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Der Anfang vom Ende des "Reichs"

Von Alfons Krieglsteiner   22.Juni 2016

"Unternehmen Barbarossa". Das war der Deckname für den Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion. Heute vor 75 Jahren, am 22. Juni 1941 um 3.15 Uhr, eröffnete die 45. Infanteriedivision, die wegen der vielen Wehrmachtssoldaten aus Linz und Oberösterreich "Linzer Division" genannt wurde, das Trommelfeuer auf die Festung Brest-Litowsk (heute Weißrussland).

"Damit begann der von Hitler zum ideologisch-politischen Vernichtungskrieg erklärte Feldzug gegen den Bolschewismus, der schließlich zum Untergang des Dritten Reiches führen sollte", sagt der Wiener Heeresgeschichtler Manfried Rauchensteiner im Gespräch mit den OÖNachrichten.

Der Deckname "Barbarossa" war auch Programm: Nach dem Vorbild des mittelalterlichen Stauferkaisers Friedrich Barbarossa wollte Hitler das Deutsche Reich zur führenden Macht in Europa erheben. Nach dem Sieg über Polen grenzte "Großdeutschland" unmittelbar an die Sowjetunion. 150 Divisionen – mehr als drei Millionen Wehrmachtssoldaten – standen für den Angriff bereit.

"Die Sowjets hatten durch ihre Nachrichtendienste schon in den Monaten zuvor Wind bekommen, rechneten aber nicht mit einem so frühen Zeitpunkt", sagt Rauchensteiner. Dem geballten Angriff hatten sie zunächst wenig entgegenzusetzen: "Die Wehrmacht ist mit ihren technisch weit überlegenen Panzern und Flugzeugen regelrecht über die Sowjets hergefallen", sagt der Historiker.

Mehrere Stunden habe Stalin gebraucht, um sich von der Hiobsbotschaft zu erholen. "Dann hat er im Rundfunk zum Vaterländischen Krieg aufgerufen." Damit erinnerte er an den Krieg gegen Napoleon, der 1812 ebenfalls an einem 22. Juni begonnen hatte. Ein Begriff, der sich für die Russen mit der Hoffnung auf den Sieg verband. Wie einst Napoleon, sollten sie nun auch Hitler vom Boden des einstigen Zarenreichs vertreiben.

Ursprünglich habe Hitler den Überfall schon im Sommer 1940 geplant, so Rauchensteiner. Doch dann war ihm der Feldzug gegen Jugoslawien und Griechenland "dazwischengekommen". Es dauerte mehrere Monate, bis die dadurch gebundenen Kampfverbände wieder "aufgefüllt" und die zerstörten Waffen ersetzt werden konnten. "Hitler war überzeugt, dass er auch diesmal wieder – wie zuvor gegen Polen und Frankreich – in einem ,Blitzkrieg‘ siegen würde", sagt Rauchensteiner. Noch vor Einbruch des Winters sollte Moskau erobert werden. Doch er hatte die Gegenwehr der Roten Armee krass unterschätzt. Bis Ende 1941 waren zwei Millionen Russen gefallen, verhungert oder als Kriegsgefangene verschleppt worden. Ihren Opferwillen für das "heilige Mütterchen Russland" konnte das aber nicht brechen.

 

So erlebten zwei Oberösterreicher den Angriff

Gut die Hälfte der Soldaten der 45. Infanteriedivision, die in den frühen Morgenstunden des 22. Juni 1941 die sowjetische Grenze überschritten, stammte aus Oberösterreich. Manche haben ihre Erlebnisse in Tagebüchern festgehalten oder später aus der Erinnerung niedergeschrieben: Wichtige Quellen zur Zeitgeschichte, die den OÖNachrichten durch Benno Schinagl, den geschäftsführenden Präsidenten des OÖ. Kameradschaftsbundes, zugänglich gemacht wurden.

Josef Arnreiter aus Wallern und Karl Spanlang aus Gallspach (Bez. Grieskirchen) waren dabei, als die ersten Kampfverbände der Wehrmacht nach Brest-Litowsk vorrückten. Beide sind vor einigen Jahren verstorben. Übereinstimmend berichten sie, wie die Soldaten anfangs über die wahren Absichten der Wehrmachtsführung getäuscht worden waren. „Man hat ihnen weisgemacht, dass die Rote Armee der Wehrmacht den Weg freigeben würde und Ziel des Vorstoßes die Ölfelder in Persien seien“, berichtet Schinagl. Was Hitler wirklich im Schilde führte, wurde den einfachen Soldaten erst in den letzten Tagen vor dem Angriff klar.

Am 18. Juni schreibt Arnreiter: „Nahkampfausbildung und Handgranatenwerfen. Wir sitzen abends vor unserem Zelt und lauschen dem Wehrmachtsbericht. Es spielt eine Kapelle, die Stechmücken beißen furchtbar.“
Am 21. Juni erreicht die Division den Grenzort vor Brest-Litowsk: „Herrlicher Sonnenaufgang, die russische Militärmusik spielt jenseits des Grenzflusses Bug. Wir erhalten Handgranaten und Munition, füllen damit unsere Taschen“.

Um 3.15 Uhr beginnt der Angriff, der Vormarsch geht zügig voran. „Wir mussten die Bahnlinie entlang in die Stadt Brest vorstoßen. Von russischen Soldaten war nichts zu sehen. Die Zivilisten waren scheinbar erfreut über unser Auftauchen. Jetzt kommen einige Männer von unserer Kompanie, die am frühen Morgen mit einem Stoßtrupp auf die Zitadelle angesetzt waren. Sie berichten wieder vom Tod vieler Kameraden“, schreibt Arnreiter.

Er berichtet von brennenden Häusern, von Russen, „die im Feuerschein über die Straße sprangen und auf uns schossen“. In der Früh des 23. Juni war der Fluss voll toter Rotarmisten. Erst da erfuhren die Soldaten, dass Hitler den Sowjets den Krieg erklärt hatte.

 

Chronologie
Soldatenfriedhof in Stalingrad.

Chronologie

  • 23. August 1939: Die Außenminister Joachim von Ribbentrop und Wjatscheslaw Molotow unterzeichnen im Kreml den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt (Hitler-Stalin-Pakt). Ein geheimes Zusatzabkommen sieht die Aufteilung Polens zwischen beiden Ländern vor.
  • 6. Oktober 1939: Die polnischen Truppen kapitulieren, der Großteil Polens wird deutsches Generalgouvernement. Westpreußen und der Raum Posen gehen an die Sowjets.
  • 22. Juni 1940: Frankreich kapituliert, die deutschen Truppen besetzen Nordfrankreich und die gesamte Atlantikküste.
  • 22. Juni 1941: Deutscher Überfall auf die Sowjetunion.
  • 2. Oktober 1941: Nach mehreren siegreichen Panzerschlachten beginnt der deutsche Angriff auf Moskau, der im strengen russischen Winter zum Erliegen kommt.
  • 2. Februar 1943: In Stalingrad kapituliert die 6. Armee unter Generalfeldmarschall Friedrich Paulus. Die deutschen Truppen werden immer weiter zurückgedrängt.
  • 7. Mai 1945: General Alfred Jodl unterzeichnet in Lens die Kapitulation des Deutschen Reiches.
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