"Auf den grenzenlos Liebenden schauen und von ihm lernen"
Ich habe die Maßnahmen gegen Corona jetzt zwei, drei Wochen ausgehalten, aber schön langsam fühl ich mich einsam und eingesperrt. Was soll ich tun?
Gerold Lehner: Das Gefühl der Einsamkeit verdichtet sich in manchen Phasen. Dann ist es gut, ein Ritual, einen "Anker" in Anspruch zu nehmen, der mich wieder stabilisiert. Das kann ein Spaziergang sein, wenn die Wände zu nahe rücken, oder das Singen guter, vertrauter Lieder, oder das laute Sprechen und Beten von Psalmen. All das hilft, wieder eine weiter Perspektive zu bekommen, Enge aufzubrechen.
Noch bin ich mit einer solchen Situation in meinem Umfeld nicht in Kontakt gewesen. Aber für mich wäre das etwas vom Schlimmsten. In einer solchen Situation könnte ich wohl nur weinen, Gott meine Not klagen und für diesen lieben Menschen auf den Knien liegen.
Die Gottesdienste auszusetzen ist ein Akt der Vernunft und der Solidarität - auch wenn im Einzelfall der Aufenthalt von zehn Personen in einer Kirche potenziell weniger gefährdend sein wird als der Einkauf im Supermarkt. Die Diskussion über die schrittweise Lockerung ist sicherlich auch in Bezug auf die Gottesdienste zu führen.
Jeder Staat ist in einer Krise gut beraten, gemeinsam mit den Bürgern zu arbeiten, aus einer gemeinsamen Betroffenheit und einer gemeinsamen Verantwortung heraus. Wenn dieses "Wir"-Gefühl umschlägt in obrigkeitlichen Zwang, dann wird die Sache kritisch. Deshalb gilt: gemeinsam Verantwortung wahrnehmen und keine Zwangsmaßnahmen wie verpflichtende Apps.
Es geht am Karfreitag nur sekundär um frei haben oder nicht frei haben. Worum es geht, ist, auf einen grenzenlos Liebenden zu schauen und von ihm zu lernen. Das täte uns allen gut. Und das wäre an einem Feiertag für alle auch besser möglich. Diese "Störung" unseres Wirtschaftsleben sollten wir uns zumuten.
Einerseits gibt es viele neue Erfahrungen mit dem Feiern in Familien und Hausgemeinschaften, andererseits viele mediale Angebote. Dennoch würde ich von einem Verlust reden. Denn Kirche ist mehr als Familie, und Gemeinschaft ist mehr als ein Medium bieten kann.
Wir feiern im kleinen Kreis der Familie die Gottesdienste. Wie heißt es so schön: Alles hat geschlossen, aber Gott hat geöffnet. Die Sonne seiner Zuwendung scheint uns in allem und trotz allem. In diesen Strahlen "sonnen" wir uns.