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Hakenkreuzfahne über dem Fernseher: "War zu faul, die Fahne zu entfernen"

Von Thomas Streif   13.Juli 2020

Die Corona-Krise und die damit verbundene Abstandsregelung hat auch Auswirkungen auf den Geschworenenprozess im ehrwürdigen Rieder Schwurgerichtssaal. Die Laienrichter sitzen mit Abstand auf den Bänken im Zuschauerbereich. Um die Mimik und Gestik des Angeklagten sehen zu können, wird dieser gefilmt, ein großes Fernsehgerät überträgt die Aufnahmen für die acht Geschworenen. Angeklagt sind ein 24-jähriger Braunauer und seine Lebensgefährtin wegen des Verbrechens der Wiederbetätigung.

Immer wieder soll der Mann laut Anklage einschlägige nationalsozialistische Tätowierungen, unter anderem mit dem Schriftzug "Sieg Heil" oder einem SS-Totenkopf, öffentlich zur Schau gestellt haben. Zudem hat der Beschuldigte über seinem Fernseher eine Hakenkreuzfahne aufgehängt, weitere Verbrechen nach dem Verbotsgesetz werden dem Mann vorgeworfen. Die Freundin hat ihrem Freund Fotos mit einem einschlägigen T-Shirt geschickt, sie spielt im Prozess eine untergeordnete Rolle.

Anzeige erstattete die Mutter des Beschuldigten. Laut Verteidiger Alexander Lison soll ein Erbschaftsstreit Auslöser dafür gewesen sein. Der 24-Jährige erbte das Haus von seinem verstorbenen Vater, die Mutter dürfte leer ausgegangen sein. Das sei der Grund für die Anzeige gewesen, so der Verteidiger in seinem Eingangsplädoyer. "Grundsätzlich sind beide Beschuldigten tatsachengeständig, allerdings sind die Tätowierungen meines Mandanten aus seiner Jugend, er hat sich damals keine Gedanken gemacht."

Er habe sich die NS-Symbole im Alter zwischen 16 und 18 Jahren stechen lassen, räumt der 24-Jährige bei seiner Befragung durch Richter Stefan Kiesl ein. "Ich fand es cool und wollte beweisen, dass ich mich traue. Dass es verboten ist, habe ich nicht gewusst", so seine Verantwortung.

Heute will er, wie so häufig die Beschuldigten in Verbotsgesetz-Prozessen, mit der rechten Gesinnung nichts mehr zu tun haben. Er habe der Ideologie bereits vor Jahren abgeschworen und begonnen, sich seine Tätowierungen überstechen zu lassen. "Dass Sie 2019 noch eine Hakenkreuzfahne über ihrem Fernseher gehängt hatten, passt da aber so gar nicht ins Bild", sagt Richter Kiesl. "Ich war zu faul, die Fahne zu entfernen. Außerdem nimmt man die Fahne, wenn man sie jeden Tag sieht, gar nicht mehr so wahr", rechtfertigt sich der 24-Jährige.

Auch für am Handy gefundene Hitler-Fotos und Bilder mit Hetze gegen Asylwerber hat er eine Erklärung. "Ich lösche nie etwas vom Handy und habe sogar noch Nummern von bereits verstorbenen Personen gespeichert."

Eine spezielle "Tischdekoration"

Auch für ein Schild mit der Aufschrift "88" (steht in rechten Kreisen für Heil Hitler, Anm. d. Red.) hat er eine kreative Erklärung: "Das war eine Tischdekoration bei einer Hochzeit, wir sind auf dem Platz 88 gesessen. Kiesl muss schmunzeln: "Das war wohl ein ganz blöder Zufall."

Nach einer längeren Beratung geben die Geschworenen ihr Urteil bekannt. Die Lebensgefährtin des Hauptangeklagten wird freigesprochen, der 24-Jährige ist im Sinne der Anklage wegen des Verbrechens der Wiederbetätigung schuldig.

Kiesl verurteilt den bisher unbescholtenen Innviertler zu eineinhalb Jahren bedingter Haft, Bewährungshilfe wird angeordnet. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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