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Wenn die biologische Uhr langsamer tickt

Von Michael Schäfl, Christian Ortner   10.Juni 2021

Wer viel im Eferdinger Becken unterwegs ist, konnte sie in den vergangenen Tagen kaum übersehen: Die Holzhütten, in denen Direktvermarkter ihre Körberl voller Erdbeeren feilbieten – und die Menschenschlangen, die sich vor den Hütten um das aromatische Obst anstellten.

Der kälteste Mai seit 35 Jahren hat die Ernte hinausgezögert. Am Mittwoch gab die Landwirtschaftskammer OÖ (LK) quasi den Startschuss in die Selbstpflücker-Saison: Auf etwa 150 Hektar Fläche laden die rund 70 Erdbeerproduzenten in Oberösterreich ab sofort Liebhaber der roten Früchte zur Ernte. "Wir sind dieses Jahr mit dem Start der Selbstpflücker-Saison zwei bis drei Wochen später dran", sagt Doreen Gottschalk vom Erdbeerhof Aichinger in Prambachkirchen. Ein Problem stellt das für den Familienbetrieb aber nicht dar: Dank Folienhäusern gibt es Erdbeeren aus Prambachkirchen bereits seit 20. April. Das ungewöhnlich kalte Frühjahr habe die Erdbeeren noch begehrter gemacht. "Was die Nachfrage betrifft, war das noch einmal eine Steigerung zum Vorjahr", sagt Gottschalk.

Beim Spargel, dem zweiten Standbein des Familienbetriebs, habe der kalte Start in die Saison hingegen zu Ernteausfällen geführt. Hier habe die Versicherung Verluste decken müssen. Insgesamt sei es dann aber doch wieder eine erfolgreiche Saison geworden, resümiert Gottschalk zwei Wochen vor dem offiziellen Saisonende.

 Wenn die biologische Uhr langsamer tickt
Hartnäckiger Frost im Frühjahr schädigte die Marillenblüten.

"Wir waren verwöhnt"

Dass die Obstbauern trotz des unwirtlichen Frühjahrs mit einem blauen Auge davonkommen dürften, bestätigt auch Franz Allerstorfer, Obstbaumeister und Landesobmann des Obstbauverbandes. "Die letzten Jahre waren wir halt mit viel Sonnenschein und nur wenig Frost verwöhnt. Aber wir Landwirte müssen uns eben nach dem richten, was uns die Natur anbietet", sagt Allerstorfer. Auf seinem Hof in Feldkirchen an der Donau baut er auf 19 Hektar Kirschen, Marillen, Zwetschken, Birnen und Äpfel an. "Beim Obst sind wir mindestens eine Woche später dran als vergangenes Jahr. Die biologische Uhr tickt heuer ganz anders", sagt der Obmann. Für gewöhnlich konnten die Kirschen ab dem 20. Juni bereits geerntet werden. Der Frost und Niederschlag im Frühjahr verschob den Erntezeitpunkt nicht nur um etwa zehn Tage nach hinten, sondern lädierte auch die Früchte. "Die Kirschen wurden etwas beschädigt, aber eine ordentliche Ernte geht sich sicher aus", sagt Allerstorfer. Ganz anders erging es den Marillen auf seinem Hof. Anfang Juli wäre die Frühsorte "Aurora" reif zur Ernte gewesen, doch daraus wird heuer nichts. Temperaturen von bis zu minus 14 Grad im Februar zerstörten die Blüten. 100 Prozent der "Aurora"-Ernte auf Allerstorfers Hof fallen heuer aus. Mit einer leichten Verspätung starten auch viele Gemüsesorten in die Saison.

"So wie das Wetter jetzt ist, hätte es auch im Frühjahr sein können", sagt Stefan Hamedinger, Geschäftsführer vom Obst- und Gemüseverband der Landwirtschaftskammer. "Wobei, es könnte noch um eine Spur weniger regnen." Seit Mitte Mai ist die Gemüseernte im Eferdinger Becken in vollem Gange. Radieschen, Jungzwiebeln, Karfiol und Salate werden von den Feldern geholt. Zur selben Zeit wurden die Gurken gepflanzt, die dem Gemüsebauern jetzt Kopfzerbrechen bereiten. "Bei den Gurkerln hatten wir eine schwere Geburt. Die mögen die hohen Temperaturen, doch die kalten Nächte haben ihnen überhaupt nicht getaugt", sagt Hamedinger. "Sie sind in ihrer Entwicklung mindestens zehn Tage hinten."

Ein Gutes hatte die verspätete Reife: Mit der Flora entwickelte sich auch die Fauna langsamer. Viele Schädlinge, die sonst bereits im Mai schlüpften, werden heuer erst im Juni aktiv. "Apfelwickler, Läuse, Motten und so manche Fliegenart haben ihre innere Uhr angepasst", sagt Allerstorfer. "Mit dieser Verspätung hatten die Landwirte aber auch mehr Zeit, um sich auf ihr Kommen vorzubereiten."

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