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Ein großes, selbstbewusstes Stadthaus an der Wiener Straße

Von Georg Wilbertz   11.Jänner 2020

Die Randbereiche der Innenstädte und die Übergangszonen zu den Vorstädten sind heute oft Stiefkinder der urbanen Entwicklung. Die wirtschaftlich attraktiven Einkaufsstraßen sind – gefühlt – weit entfernt. Gestalterische Fragen verlieren an Bedeutung. Vom Flair des Zentrums ist meist wenig zu spüren. Ein Befund, den man auch in Linz antreffen kann. Trotzdem sollten die Qualitäten und Vorteile dieser Viertel erkannt, genutzt und erweitert werden. Mit ihrem Entwurf für ein großes, selbstbewusst auftretendes Stadthaus an der Wiener Straße versucht das Linzer Büro X-Architekten, diese Potenziale aufzuzeigen. Zugleich versteht sich das Bauwerk als wichtiger Beitrag und Impuls für die zu erwartende, weitere Entwicklung in diesem Bereich der Stadt. Ob es allerdings ökonomisch und sozial ein passendes Modell für die Wiener Straße sein kann, wird die Zukunft zeigen.

Ein großes, selbstbewusstes Stadthaus an der Wiener Straße
Begegnungsort Balkon

Städtebaulich ist die Situation an dieser Stelle von Linz wenig attraktiv. Die stadtauswärts führende Wiener Straße ist die einzige urban geprägte Verbindung vom Zentrum in den Linzer Süden. Sie führt im Vergleich zur Landstraße ein Schattendasein. Schon die Stadtplanung der Moderne wollte die Situation verbessern, hatte aber bis heute keinen Erfolg. Vor allem die breite Bahntrasse verhindert eine großzügige Öffnung zwischen Innen- und Vorstadt. Nur eine beklemmende Unterführung gewährt den Durchlass. Die große Chance, mit dem Bau des neuen Musiktheaters positiv in die Situation einzugreifen, wurde leichtfertig vertan. Das Theatergebäude riegelt nicht nur optisch die Wiener Straße zum Volksgarten auf Jahrzehnte hin ab. Freundlich-verbindende Stadträume sehen anders aus.

Mit Gesicht, mit Fassade

In diesem schwierigen Umfeld realisierten X-Architekten an der Ecke Wiener Straße/Anzengruberstraße ein markantes, fünfgeschoßiges Gebäude mit Geschäftslokalen, Miet- und Eigentumswohnungen.

Das Bauwerk nimmt den Maßstab der Nachbarbebauung auf. Es wird damit selbstverständlicher Teil der Straße und setzt deren historische Entwicklung fort. Hier endet allerdings die Anpassung. Die Fassadengestaltung ist individuell und selbstbewusst. Man begegnet einem Stadthaus im traditionellen Sinn des Wortes und mit komplexer Fassadenstruktur. Auffallend ist zunächst der Materialwechsel zwischen den grau gefassten Rauputzflächen und dem im städtischen Kontext ungewohnt reichlich verwendeten Holz. Es soll die tiefen Loggien und Fenster vor dem Straßentrubel und -lärm schützen. Wie weit dies tatsächlich gelingt, wird die tägliche Praxis zeigen. Die Größen der Öffnungen und Fensterflächen sind unterschiedlich.

Ein gestalterisches Zeichen

Ein Wechselspiel aus geraden und schräg geführten Linien verleiht der Fassadenfläche eine mäßige, jedoch spürbare Bewegung. Die große, metallisch glänzende Dachfläche wird optisch mit der Fassade verklammert. Mit seinen plastischen und grafischen Qualitäten setzt das Gebäude innerhalb des Straßenverlaufs ein gestalterisches Zeichen.

Fast zwangsläufig zeigt die hofseitige Gestaltung einen deutlich anderen Charakter. Hier dominiert das stabwerkartig vorgehängte Material Holz die Fassaden.

Assoziationen wie Ruhe und Wärme stellen sich für die Wohnzone ein. Eine großzügig dimensionierte Laubengangerschließung verbindet nicht nur die Wohnungen. Sie bietet zudem den Zugang zu weit in den Hof vorragenden Balkonen. Diese sind zwar den einzelnen Wohnungen zugewiesen, jedoch nicht gegeneinander abgeschottet. Laubengänge und Balkone sind als zwanglose "Begegnungszone" für die Nachbarschaft gedacht.

Ob das ambitionierte Ziel, durch architektonische Gestaltung das Miteinander einer Hausgemeinschaft zu fördern, Erfolg haben wird? Bereitschaft und Alltag der Bewohner werden hierzu der Prüfstein sein.

Es ist ein Klischee: Architekten bewohnen ihre eigenen Bauten nicht. X-Architekten haben zumindest ihr kreatives Büroloft am Linzer Hafen aufgegeben und sind im Herbst in das neue Gebäude gezogen. Das Büro genießt seitdem das vorstädtische Leben vor den Erdgeschossfenstern. In den nächsten Jahren wird das gegenüberliegende, verschlafene Gelände der ÖBB städtebaulich entwickelt. Eine Belebung des Viertels wird die Folge sein. Das Haus von X-Architekten wäre dann ein erster, sinnvoller Baustein für Neues. Vielleicht nimmt dann die – etwas abgehängte – Wiener Straße in Linz endlich Fahrt auf.

Das Projekt

Standort: Wiener Straße 19-21, Ecke Anzengruberstraße, Linz. Bauherr: Mayrhofer Immobilien GmbH Planung, Text und Fotos: X ARCHITEKTEN ZT GmbH.
Planungszeit: Jänner 2016 bis Dezember 2018.
Bauzeit: Mai 2017 bis Oktober 2019.
Material und Bauweise: Mauerwerk Mischbauweise, Dachkonstruktion aus Holz, Tiefgarage Stahlbeton.

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