie etwas mit dem Gesetz zu tun hatten, die Welt zusammenbricht.

Mehr, als die Haft, stießen dem seit gestern nicht mehr dringend Tatverdächtigen die Ermittlungsmethoden der Cold-Case-Ermittler des Bundeskriminalamtes auf: „Erst dachte ich, ich bin hier Zeuge. Dann wurde ich jedoch von Ermittlerteams befragt. Erst waren es acht Beamte. Immer wenn ich auf die immerselben Fragen geantwortet habe, hieß es bloss, Nein! So war es nicht. Wir wissen, dass du es warst. Wir suchen keinen anderen mehr – es geht nur mehr um das Delikt. Da habe ich dann Angst bekommen“, schilderte der 29-Jährige den Beginn der ersten zehnstündigen Einvernahme.

Eine Befragung, die seinen Angaben nach durchgeführt worden war, obwohl sie im Beisein des erst drei Stunden später hinzugekommenen Wiener Verteidigers stattfinden hätte sollen. Danach soll man dem Verdächtigen eingeredet haben, nur ja nicht auf den Anwalt zu vertrauen. Ein Beamter soll die Verhaftung gar mit dem Spiel des Sesselrückens verglichen haben: „Weisst du, wir hatten vier Stühle und fünf Verdächtige. Du bist übriggeblieben!“

Ein anderer soll beim Mittagessen mit einem Küchenmesser vor den Augen des Festgenommenen gestenreich dargelegt haben, wie das Opfer erstochen worden war.

Inzwischen versuchten die Eltern alle Hebel für ihren Sohn in Bewegung zu setzen: „Wir sind schwer schockiert und traumatisiert. Wir haben nie gedacht, dass man bei uns in Österreich so schnell weggesperrt werden kann!“ schilderte die Mutter. Und bekannte mit ihrem Mann, dass nicht jeder seinem Kind so viel Unterstützung zukommen lassen kann: „Ich habe gekündigt und bin mit seiner Freundin nach Innsbruck gezogen. Allein Aufwendungen und Anwaltskosten betragen ein kleines Vermögen!“

Der Sohn betrieb in der Zelle einstweilen Yoga und Meditation, um mit der Situation noch irgendwie klar zu kommen: „Ich bekam Angstzustände. Jede Negativnachricht machte zehn positive zunichte. Für mich wurde hier einfach nicht in die eine oder andere, sondern nur in meine Richtung ermittelt. Ich glaubte bislang immer an so etwas wie eine Unschuldsvermutung!“

Gestern gegen 10.20 Uhr musste der Niederösterreicher nach der Haftverhandlung nicht mehr mit der Justizanstalt zum Gefängnis fahren. Die Eltern: „Die ganze Familie nahm ihn weinend in die Arme. Jetzt haben wir unser Leben wieder. Heute bleiben wir noch in Innsbruck, doch morgen wird zu Hause am 8. Februar Weihnachten gefeiert. Wir haben den Baum bewusst stehen gelassen!“

Nicht stehen gelassen haben den 29-Jährigen übrigens seine Freundin und der Arbeitgeber. Beide hielten bis gestern eisern zu ihm.

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