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Liebe in Zeiten des Internets

Von Gerhild Niedoba   04.Mai 2018

Das Internet hat längst einen fixen Platz im Alltag eingenommen. Neben Einkaufen, Urlaub-Buchen und Erledigen von Bankgeschäften suchen immer mehr Menschen auch ihr Liebesglück im Netz. Dabei erfreuen sich besonders Dating-Apps großer Beliebtheit. Mit 600 Millionen Usern weltweit, davon etwa 20.000 in Österreich, zählt "Tinder" zu den erfolgreichsten Flirt-Plattformen.

Entscheidungsschwäche

Warum das so ist, analysiert Soziologin Laura Wiesböck im OÖNachrichten-Gespräch. "Tinder hat viele Vor-, aber auch Nachteile", sagt die 30-Jährige. Im Gegensatz zum "nichtdigitalen Leben" könne die Anwendung den Usern eine "Erwartungssicherheit" bieten: "Im Alltag weiß man nicht gleich, ob jemand Single ist." Auch dass die Partnersuche auf Tinder relativ unkompliziert vonstatten gehe, sieht Wiesböck als Vorteil. "Dies hilft auch bestimmten Gruppen wie schüchternen oder homosexuellen Menschen bei der Partnersuche."

Doch das große Angebot an potenziellen Partnern könne sich auch nachteilig auswirken, spricht die Soziologin das Problem der Entscheidungsschwäche an: Durch die ständig neuen Kandidaten-Profile, die auf dem Display aufscheinen, falle es oft schwer, sich auf eines festzulegen. "Man hat das Gefühl, es könnte noch etwas Besseres kommen."

Kritisch sieht Wiesböck auch, dass primär die Bewertung des Äußeren im Vordergrund stehe. "Man muss Menschen rasch aufgrund eines Fotos be- und notfalls auch entwerten." Diese Eigenschaft des (Ab-)Urteilens könnte auf das restliche Leben übertragen oder sogar auch missbräuchlich verwendet werden, sagt die Soziologin. So würden häufig auch gebundene User ihr Profil auf Tinder stellen, einfach nur, um ihren Marktwert abzuklopfen. Die Anzahl der Matches (wenn sich zwei Benutzer gegenseitig "liken") wird somit zum Gradmesser für die eigene Attraktivität.

Nachdem die Flirt-App rasches Handeln voraussetzt, sieht Wiesböck vor allem "junge Leute" bis 35 Jahre als Hauptnutzer. "Diese Altersgruppe wächst ja auch mit dieser Art der Selbstinszenierung – Stichwort Instagram, Snapchat – auf."

Das Fazit der Soziologin: "Wenn man darauf achtet, dass man all diese Prinzipien nicht in das reale Leben überträgt, spricht grundsätzlich nichts gegen die Verwendung von Tinder. Dann kann es eine gute Möglichkeit für die Partnersuche sein."

Liebe in Zeiten des Internets
Laura Wiesböck, Soziologin

Laura Wiesböck, Soziologin

 

"Da kam der Moment, in dem es funkte"

"Ich bin nicht der typische Disko-Aufreißer, daher kam mir die unkomplizierte Kontaktaufnahme sehr entgegen", beschreibt Hannes *), 37-jähriger IT-Experte aus dem Bezirk Grieskirchen, seine Ambition, sich im Frühjahr 2015 bei Tinder zu registrieren. Gerade seine Scheidung hinter sich, wollte er sich wieder auf die Suche nach einer neuen Partnerin machen. "Ich bin der Beziehungstyp, auf kurze Affären war ich darum nicht aus."

Daher habe er sich auch an den schnelllebigen und oberflächlichen Umgang auf Tinder erst gewöhnen müssen. "Du musst dich dort quasi in die Auslage stellen und bewerten lassen. Man wird auf Alter und Aussehen reduziert." Negativ habe er auch die unterschiedliche Vorgehensweise der Geschlechter empfunden. Denn während Männer zumeist alle Fotos potenzieller Kandidatinnen auf dem Handydisplay nach rechts schieben und sich diese dadurch sichern würden, seien Frauen bereits im Vorfeld deutlich selektiver. "Dadurch ergibt sich rasch eine hohe Ausfallsrate." Positiv sei aber, dass die Userinnen dem eingeschränkten Kandidaten-Kreis dafür mehr Zeit widmen könnten.

Inzwischen hat sich der Vater einer Tochter längst bei Tinder ausgeloggt. Der Grund dafür ist einfach – hat er doch dort ein halbes Jahr später seine Partnerin gefunden. Lilly *) war eine von vier Kandidatinnen, mit denen er sich getroffen hat. Beim ersten gemeinsamen Abend in einer Bar war den beiden klar, dass daraus mehr werden könnte. "Es war zwar nicht Liebe auf den ersten Blick", sagt er, "dann kam aber der Moment, in dem es funkte."
 

"Nach der Trennung tat der Ego-Push gut"

Seit vier Monaten ist Claudia *) wieder in festen Händen. Auch wenn die Linzerin ihren neuen Partner letztlich nicht über Tinder gefunden hat, empfiehlt sie die Kennenlern-App weiter. Wenn auch nur als "schnelles Unterhaltungsmedium", wie die 28-Jährige sagt.

"Als ich mich vor drei Jahren nach meiner Trennung anmeldete, war Tinder eine gute, billige und vor allem zeitsparende Möglichkeit, rasch jemand Neuen kennenzulernen." Dieses plötzliche "Gefragt-Sein" habe sich gut angefühlt, Claudia spricht gar von einem "Ego-Push". Dazu schätzte sie auch den unkomplizierten Umgang der Online-Plattform. "Das geht nebenbei im Zug oder daheim. Und zwar, ohne dass du dich großartig herrichten musst."

Nur drei ihrer Tinder-Kontakte hat die Studentin aber persönlich getroffen. Weil es zu wenig "Angebot" gegeben habe, wie sie sagt: "Nachdem ich bei der Suche einen knappen Radius von 20 Kilometern eingestellt hatte, hatte ich rasch alle potenziellen Kandidaten durch." Während ihr zwei Dates in guter Erinnerung geblieben sind ("Nette Gespräche, gefunkt hat’s aber nicht") nahm das dritte hingegen einen unangenehmen Verlauf – machte ihr Gegenüber doch unumwunden deutlich, den Abend nicht nur plaudernd verbringen zu wollen. "Daher rate ich, im Vorfeld beim Schreiben abzuklopfen, in welche Richtung es gehen soll."

 

*) Name von der Redaktion geändert

 

Liebe in Zeiten des Internets

Erst nach dem "Match" wird gechattet

Tinder (deutsch: Zunder) ist eine kostenlose Mobile-Dating-App, die 2012 in den USA gestartet wurde und in Österreich seit 2014 zur Verfügung steht. Tinder soll das Kennenlernen von Menschen in der Umgebung erleichtern. Zielgruppe sind Frauen und Männer zwischen 18 und 35 Jahren.

Voraussetzung für die Erstellung eines Kontos ist ein Facebook-Profil oder eine SMS-fähige Handynummer. Das Kennenlernen von Menschen erfolgt nach einfachem Prinzip: Der Nutzer erhält am Display Profilfotos sowie Vornamen und Alter anderer Nutzer. Ist der User an einem Kontakt interessiert, schiebt er das Foto nach rechts, wenn nicht, nach links. Sind beide Benutzer aneinander interessiert, werden sie darüber informiert ("Match") und können miteinander chatten.

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