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Als bei Enns ein Atomkraftwerk geplant war

Von Luise Walchshofer   26.Februar 2018

"Auch du wohnst in der Todeszone", stand auf den Flugzetteln, die Friedrich Witzany nach der Sonntagsmesse an die Kirchgänger verteilte. Es war das Jahr 1973, und Witzany befand sich in St. Pantaleon im Bezirk Amstetten, wenige Kilometer von Enns, Mauthausen und Perg entfernt.

Der Grund für seine recht deutliche Botschaft: In der kleinen Gemeinde, die gerade jenseits der Grenze zu Oberösterreich liegt, sollte nach dem Willen der damaligen Regierung ein Atomkraftwerk (AKW) gebaut werden. Friedrich Witzany aus St. Florian gehörte zur Bürgerinitiative gegen Atomgefahren, die dagegen ankämpfte.

AKW galten in den Siebzigerjahren als die Technik der Zukunft. "Man hat uns erzählt, dass sie sauber und absolut sicher seien", erinnert sich Witzany. Drei Kernkraftwerke waren in Österreich geplant: eines in Zwentendorf, eines nahe Völkermarkt in Kärnten und eines in St. Pantaleon.

Von Letzterem erfuhr Witzany im November 1973 durch eine Meldung in den OÖNachrichten. Rasch bildete sich die erwähnte Bürgerinitiative, die versuchte, die Bevölkerung zu mobilisieren.

"Auch du wohnst in der Todeszone": Als bei Enns ein Atomkraftwerk geplant war
Anti-Atom-Kundgebung in der Gemeinde St. Pantaleon

Von den OÖNachrichten organisierte Atomstrom-Debatte 1975 in Linz: Bundeskanzler Bruno Kreisky neben dem damaligen Chefredakteur Hermann Polz.

 

90 Prozent dagegen

"Die ersten Kundgebungen in St. Pantaleon verliefen sehr turbulent", erzählt der 77-Jährige. "Der Bürgermeister war für das AKW, von den Bewohnern hat sich niemand getraut zu sagen, dass er sich Sorgen macht. Aber nach den Veranstaltungen sind Anrainer eigens zu mir nach St. Florian gekommen und haben gefragt, was es wirklich mit Atomkraftwerken auf sich hätte."

Die Umweltschützer führten sogar eine Bürgerbefragung in der Gemeinde durch. "Von den ungefähr 1500 Stimmberechtigten in St. Pantaleon haben sich 70 Prozent beteiligt. Von ihnen waren 90 Prozent gegen den Bau des AKW. Das hat ziemlich eingeschlagen."

Die Anti-Atom-Bewegung beschränkte ihre Aktivitäten aber nicht nur auf St. Pantaleon. Auch in Linz hielt sie Veranstaltungen ab, die auf wachsendes Interesse stießen. Zu einer, die im Jahr 1975 von den OÖNachrichten organisiert wurde, kamen 3500 Zuschauer, auf dem Podium saß sogar Bundeskanzler Bruno Kreisky. "Da hatten wir erstmals das Gefühl, dass Kreisky die Brisanz der Situation bewusst wurde", erzählt Witzany. Wenig später wurde der Bau von St. Pantaleon zurückgestellt. "Als Grund wurde angegeben, dass der Stromverbrauch doch nicht so stark steige wie zuvor angenommen." Nun konzentrierten die Atomgegner ihre Aktivitäten auf Zwentendorf. Nach drei Jahren, in denen die Bewegung immer größer wurde, verkündete Kreisky, dass es eine Volksabstimmung über die Inbetriebnahme des AKW geben werde.

"Das war eine Sternstunde"

Diese ging bekanntlich denkbar knapp mit 50,47 Prozent gegen die Inbetriebnahme aus – heutzutage würde sie wohl eindeutiger ausfallen: "Mehr als 90 Prozent der Österreicher sind gegen Atomkraftwerke", sagt Umweltlandesrat Rudi Anschober (Grüne). "Aber damals hätten wir niemals gedacht, dass wir gewinnen können", erinnert sich Witzany. "Als das Ergebnis verkündet wurde, waren wir vollkommen von den Socken. Es war eine Sternstunde."

Aber wäre die Abstimmung pro Zwentendorf ausgegangen, hätte man wahrscheinlich auch den Reaktor in St. Pantaleon gebaut, sagt Anschober: "Dann hätten wir jetzt etwas mehr als 20 Kilometer vor den Toren von Linz ein Atomkraftwerk."

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