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Drogen im Hinterzimmer: „Situation ist nicht mehr tragbar“

Von Barbara Eidenberger   03.Februar 2015

OÖNachrichten: Ein großes Thema in Oberösterreich ist die starke Zunahme der Droge Crystal Meth. Als Hauptbezugsquelle gelten die Vietnamesen-Märkte in Tschechien. Wie wird das Problem in Tschechien wahrgenommen?

Milan Zàlesàk: Drogen sind auch für uns ein ernsthaftes Thema, das wir erst Ende 2013 in einer großen Konferenz in Vyssi Brod behandelt haben. Anwesend waren dabei unter anderem Vertreter der vietnamesischen Botschaft, die Zentrale für den Kampf gegen Drogen, der Kreis Südböhmen und die Polizeidirektion des Kreises Südböhmen. Thematisiert wurden die gesundheitlichen und rechtlichen Auswirkungen, die bis zum Verlust der Aufenthaltsgenehmigung für die vietnamesischen Mitbürgern reichen können. Vyssi Brod wurde aus zwei Gründen als Veranstaltungsort ausgesucht: die geografische Lage und die hohe Konzentration der vietnamesischen Verkaufsstände. Die Situation wird auch intensiv in den Medien behandelt. Es gibt Ermittlungen, Einsätze und Kontrollen.

Wird genug kontrolliert? In Österreich gilt es als offenes Geheimnis, dass man an bei diesen Standln ganz einfach an Drogen kommt.

Das wissen wir nicht, aber die Exekutive wird diese Informationen bestimmt haben. Einfacher zu erfassen ist das Thema der illegalen Feuerwerkskörper, weil diese ganz offen ausgestellt werden. Mit dem Drogenhandel ist das ja umgekehrt, weil der im Geheimen stattfindet. Da haben wir nicht so viele Möglichkeiten einzugreifen. Wenn jemand so etwas mitbekommt, soll er das melden.

Die Vietnamesenmärkte werden von der österreichischen Exekutive generell als Problem wahrgenommen. So meinte etwa ein Polizist: „Dort bekommt man alles: Illegale Böller, Drogen und Waffen.“ Ist das aus Ihrer Sicht übertrieben oder zutreffend?

Die illegalen Böller sind ein sehr großes Thema. Oft werden Feuerwerkskörper der Kategorie IV verkauft, das ist nicht erlaubt. Wir haben die zuständigen Behörden erst kürzlich gebeten, wieder verstärkt zu kontrollieren. Alle Behörden klagen, dass sie zu wenig Kompetenzen haben. Es ist nicht möglich, einen Verkaufsstand von heute auf morgen zu schließen. Was man tun kann, ist gefälschte Produkte zu beschlagnahmen. Das passiert auch. Aber es ist ein Kampf gegen Windmühlen. An einem Tag bekommt der Verkäufer eine Strafe, die Ware wird weggeräumt. Am nächsten Tag ist alles wieder da. Allen ist die negative Entwicklung bewusst. Inzwischen genehmigen Staatsanwälte auch Kontrollen in privaten Fahrzeugen, Geschäftsräumen und Wohnungen. Auf der anderen Seite müsste man das ganze Problem komplex behandeln. Mit entsprechenden Gesetzen und am besten so, dass die Ware gar nicht in diesen großen Mengen nach Tschechien gelangen.

Ist es keine Option zu sagen: Wir möchten diese Verkaufsstände gar nicht mehr?

Die Situation auf dem Gemeindegebiet von Vyssi Brod ist nicht mehr tragbar. Aber zu sagen, dass wir die Stände nicht mehr wollen, wird uns wenig nützen. Es gibt immer neue Geschäfte in neuen Gebäuden, das wird das Kernproblem nicht lösen.

Gibt es keine Möglichkeiten, das Kernproblem zu lösen? In Österreich sind für Gewerbetätigkeit viele Auflagen zu erfüllen und Genehmigungen einzuholen. Wie ist das in Tschechien?

Das ist eine gute Frage und ehrlich gesagt würde mich auch interessieren, wie das geht. Denn wenn ein tschechischer Staatsbürger ein Geschäft betreiben will, wird er ständig kontrolliert. Sehr interessant ist, dass diese Menschen überhaupt einen Gewerbeschein bekommen. Denn bei Kontrollen hören wir immer wieder: „Ich verstehe nicht, ich spreche kein Tschechisch“. Wie kann so jemand offiziell zum Verkauf berechtigt sein? Aber in der Praxis ist es natürlich so, dass wenn ein Kunde kommt - und meist sind das Österreicher - wird sogar alles auf Deutsch erklärt. Die Händler sind sehr anpassungsfähig.

Wie kommen die Verkäufer dann zu den notwendigen Genehmigungen?

Mir ist das auch ein Rätsel. Vielleicht ist das Problem schon viel älter, die Gesetze sind lückenhaft, man findet einen Weg. Die Auswirkungen sind aber problematisch. Immer mehr tschechischen Einwohner verkaufen ihre Häuser an die Vietnamesen. Was passiert mit dem historischen Zentrum von Vyssi Brod? Wir haben zum Teil sehr schöne Bürgerhäuser und die neuen Besitzer haben kaum eine Beziehung zu diesem Erbe. Die historischen Fassaden wurden mit Ware zugestellt. Das könnten wir aber eindämmen.

Ist der tschechischen Regierung in Prag das Problem bewusst - oder egal?

Das Problem muss allgemein bekannt und den Verantwortlichen bewusst sein. Die Medien berichten wöchentlich. Es macht halt stutzig, dass sich die Situation in den vergangen Jahren kaum ändert. Als wir einen Antrag auf Räumung einen Marktfläche eingereicht haben, hat ein Parlamentarier dafür interveniert, dass der Markt bleibt. Das hat uns schon überrascht.

Das hört sich an, als wäre hier Korruption im Spiel.

Ich würde nicht wagen, dieses Wort laut auszusprechen, weil uns die Beweise dafür fehlen.

Was wäre aus Ihrer Sicht eine Lösung für diese ganze Thematik?

Bei einem Gespräch mit dem Amtsleiter von Bad Leonfelden kürzlich wurde ich fast etwas neidisch. Er hat uns erklärt, dass die österreichische Regierung gewisse verbindliche Grundregeln aufstellt. Und die Gemeinde hat dann die Möglichkeit, damit weiterzuarbeiten. Aber man weiß ganz genau, wie die Regeln aussehen und kann sich daran halten.

Also gibt es in Tschechien zu wenige Gesetze? Oder sind die Gesetze zu schwammig formuliert?

Vielleicht haben wir zu viele Gesetze. Aber manchmal befinden wir uns in Situationen, in denen das Recht einfach nicht geltend gemacht werden kann. Oder es dauert zu lange, um eine konkrete Lösung zu finden und diese auch durchzusetzen. Ein Beispiel: In Dolni Dvoriste war die Straßenstrich immer ein großes Problem. Die Gemeinde beschloss ein Verbot der Prostitution auf der Straße, das von einer Sicherheitsfirma kontrolliert wird. Die Folge ist, dass die Prostituierten aus Dolni Dvoriste vertrieben werden und an die Grenzen zu den Nachbargemeinden ausweichen. An diesem Beispiel sieht man, wie unlogisch das Ganze ist. Wir haben keine zentrale Regelung, das Problem wird nicht gelöst, sondern verschiebt sich nur um ein paar Kilometer.

Bürgermeister Milan Zàlesàk

Bürgermeister Milan Zàlesàk

Polizei vermutet in Oberösterreich Crystal-Meth Labore

„Crystal hat das Potential, Cannabis zu überflügeln“, sagt Erwin Pilgerstorfer, stellvertretender Bezirkskommandant von Urfahr-Umgebung und Leiter der Ermittlungsgruppe (EG) Nord. Das Problem Crystal Meth beschäftigt die Exekutive seit Jahren. Die Wege, auf denen die Droge nach Oberösterreich kommt, sind bekannt. Eine wirkliche Handhabe hat die Polizei dagegen nicht gefunden.

Die Zahl der Oberösterreicher, die sich an den Ständen mit Drogen eindeckt, geht wohl in die Tausenden. Flächendeckende Kontrollen sind an der offenen Grenze zu Tschechien aber undenkbar. Dafür gibt weder Personal noch Geld.

Die Zahl der Festnahmen an der Grenze steigt trotzdem enorm. Fast immer sind es kleine Fische, die der Exekutive ins Netz gehen. 30 bis 40 Euro zahlen sie in Tschechien für ein Gramm Crystal. Viele fahren einmal in der Woche ins Nachbarland, um dort „einzukaufen“, berichten Sozialarbeiter. Die Zahl der Ersttäter im Zusammenhang mit Crystal Meth ist alleine zwischen 2012 und 2013 österreichweit von 720 auf 1197 angestiegen. Die sichergestellte Menge hat sich im selben Zeitraum von 3,28 auf 7,57 Kilo mehr als verdoppelt. Diese Zahlen sind für die Polizei alarmierend. Anfang 2014 wurde deshalb die EG Nord gegründet. Ihr Aufgabe ist es, sich dem grenzüberschreitenden Handel entgegenzustellen.

Aber nicht nur aus Tschechien kommt die Droge nach Oberösterreich. Längst wird sie auch hierzulande produziert. „Wir gehen davon aus, dass auch in Oberösterreich kleinere Labore existieren“, sagt Pilgerstorfer.

 

Presse

Auch in tschechischen Medien ist der Drogenhandel im Grenzgebiet ein großes Thema. So berichtete etwa die „Mlada Fronta Dnes“ schon 2012, dass die Vietnamesen beginnen würden, den Drogenhandel zu beherrschen: Zum Geschäft mit Drogen kämen sie genauso dazu wie zum Verkauf von Lebensmitteln oder Bekleidung. „Es geht ihnen hauptsächlich um Gewinn, Drogen sind für sie nur eine weitere Art von Ware“, beschreibt der Sprecher der Antidrogenzentrale, Michal Hammer. Der starke Zusammenhalt innerhalb der Vietnamesen, aber auch die Unzuverlässigkeit von Übersetzern würden die Ermittlungen zusätzlich erschweren.

 

 

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26. April 2024