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Eine Explosion, die ganz Europa erschüttert

Von Gabriel Egger und Philipp Hirsch   13.Dezember 2017

Für die Bewohner von Baumgarten an der March (Bezirk Gänserndorf) an der Grenze zur Slowakei fühlte es sich an wie ein Erdbeben. Es war kurz nach neun Uhr Vormittag, als eine turmhohe Stichflamme das Firmament über dem niederösterreichischen Weinviertel erhellte. "Der Himmel war plötzlich feuerrot", berichten Augenzeugen. Auf dem Gelände der Erdgasstation Baumgarten war es zu einer verheerenden Explosion gekommen. 60 Menschen gingen zu diesem Zeitpunkt dort ihrer täglichen Arbeit nach. Ein 32-Jähriger aus dem Bezirk Korneuburg kam ums Leben, 21 wurden verletzt.

Laut einer Aussendung der Gas Connect Austria GmbH (GCA) handelt es sich bei dem Toten um einen Mitarbeiter des TÜV (Technischer Überwachungsverein) Austria. Die bei dem Unfall Verletzten seien "mittlerweile fast alle aus dem Spital entlassen".

Großbrand und Evakuierung

Eine Person wurde mit schweren Verbrennungen vom Rettungshubschrauber ins Wiener AKH geflogen, Lebensgefahr besteht keine. Bei den Opfern handelt es sich mehrheitlich um Mitarbeiter von "Gas Connect", einem Tochterunternehmen der OMV. Durch die Hitze der Explosion, die sich offenbar in der Filteranlage der Gasstation ereignet hatte, entstand ein Großbrand. Es wurde dabei so heiß, dass sechs Nebengebäude in Flammen aufgingen und Autos auf dem Parkplatz des Geländes schmolzen. Ein Wohnhaus in Baumgarten musste evakuiert werden, 50 Anwohner wurden von Kriseninterventionsteams betreut. 22 Feuerwehren mit 240 Mann rückten aus, um die Flammen in den Griff zu bekommen. Kurz vor drei Uhr Nachmittag konnten sie "Brand aus" geben. Bundespräsident Alexander Van der Bellen dankte auf Facebook den Einsatzkräften, kondolierte den Angehörigen des getöteten Mitarbeiters und wünschte den Verletzten eine "rasche Genesung". Die Ursache für das Unglück dürfte ein technisches Gebrechen im Westflügel der Station gewesen sein. Ein terroristischer Hintergrund wird ausgeschlossen.

Video: Nach der Explosion der Gasverteilerstation Baumgarten in Niederösterreich wird nach der Ursache gesucht. Experten gehen von einem technischen Gebrechen aus, es dürfte eine unter-irdische Gasleitung explodiert sein:

 

Von der Explosion im Marchland ist nicht nur Österreich betroffen. Erdgas aus Russland und Norwegen wird dort übernommen und über Transitleitungen nach Deutschland, Italien, Frankreich, Slowenien, Kroatien und Ungarn gebracht.

"Die Gaslieferungen aus Russland stehen derzeit auf null", sagte Michael Haselauer, Geschäftsführer der Netz Oberösterreich GmbH, gestern Nachmittag im Gespräch mit den OÖNachrichten. Die Gasversorgung für Österreich sei dennoch nicht in Gefahr. Große Gasspeicher könnten die Versorgung im Ernstfall über Monate hinweg absichern. Oberösterreich käme in einem solchen Extremfall eine besondere Bedeutung zu. Mehr als die Hälfte der österreichischen Gasspeicher befinden sich im Land ob der Enns. Sie würden auch die Versorgung des Ostens sicherstellen. Die Wiederherstellung der regulären Gasversorgung nach der Explosion in Baumgarten wird nach Einschätzung der OMV voraussichtlich Tage dauern.

Video: Wie groß der Schaden der Gasexplosion ist und was die Ursache der Detonation war, versucht ORF-Reporter Werner Fetz vor Ort zu analysieren:

 

Massiver Preisanstieg nach Gasexplosion

Nach der Explosion in der für ganz Europa wichtigen Gasstation Baumgarten in Niederösterreich zogen die Gaspreise stark an. In Italien stieg der Großhandelspreis um 87 Prozent auf 44,50 Euro je Megawattstunde (MWh). Der Preis für britisches Gas zur sofortigen Lieferung schnellte um 32 Prozent nach oben.

An der Wiener Börse notierte die OMV-Aktie Dienstag Mittag mit 53,12 Euro um rund 1,2 Prozent niedriger, der Wiener Leitindex ATX gab um 0,26 Prozent nach.

Die Gaslieferungen über die Slowakei waren nach dem Großbrand in Baumgarten unterbrochen. Der russische Gazprom-Konzern bemühte sich nach eigenen Angaben um eine Umleitung der Gaslieferungen um die ununterbrochene Belieferung seiner Kunden sicherzustellen. Der Betreiber Gas Connect Austria betonte, dass die nationale Erdgasversorgung auf „absehbare Zeit abgedeckt werden kann“. Der Transit durch Österreich Richtung Süden und Südosten sei allerdings bis auf Weiteres beeinträchtigt.

40 Milliarden Kubikmeter

Die Polizei geht von einem „technischen Gebrechen“ als Ursache aus. In Österreich wird vor allem der Osten via Baumgarten versorgt. Im Verteilerknoten Baumgarten kommt ein großer Teil der russischen Erdgasexporte nach Westeuropa und wird in das österreichische Leitungsnetz eingespeist und in andere Länder weitertransportiert.
Die Gasleitungen nach Italien, Deutschland und Ungarn konnten noch gestern wieder in Betrieb genommen werden.

Rund 40 Milliarden Kubikmeter Erdgas fließen pro Jahr durch die seit 1959 bestehende Gasstation Baumgarten, in Österreich werden knapp acht Milliarden Kubikmeter verbraucht.

E-Control: Endkunden-Versorgung sicher

Die Gastransitleitungen sind kurz vor Mitternacht wieder in Betrieb gegangen - und der Regulator E-Control versichert, dass die Endkunden auch bei einem längeren Ausfall versorgt werden könnten. Die Erdgasspeicher, die es in Österreich gebe, "können uns mehrere Monate versorgen", so E-Control-Vorstand Andreas Eigenbauer am Mittwoch im Radio.

Mit der Risikostreuung sei man wesentlich weiter gekommen, weil man die Speicherkapazität in Österreich deutlich erhöht habe und zweitens die Leitungen so umgestellt worden seien, dass sie Gas in beiden Richtungen transportieren können. "Das Netz ist so flexibel, wie es zur Zeit flexibel sein kann", so Eigenbauer im Ö1-"Mittagsjournal" des ORF-Radio.

Nach der "N-minus-Eins-Regel" sei das System so ausgelegt, dass beim Ausfall einer Hauptkomponente eine andere einspringen können müsse, das sei auch bei elektrischem Strom so, erläuterte der E-Control-Vorstandsdirektor. Und er verwies auch auf das neue Krisenhandbuch des Wirtschaftsministeriums und auf Übungen in der Branche zur Vorbereitung auf solche Störungen, wie es sie jetzt einige Stunden lang in Baumgartengegeben hat. Gas-Connect-Austria-Geschäftsführer Harald Stindl hatte in der Früh im Radio erklärt, dass alle Leitungen wieder zu 100 Prozent leistungsfähig seien.

Auch Italien verfüge über ausreichend Speicher und habe auf diese auch zugegriffen, sagte Eigenbauer. Dass Italien zuerst den Notstand aufrufe, liege an dem dort anders organisierten administrativen System.

 

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