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Das Tagebuch des Radler Schorsch: Lochner schrieb Kriegserlebnisse auf

Von Monika Kreiseder   28.Dezember 2017

"Am allerwenigsten möchte ich mit dem, was ich jetzt schreiben werde, Reklame betreiben, noch weniger etwas daher lügen. Ich habe das nicht nötig, denn was ich gehört, gesehen, gelesen oder auch im Radio gehört habe, schreibe ich so nieder, wie ich es empfunden habe. Ich werde nichts beschönigen, ich brauche auch nichts ärger darstellen, als es im Krieg ohnehin war." Mit diesen Worten beginnt das Tagebuch von Georg Klinger, dem Radler Schorsch aus der Ortschaft Tannberg, der 1941 als 20-Jähriger einrücken musste. Beinahe täglich schrieb er akribisch alle Begebenheiten des Tages in seinem Notizbuch nieder, das er in der Brusttasche seiner Uniform aufbewahrte und von Zeit zu Zeit nach Hause schickte.

Mitreißender Schreibstil

Nun wurden seine erschütternden Kriegserlebnisse im Taschenbuchformat mit dem Titel "Als Georg Moskau erobern sollte" von Alfred Hable herausgegeben. "Seit ich im Pfarrgemeinderat für das Erstellen des Pfarrbriefes verantwortlich war, suchte ich nach geschichtlichen Quellen der 30er- und 40er-Jahre", erzählt der pensionierte Gemeindearzt. Durch Zufall erfuhr er vom Tagebuch des Georg Klinger, das seine Tochter Maria Schwab aufbewahrte. Die Neugier und Begeisterung war geweckt. "Der Radler Schorsch hat viele Jahre nach dem Krieg, erst während seiner Pension, die Tagebucheinträge der Notizzetteln in zwei große Din A4 Bücher, insgesamt 600 Seiten, handschriftlich übertragen", so Hable, der inhaltlich nichts veränderte, lediglich ein paar Rechtschreibfehler ausbesserte. Bemerkenswert sind der gute Wortschatz und der mitreißende Schreibstil des Georg Klinger, der nicht nur technisch sehr versiert, sondern auch ausgesprochen mutig im Umgang mit seinen Vorgesetzten war.

Russisch lernte er innerhalb weniger Monate, was sich nicht nur während seiner Kriegsgefangenschaft als nützlich erwies. Obwohl das Glück oft auf seiner Seite war, blieben ihm eine Gelbsucht-Erkrankung und zwei schwere Verwundungen nicht erspart. Wenn auch das Töten und Sterben an der Tagesordnung war, blieb er stets bei seiner christlich geprägten Einstellung: "Ich erschieße keinen waffenlosen Menschen". Die psychische und körperliche Belastung forderte von allen Soldaten ihr Tribut. Und so schreibt Klinger: "Dem Soldaten war der Krieg ohne Ende aufgetragen oder bis es eben zu Ende war. Er fühlte dann nur mehr das Nichts, denn er sah jeden Tag mehrmals, wie sein Nachbar verwundet oder getötet wurde. Dieser Moment des seelischen Tiefstandes war für mich erreicht, als ich den neben mir zu Tode Getroffenen um sein Schicksal beneidete." Nach fünf Monaten in russischer Kriegsgefangenschaft wurde Klinger eher zufällig entlassen und kehrte am 22. September 1945 mit gerade mal 52 Kilo heim.

"Weihnachten war für unseren Vater immer das Größte", erinnert sich Maria Schwab. "Er hat gerne Gedichte geschrieben und war politisch interessiert. Seine Bücher hat er zu Lebzeiten nur wenigen Leuten gezeigt." Dass sein Begräbnis ausgerechnet am Heiligen Abend stattfand, empfand die Tochter als tröstliches Zeichen. Georg Klinger starb 1990 im Alter von 69 Jahren an Krebs.

"Es stimmt wirklich alles"

Alle Ortsangaben auf dem 600 Kilometer langen Kriegsmarsch und die Bezeichnungen der Kriegsgeräte im Tagebuch wurden von Alfred Hable genauestens recherchiert. "Und es stimmt wirklich alles, was Klinger niedergeschrieben hat", zeigt sich der Herausgeber begeistert. Ergänzt wird das Tagebuch durch Gedanken von Alfred Hable, historische Landkarten und Fotos aus Kriegstagen. Am Verlegen von Büchern hat der passionierte Geschichtsforscher jedenfalls Gefallen gefunden: "Dies wird sicher nicht das letzte sein. Ein Buch über die Pfarrgeschichte Lochens ist bereits in Planung."

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