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Die Kunst, bewusst zu leben

Von Von V. Hader   09.Oktober 2013

Das Gespräch mit dem Chef, der Streit mit der Schwiegermutter, die offene Stromrechnung: Vielen Menschen schwirren pausenlos Alltagsprobleme durch den Kopf. „Die meisten hetzen in ihren Gedanken immer in die Zukunft, um ja nichts zu verpassen. Dabei entgeht ihnen genau dann das, was gerade passiert“, sagt Michaela Schöny, Gesundheitspsychologin an der Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg in Linz.

„Achtsamkeit heißt auch, Dinge und Situationen wahrzunehmen und zu beobachten, aber dabei nicht zu bewerten, sondern anzunehmen, wie sie sind“, sagt Schöny. Dabei geht es um eine innere Haltung, der Ansatz kommt aus dem Buddhismus, ist mittlerweile wissenschaftlich fundiert und kommt längst in Therapieprogrammen zum Einsatz, „vor allem bei psychischen Erkrankungen wie Persönlichkeits-, Schmerz- und Essstörungen oder auch bei Depression“, sagt Schöny. Aber auch gesunde Menschen profitieren davon. Warum Achtsamkeitstraining so wirksam ist, untersucht Diplompsychologe Ulrich Ott an der deutschen Universität Gießen. Seine Erklärung: Die Achtsamkeit schiebe sich wie ein Puffer zwischen Reiz und Reaktion und verändere so Verhaltensweisen. „Wir sind nicht mehr wie Roboter Geschehnissen ausgeliefert, sondern können angemessen reagieren“, sagt er. Besser noch: Achtsamkeitspraxis hilft, das Leben mit mehr Wohlwollen, Humor und Liebe zu betrachten.
„Wer achtsam durch den Tag geht, erlebt ihn intensiver“, sagt Schöny. „Oft hetzt man sich von früh bis spät ab und hat keine Zeit, Kleinigkeiten zu bemerken. Man verpasst dabei leicht die vielen Glücksmomente des Tages – das kann der Kaffee sein, den einem die Kollegin überraschend serviert, oder ein nettes Kompliment des Partners.“

Wer lernt, Momente bewusst zu erleben und auf seine inneren Regungen zu horchen, erlebt nicht nur den Tag bewusster, sondern schützt auch seine Psyche. Das beste daran: Achtsamkeit kann man trainieren – ganz ohne Hilfsmittel, zu jeder Zeit und an jedem Ort, beim Zähneputzen genauso wie beim Abwaschen. „Das ist reine Übungssache, es reichen schon zehn bis 15 Minuten täglich“, sagt Schöny.

 

EINE KLEINE GESCHICHTE

Vom Glück des Augenblicks

Ein Mann wurde einmal gefragt, warum er trotz seiner vielen Beschäftigungen immer so glücklich sein könne. Er sagte: „Wenn ich stehe, dann stehe ich, wenn ich gehe, dann gehe ich, wenn ich sitze, dann sitze ich, wenn ich esse, dann esse ich, wenn ich liebe, dann liebe ich ...“

Da fielen ihm die Fragesteller ins Wort und sagten: „Das tun wir auch, aber was machst du darüber hinaus?“

Er sagte wiederum: „Wenn ich stehe, dann stehe ich, wenn ich gehe, dann gehe ich, wenn ich ...“

Wieder sagten die Leute: „Aber das tun wir doch auch!“

Er aber sagte zu ihnen: „Nein – wenn ihr sitzt, dann steht ihr schon, wenn ihr steht, dann lauft ihr schon, wenn ihr lauft, dann seid ihr schon am Ziel.“

Achtsamkeit kann man lernen

 

Reine Übungs-Sache: Wer lernt, Momente bewusst zu erleben, erhöht seine Lebensqualität und schützt die Psyche. Schon ein paar Minuten pro Tag reichen aus, um Achtsamkeit zu trainieren. Eine paar Anregungen:

Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf alltägliche Tätigkeiten, wie Zähne putzen, Haare kämmen, Schuhe anziehen. Bringen Sie – so gut es geht – Achtsamkeit zu jeder Aktivität. Bevor Sie am Abend schlafen gehen, nehmen Sie sich ein paar Momente Zeit und schauen Sie bewusst auf Ihren Atem. Beobachten Sie fünf achtsame Atemzüge.

Wenn Sie essen oder trinken, nehmen Sie sich eine Minute Zeit und atmen Sie.
Essen Sie aufmerksam, im Bewusstsein, dass Sie Ihre Gesundheit unterstützen.
Sehen Sie bewusst das Essen, riechen Sie es, schmecken, kauen, schlucken Sie es achtsam.

Auf dem Weg zur Arbeit, im Auto etwa, nehmen Sie Spannungen im Körper wahr, z.B. verkrampfte Hände am Lenkrad, hochgezogene Schultern, angespannter Magen etc. Erlauben Sie diesen Spannungen, sich zu lösen.

Spüren Sie beim Verlassen Ihrer Arbeitsstelle die kühle oder warme Luft draußen. Nehmen Sie die Kühle oder Wärme Ihres Körpers wahr. Versuchen Sie am Ende des Arbeitstages auch kurz Rückschau zu halten. Beglückwünschen Sie sich zu der getanen Arbeit und machen Sie eine Liste für den nächsten Tag. Für heute haben Sie genug getan!

Entscheiden Sie sich, jede Stunde einen „Stopp“ von 1- 3 Minuten einzulegen, währendessen Sie sich Ihres Atems und Ihrer Körperwahrnehmungen bewusst werden. Erlauben Sie Ihrem Geist während dieser Zeit der Innenschau, sich zu beruhigen.

Bei vielen Übungen ist die Atmung ganz wichtig - auch bei folgender Grundübung: Schließen Sie die Augen, atmen Sie ganz bewusst und zählen Sie bis zehn. Bei eins atmen sie ein und wieder aus, dasselbe bei zwei, drei, vier ... Wenn Sie merken, dass andere Gedanken in den Kopf kommen, beginnen Sie erneut bei eins. „Das Ziel dabei ist nicht, bis zehn zu kommen, sondern dass Sie bei der Sache bleiben, dass Ihnen auffällt, wenn Ihre Gedanken abschweifen,“ sagt Gesundheitspsychologin Michaela Schöny und rät, diese Übung täglich fünfzehn bis zwanzig Minuten zu machen.

Spüren Sie beim Duschen bewusst den Wasserstrahl auf Ihrer Haut. Nehmen Sie wahr, welche Temperatur bei Ihnen Wohlgefühl auslöst. Wie sich perlendes Wasser auf der Haut anfühlt. Wie der harte oder weiche Strahl auf Schenkel, Bauch oder Rücken trifft. Hat das Wasser eine Melodie?

Bemerken Sie Ihren Körper, wenn Sie gehen oder stehen. Halten Sie einen Moment inne und spüren Sie Ihre Haltung. Seien Sie aufmerksam auf welchem Untergrund Sie gehen. Spüren Sie die Luft in Ihrem Gesicht, auf Armen, und Beinen, während Sie gehen. Sind Sie in Eile?

Wenn Sie das Telefon läuten hören, einen Vogel singen, einen Zug vorbeifahren, Lachen, ein Auto, den Wind, eine schließende Tür - nehmen Sie eines dieser Geräusche als Glocke der Achtsamkeit. Hören Sie wirklich hin und seien Sie gegenwärtig und wach.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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10. Mai 2024