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"Endlich" wieder reisen

Von Karl Ploberger   29.August 2020

Schon am Flughafen in Wien-Schwechat ist alles anders als sonst, wenn auch alles viel angenehmer: Wenig Leute, nette Helfer beim Selbst-Check-in, alle halten Abstand, ob beim Anstellen für den Cappuccino oder beim Boarding. Man sieht zwar kein Lächeln, aber man spürt, dass alle, die hier sind, froh sind, wieder einmal verreisen zu können.

Im Flugzeug selbst ist fast alles wie immer. Beim Einsteigen gibt es halt statt einer Schokolade ein Desinfektionstuch, und dann sitzt man eng an eng. Der Nasen-Mund-Schutz bleibt im Gesicht, nur beim Drink darf er abgenommen werden. Gefühlt ist die Luft in der Maschine frischer, aber das mag Einbildung sein. Versprochen wird jedenfalls ein permanenter Austausch der Luft. Richtiggehend eine Wohltat und eindeutige Verbesserung ist das Aussteigen. Nach dem Erlöschen der Anschnallzeichen werden alle Passagiere noch angehalten, sitzen zu bleiben. Reihenweise wird dann zum Verlassen der Maschine aufgerufen. Keine Gepäckklappe, die einem gegen den Kopf knallt, kein Koffer, der einem in den Rücken rutscht, und keiner, der einem auf die Zehen oder Fersen steigt. So ruhig und geordnet bin ich nach hunderten Flügen noch nie aus der Maschine gekommen.

Auch beim Kofferband kein Stress, denn so wie es aussieht, ist das Flugzeug aus Wien das einzige, das zu dieser Zeit in Hamburg gelandet ist. Auch im Bus gilt Maskenpflicht, die Sitzplätze sind zugeteilt, aber ansonsten ist alles wie immer: jede Menge Informationen über Land, Leute und Geschichte, vorgetragen von einer Reiseleiterin mit so viel Enthusiasmus, dass die Einschränkungen schnell vergessen sind.

"Endlich" wieder reisen
Der Schaugarten von Gartengestalterin Fenna Graf in Sprangsrade

Allerorts ein freudiger Empfang

In den Gärten dann ein freudiger Empfang: "endlich" wieder eine Gruppe, so die herzliche Begrüßung der Gastgeber, die mit Abstand, aber ohne Maske stattfindet. Einige sagen mit Ellbogen oder Faust Hallo, bevor der Rundgang startet. Und plötzlich ist alles wie immer: Fragen werden gestellt, Tipps gegeben, Fotos gemacht oder einfach der Garten erkundet, die entspannte Atmosphäre genossen. Dazu gibt es Erfrischungen und einen Imbiss. Tischweise holen wir uns die lokalen Köstlichkeiten und vergessen fast, dass man in einer anderen Zeit reist. "Ich habe mich so auf diese Reise gefreut, zuvor aber bei jedem Telefonläuten eine Absage befürchtet", sagt eine erfahrene Teilnehmerin von Gartenreisen. Für andere ist es eine Premiere. Sie genießen umso mehr die familiäre Atmosphäre.

Im Hotel in Kiel freut man sich über die Gäste, der Check-in ist blitzschnell erledigt, die Gruppe bereits nach zehn Minuten im Zimmer. Halt, eines dauert: die Liftfahrt. Nur zwei Personen (die nicht in einem Haushalt leben) dürfen gleichzeitig in die Kabine. Für die, die warten, gibt es einiges (mit Abstand) zu besprechen – die Trockenheit im Frühling, die vielen Schnecken und die Missernte bei den Marillen.

Das Abendessen kommt vom Buffet. Ohne Maske gibt’s sofort eine Rüge vom Personal. Bevor man einen Tisch wählt, muss man sich mit Name und Telefonnummer in Listen eintragen. Kontrolliert wird das aber nicht. Ein Hotelgast hat sich mit "Donald Duck" verewigt. Wie es scheint, sind nicht alle mit den neuen Regeln einverstanden. Hinsichtlich Abstand und Maske ist die Diszipliniertheit hingegen überal groß.

Zum eigentlichen Ziel der Reise, dem Land "zwischen den Meeren": Schleswig-Holstein. Die Landeshauptstadt Kiel hat durch die Lage an der Förde einen besonderen Reiz. Viele kennen den Hafen als Ausgangspunkt für Kreuzfahrten. 2,5 Millionen Passagiere starten jährlich von hier – normalerweise. Bei einer morgendlichen Laufrunde vorbei an der Hafenanlage gehen gerade einmal ein paar Handvoll Kreuzfahrer an Bord. Die Branche liegt noch darnieder, die Gärten Gott sei Dank nicht. Die zeigen ihre volle Pracht, ihre Besitzer – alle extrem freundlich – haben einem Besuch nur zugestimmt, weil man sich schon jahrelang kennt.

Very british

Wie in weiten Teilen des Landes ist die Gartenkultur auch im Norden Deutschlands großartig und sehr britisch orientiert. Ob das Anwesen von Fenna Graf in Sprangsrade, die sich als Gartengestalterin einen Namen gemacht hat und ihr grünes Paradies als einzigartigen Schaugarten nutzt, oder der Park der pensionierten Ärztin Marianne Ortner, die mit 22 Gärten den Lauf des Lebens präsentiert und mit ihren Schilderungen die Besucher zum Nachdenken inspiriert.

Die Besitzer der Rosenbaumschule Kordes haben für die Gartengruppe aus Österreich extra am Sonntag ihre Werkshallen geöffnet und Einblick in die faszinierende Rosenzucht gewährt. Wenn von 500.000 Sämlingen nach zehn Jahren gerade einmal zwei Handvoll Rosen für den Verkauf angeboten werden können, weiß man, wie mühevoll die Gartenkunst ist. Eine Augenweide sind in dieser Gegend auch die alten, reetgedeckten Bauernhäuser. Wenn dann noch das Rundherum passt, macht das das Glück der Gartenliebhaber perfekt.

Fazit der ersten Gartenreise in Corona-Zeiten: Maske, Abstand und Disziplin sind letztlich nur eine Frage der Gewohnheit.

"Endlich" wieder reisen
Reisen mit Maske – Gewohnheitssache
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26. April 2024