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Tiroler Glanzlichter

02.Februar 2019

Wenn die blaue Stunde kommt, fängt der Riese in den Swarovski-Kristallwelten in Wattens an zu träumen und entzündet im Freien ein Feuerwerk aus Farben und Klängen. Der Winter hat das schwarze Spiegelwasser im Garten des Riesen längst mit einer Eisschicht überzogen, und die mit Maschendraht geformten Wolken tragen stattliche Schneehauben. Die auf der Unterseite befestigten 800.000 Kristalle tun, was sie sollen – glänzen und funkeln wie Sterne in der Nacht. Am immer schwärzer werdenden Abendhimmel gibt sich allerdings erst der Mond die Ehre. Trotz klarer Nacht und fast formvollendet, hat selbst der Erdtrabant Mühe, mit dem Strahlen hier unten mitzuhalten. Es empfiehlt sich, ein paar Schritte zurückzutreten und vom Hügel des Gartens aus einen Blick auf die Installation zu werfen. Eigens komponierte Sounds weben einen Klangteppich, der durch Lichteffekte verstärkt wird. 15 Minuten dauert die Licht- und Klangshow, die das Produkt des Künstlerkollektivs Playmodes ist und zwischen 17 und 21 Uhr zu jeder vollen und halben Stunden aufgeführt wird.

Der Abend ist der Nacht gewichen, und die Extremitäten verlangen nach Wärme. Zeit, in das Innere des Riesen vorzudringen, der dort seine Wunderkammern bewacht. Nicht eine Sage liegt dieser Geschichte zu Grunde, sondern André Heller erdachte sie sich 1995 zum 100-jährigen Jubiläum von Swarovski. Das ursprüngliche Prinzip dieser Wunderkammern basiert auf der historischen Wunderkammer im Schloss Ambras, die im 16. Jahrhundert als Universalsammlung das gesamte Wissen ihrer Zeit zu erfassen versuchte. In den Wunderkammern der Swarovski-Kristallwelten interpretieren international und national renommierte Künstler, Designer und Architekten Kristall auf ihre jeweilige Art.

17 Kammern sind es mittlerweile, die sich Raum um Raum erwandern lassen. 300.000 Besucher tun das jährlich. Ein Drittel kommt mittlerweile aus Indien. Auslöser war ein Bollywood-Film, der 1999 hier gedreht wurde. In einem solchen wähnt sich, wer die fünfte Kammer betritt. In einem "Palast der Liebe" überschüttet der indische Designer Manish Arora den Besucher mit kitschig-bunten Herzen und Liebesbotschaften, die da etwa lauten: Seien Sie bereit für die Liebe! Die Botschaft von Yayoi Kusama ist eine andere. Die 93-jährige japanische Künstlerin, seit Jahrzehnten freiwillig in einer Nervenheilanstalt lebend, erschafft mit einem einzelnen Swarovski-Kristallluster in eine rundum verspiegelten Raum die Illusion von Unendlichkeit. Immer nur höchstens sechs Personen dürfen in den kleinen Raum, so will es die Künstlerin. Mühelos wandelt man durch diese Glitzerwelt, die in einer Kammer des Konsums endet. Im Kristallwelten-Store glitzern die Swarovski-Schmuckstücke. International ist man auch hier. Es gibt das chinesische Bezahlsystem Alipay, und die Mitarbeiter kommen aus 30 Nationen.

Salz und Silber brachten Wohlstand

Ein Schmuckstück anderer Art wartet zehn Autominuten weiter westlich. Im 14.000-Einwohner-Städtchen Hall in Tirol ist es die Altstadt, die glänzt. Sie zählt zu den größten und schönsten Österreich. Im Mittelalter war Hall eine große Nummer. Zehn Millionen Tonnen Salz wurden im nahen Halltal abgebaut und machten die Stadt zur Handelsdrehscheibe Nordtirols.

Tiroler Glanzlichter
Der Münzturm: Wahrzeichen und beliebter Aussichtspunkt von Hall in Tirol
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Aussicht vom Münzturm auf Hall

"Zigtausend Baumstämme lagerten damals vor der Stadtmauer, um die Sole einzudampfen. Über den Inn wurde das Salz verschifft", erzählt Anita Töchterle-Graber, oberste Stadtführerin von Hall, und zeigt von der obersten Kammer des Münzturms nach unten. Diente der zwölfkantige Turm damals der Überwachung von Saline und Salzstraße, ist er heute Wahrzeichen und darüber hinaus ein markanter Aussichtspunkt. Wer die 187 Stufen der Wendeltreppe emporsteigt, wird mit einem Rundumblick auf die Stadt und das Inntal mit seinen schneebedeckten Bergrändern belohnt.

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Eine von vielen schmalen Gasse Halls
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Halls Kirchen waren zunächst gotisch und wurden nach einem Erdbeben barockisiert.

Der Wohlstand der Stadt begründete sich nicht auf Salz allein. Erzherzog Sigismund, ein Habsburger, machte Hall 1477 zur Münzstätte. "1486 wurde hier der erste Taler der Welt geprägt, eine Silbermünze. Aufgrund von Silberfunden in Schwaz war man nun vom teuren Gold unabhängig," berichtet Töchterle-Graber, während sie die Stufen hinabsteigt. Heute ist der Münzgeschichte der Stadt ein Museum gewidmet. Herzstück des Museums Münze Hall ist der originalgetreue Nachbau der ersten Prägemaschine, die im Mittelalter täglich 4000 Münzen ausspuckte. Turm wie Museum sind Teil von Burg Hasegg, die sich als harmonisches Ensemble aus historischen und modernen Elementen präsentiert.

Schlafen im barocken Ambiente

Solch ein Gebäude ist auch die Wirkungsstätte von Ursula und Marek Jud-Basny. Die beiden haben das einstige Handelshaus am Unteren Stadtplatz in Halls erstes Boutiquehotel verwandelt. Zwei Jahre lang haben die 30-Jährige und ihr Mann das denkmalgeschützte Gebäude mit viel Geschick und großteils in Eigenregie von einer Ruine in ein Schmuckstück verwandelt. Mehr als 200 Tonnen Schutt wurden hinausgekarrt, Stuckdecken und Holzböden freigelegt und renoviert. Heute nächtigt und frühstückt man im Kontor im barocken wie im modernen Ambiente.

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Die alte Stadtmauer wurde in das Boutiquehotel Kontor integriert.

Vom Unteren Stadtplatz sind es nur wenige Schritte bis zur Altstadt mit ihren schmalen und verwinkelten Gassen und Kirchen, die einst gotisch glänzten, aber nach einem heftigen Erdbeben 1670 barockisiert wurden. An den Bürgerhäusern stechen nicht nur die unzähligen Erker ins Auge, sondern auch die in Stein gefassten Torbögen und Erdbebenklammern an den Hausmauern, die die Statik verbessern sollten. Nicht zu vergessen die kunstvollen, barocken Schilder an den Gebäuden, die auf die frühere Bedeutung der Gebäude hinweisen. Dass die Altstadt mit ihren 300 Häusern heute so schmuck dasteht, verdankt Hall einem Revitalisierungsprogramm in den 70ern.

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Stadtführerin Eva Stockley als Hübschlerin

Wer spätabends in den Gassen der Altstadt nach Abwechslung sucht, findet sie bei Eva Stockley. In einem schwarz-roten Samtkleid, bodenlang und oben geschnürt, nimmt sie ihre Kunden in Empfang, um mit ihnen lustzuwandeln. Der Rotlichtbezirk Halls und die Prostitution im Mittelalter, das ist ihr Erzähl-Metier. Launig und nicht minder informativ führt die hauptberufliche Unternehmensberaterin und geprüfte Fremdenführerin zu damaligen Stätten der Lust. Sie erklärt, was in den Badehäusern und Frauenhäusern vor sich ging, wie das Sexualleben der Menschen aussah und dass die Prostituierten im Mittelalter Hübschlerinnen bzw. Dirnen hießen und ein akzeptierter Teil der Gesellschaft waren. Stockleys Tour ist nur eine von insgesamt zwölf Themenführungen durch das mittelalterliche Hall.

Genug vom Mittelalter? Dann raus aus der Stadt. Möglichkeiten gibt es reichlich:

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Rosenhaus: Kunstvolle Hausschilder weisen auf die ursprüngliche Bedeutung hin.

Tipps

Nationalpark Karwendel: Das Halltal in Halls Nachbargemeinde Absam bildet das Tor zum Nationalpark Karwendel und bietet Sport- und Naturbegeisterten viele Möglichkeiten. Susanne und Guido Vianello von Nature Watch etwa führen Gäste wöchentlich durch die Winterlandschaft – mit und ohne Schneeschuhe. www.hall-wattens.at; www.karwendel.org

Brotbacken: Ebenfalls in Absam zeigt Jungbäuerin Johanna Strasser ihren Gästen auf dem Pungghof, wie man früher Bauernbrot gebacken hat. www.hall-wattens.at

Übernachtung: Boutiquehotel Kontor: DZ ab 150 Euro inkl. Frühstück, www.hotel-kontor.at

Essen: Gasthaus Goldener Löwe am Oberen Stadtplatz. Bodenständige Tiroler Küche in historischen Räumen.
Tourismusverband Region Hall-Wattens: Tel: 05223 45544-32; www.hall-wattens.at

Swarovski Kristallwelten: kristallwelten.swarovski.com, täglich ab 8.30 Uhr geöffnet, bis 17. Februar verlängerte Öffnungszeiten bis 21 Uhr. Das Lichtfestival ist auch 2020 geplant (ab Mitte Jänner).

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26. April 2024