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Trotz Todesgefahr soll junger Afghane in eine Heimat, die nie die seine war

Von Rainer Auer   27.April 2018

Vor zwei Jahren ist Khaleddin nach einer lebensgefährlichen Flucht nach Österreich gelangt. Heute besucht er die Fachschule der HTL in Andorf, zählt dort zu den Klassenbesten und hat sich in vielen Bereichen integriert und die deutsche Sprache erlernt. Im Dezember hatte er sein Interview zum Asylverfahren und wurde darin – ganz zum Unverständnis vieler, die ihn kennen und schätzen gelernt haben – negativ beschieden.

Aus seiner Heimat Afghanistan in den Iran flüchtete Khaleddin mit seinen Eltern als er gerade sechs Monate alt war. Nach kurzer Schulzeit musste er bereits im Alter von elf Jahren als Asphaltierer arbeiten. Bei seinem ersten Fluchtversuch wurde er an der Grenze festgenommen, seiner Papiere beraubt und nach Afghanistan abgeschoben. Dort allerdings kannte er niemanden. "Ich musste Afghanistan wieder verlassen, da ich es im Grunde noch nie wirklich gesehen habe und ich einen Farsidialekt spreche, den die Afghanen nicht mögen. Außerdem würden mich dort die Feinde meines Vaters finden und umbringen, ich hatte dort keine Überlebenschance", erinnert sich Khaleddin.

Flucht voller Angst

Seine Flucht führte ihn über das Schwarze Meer, wo viele andere Flüchtlinge ertrunken sind. Pure Gewalt erlebte er an der Grenze zur Türkei. "Wir waren rund 40 Flüchtlinge, nur fünf sind in der Türkei angekommen, alle anderen wurden festgenommen oder erschossen." Nach zwei Monaten gelangte er schließlich nach Österreich. Vor einem halben Jahr musste er hier, fern seiner Familie, erfahren, dass sein Bruder in Afghanistan erschossen wurde.

Mittlerweile besucht Khaleddin die HTL in Andorf und würde gerne eine Lehre mit Matura machen. Sein Schuldirektor Josef Karl lobt Khaleddin als freundlich und wissbegierig: "Alle Lehrerkollegen sprechen über ihn in den höchsten Tönen und er bringt hervorragende Leistungen." Für den Direktor war der negative Bescheid ein Schlag ins Gesicht. "Mein erster Gedanke war, dass diese Prozesse offensichtlich irgendwie automatisiert ablaufen und man sich kein Umfeld anschaut. Sonst versteht man nicht, warum jemand, der so integrationswillig ist, so bemüht, einen negativen Bescheid kriegt."

Gerne würde Khaleddin in einem technischen Beruf eine Lehre machen. "Ich bewundere Khaleddin, dass er in einer Sprache, die nicht seine Muttersprache ist, dem Unterricht, der ja ohne technisches Vokabular nicht auskommt, so gut zurecht kommt", so Karl. Neben seinen guten Leistungen in der Schule engagiert sich Khaleddin bei der Feuerwehr und dem Roten Kreuz. Auch in Sportvereinen ist er als Läufer aktiv.

Beschwerde gegen Bescheid

Auf den negativen Bescheid hin hat Gerlinde Paschinger, Anwältin der Volkshilfe, nun Beschwerde eingelegt. Khaleddin hat mittlerweile eine Kopie seines Ausweises aus dem Iran erhalten. Darin würde er erst im Dezember 2018 volljährig werden. Die Volljährigkeit in seiner "weißen Karte" wurde, so Khaleddin, aufgrund eines Übersetzungsfehlers in der Erstbefragung eingetragen. "Auch diese Praxis ist zu hinterfragen", so Paschinger. Immerhin wurde Afghanistan von der UNO mittlerweile als nicht mehr sicher klassifiziert. "Das Außenministerium hat eine Reisewarnung für Österreicher ausgesprochen. Trotzdem schiebt Österreich Flüchtlinge dahin ab. Ich appelliere an die Bundesregierung, Abschiebungen Unbescholtener nach Afghanistan zumindest bis Vorliegen einer neuen Lagebewertung auszusetzen – so wie Deutschland. Alles andere wäre eines Menschenrechte achtenden Staates unwürdig", fordert Landesrat Rudi Anschober (Grüne).

Anschober kämpft seit Monaten für einen Abschiebestopp von top-integrierten Menschen in Ausbildung oder Lehre und hat dazu die Initiative "Ausbildung statt Abschiebung" ins Leben gerufen. "40.000 Bürger haben die Petition bereits unterschrieben und rund 200 Unternehmer tun ihre Unterstützung auf einer Plattform kund mit einem Appell an die Bundesregierung, die so dringend benötigten Fachkräfte der Zukunft und Menschen in Ausbildung nicht abzuschieben, sondern eine 3+2 Regelung einzuführen. Diese gibt Sicherheit für zumindest die dreijährige Ausbildung und eine zweijährige Anschlussbeschäftigung", so der Landesrat. Laut den aktuellen Zahlen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl haben betroffene Flüchtlinge in der zweiten Instanz durchaus Chancen.

Hoffnung auf eine Chance

So bleibt für Khaleddin, seine hier gewonnenen Freunde, und seine Lehrer nur die Hoffnung auf die nächste Instanz. Schärding ist für Khaleddin zu einer Heimat geworden, die er so in seinem bisherigen Leben noch nie hatte. Sein größter Wunsch ist, hier zu bleiben, seine Schule erfolgreich zu beenden und einen technischen Beruf zu erlernen. "Ich kann weder in Afghanistan noch im Iran überleben. Meine einzige Chance ist, in Österreich bleiben zu dürfen."

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