Kurz: Vorverlegung der Wahl wäre "der richtige Weg"
Den großen Sitzungssaal des Außenamts, der nach Ex-Außenminister Alois Mock benannt ist, zieren bunte Heldenbilder aus der Geschichte Österreichs. Gemalt hat sie der Biedermeier-Künstler Leopold Kupelwieser.
Sebastian Kurz wählte diesen imposanten Rahmen am Freitag für seine sechsminütige "persönliche" Erklärung. Fragen waren – wie schon am Mittwoch bei Bundeskanzler Christian Kern, Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und Bundespräsident Alexander Van der Bellen – nicht zugelassen.
Der Außenminister hatte zwei Kernbotschaften: Er ist für vorgezogene Nationalratswahlen, weil sie "der richtige Weg" wären, um Veränderungen im Land zu ermöglichen. Und zur ÖVP sagte er: "Aus meiner Sicht ist klar, so wie’s war, so kann es nicht bleiben."
"Ein Freund der Klarheit"
Dem 30-Jährigen ist bewusst, dass Neuwahlen nicht populär sind – auch nicht in Teilen der ÖVP. Er würde die Obmannschaft aber nur annehmen, wenn er die inhaltliche Linie vorgeben und auch Personalentscheidungen treffen kann. Darüber wird am Sonntag im Bundesparteivorstand entschieden.
Begonnen hatte Kurz seine Rede mit einem Blick zurück. Die Ereignisse in den vergangenen Tagen hätten sich "überschlagen". Er wolle dazu "persönliche" Anmerkungen machen, weil er "nicht der Chef der ÖVP" sei.
"Ich bin grundsätzlich ein Freund der Klarheit", sagte Kurz. Es gebe das Angebot von Kanzler Kern an ihn, die Regierung fortzusetzen, er wolle jedoch nicht "den 17. Neustart ausrufen" und verkünden, dass "diesmal wirklich, ganz wirklich, alles anders wird". Wenig später wäre man dann dort, wo man immer sei, nämlich bei "Minimalkompromissen". Auch würde damit nur der "Dauerwahlkampf" fortgesetzt.
"Doppelstrategie durchkreuzt"
Der Außenminister gesteht Kern oder FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zu, dass auch sie ihre Reformvorstellungen haben. Darüber sollten aber nicht einzelne Politiker, sondern "die Wählerinnen und Wähler entscheiden".
Die letzten, die in Österreich gewählt wurden, seien der frühere Kanzler Werner Faymann (SPÖ) und dessen Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) gewesen: "Danach gab es nur noch Parteientscheidungen, nicht Wahlentscheidungen." Das wolle er ändern.
"Ich bleibe mir treu", bekräftigte Kurz und warb nochmals für das Vorziehen der Wahl.
Die Verantwortung für die Zukunft der ÖVP wies er im Schlusswort dem Parteivorstand zu: Dort müssten seine Vorstellungen "mitgetragen werden".
Kaum hatte Kurz den Saal verlassen, begann die ÖVP mit der Vertiefung der Botschaft. Regierungsmitglieder schwärmten aus, um Meinungsmacher zu bearbeiten. Staatssekretär Harald Mahrer, zugleich Regierungskoordinator, zu den OÖNachrichten: "Seit Jänner führt die SPÖ einen Semi-Wahlkampf. Diese Doppelstrategie hat Kurz jetzt durchkreuzt."
Rot-Schwarz vor dem Ende:
Reaktionen: So wird der Ruf von Sebastian Kurz nach Neuwahlen gesehen - in der ÖVP und bei Gegnern
"Die Frage ist, was soll jetzt besser werden. Es ist daher folgerichtig, die Wähler entscheiden zu lassen.“
Christoph Leitl, Wirtschaftskammer- und Wirtschaftsbundchef
„Kurz weiß zwar noch nicht, ob er Verantwortung als VP-Chef übernehmen will, aber Neuwahlen sind für ihn ein Muss.“
Eva Glawischnig, die Grünen-Obfrau wundert sich über die Erklärung
„Offensichtlich stehen für die ÖVP Parteiinteressen im Vordergrund. Neuwahlen lösen kein Problem im Land.“
Birgit Gerstorfer, SP-Landesvorsitzende von Oberösterreich
„Kurz hinterlässt nur Baustellen. Als Europaminister habe ich ihn kaum wahrgenommen. Umgesetzt hat er wenig.“
Evelyn Regner, SPÖ-Delegationsleiterin, EU-Parlament
Der Politologe Peter Filzmaier zu Minderheitsregierung versus Neuwahl:
Die große Koalition - eine Chronologie: