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Kinder merken sich viel mehr, wenn sie nicht still sitzen

Von Dietlind Hebestreit   15.April 2020

Beim Lernen immer ganz ruhig sitzen? "Gar nicht gut!", meint Manuela Macedonia, OÖNachrichten-Kolumnistin und Gehirnforscherin. Sie erklärt in einem Buch, warum sich Kinder den Lernstoff mit ein bisschen Bewegung ganz einfach schneller und genialerweise auch besser merken.

Wie funktioniert denn dieses bewegte Lernen?

Man setzt den Körper bewusst ein, um den Lernprozess effizienter zu gestalten: Will man – zum Beispiel – Vokabeln lernen, führt man eine Geste aus, die das Wort in seiner Bedeutung darstellt. Handelt es sich um ein abstraktes Wort, kann die Geste symbolisch sein. Meine wissenschaftlichen Untersuchungen haben gezeigt, dass man sich mit Gesten mehr Vokabeln merkt als durch Lesen und Schreiben – das Gute daran: Man vergisst sie auch langsamer.

Eignet sich das für jedes Kind?

Es eignet sich für alle Altersgruppen. Meine Experimente finden mit jungen Erwachsenen (18 bis 25 Jahre) statt: Das ist eine Gruppe, die nicht mehr so leicht lernt wie Kinder und sich jedoch noch nicht so schwertut wie ältere Menschen. Kinder nehmen diese Art des Lernens sofort an. Besonders interessant ist, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten vom bewegten Lernen mehr profitieren als Menschen, die leicht lernen.

Warum ist immer still sitzen beim Lernen nicht sinnvoll?

Weil man das Lernpotenzial des Körpers dadurch hemmt. Körper und Geist bilden eine Einheit, die durch die Philosophie des 17. Jahrhunderts (Rene Descartes) getrennt wurde. Diese Trennung hat sich dann in der Pädagogik und der Schuldidaktik fortgesetzt, sodass man seit Jahrhunderten damit lebt und den Lernprozess nicht optimal gestaltet.

Wie erkenne ich, dass mein Kind mit Bewegungen leichter lernt?

Man kann ein kleines Heimexperiment machen. Dafür braucht man nur eine Vokabelliste in der Fremdsprache, z. B. Französisch-Vokabeln: Jene Wörter, die assoziierbar sind, streicht man, zum Beispiel "citron" – auf Deutsch Zitrone. Die Wörter, die nicht assoziierbar sind, unterteilt man in zwei Gruppen. Eine Gruppe der Vokabeln wird gelernt, indem man sie laut vorliest. Für die zweite Wortgruppe, zusätzlich zum Vorlesen, führt man zum Wort eine Geste aus. Man wiederholt die zwei Vokabellisten zehnmal und testet den Lernerfolg, indem die Lernperson die Vokabeln in die Fremdsprache übersetzt (schriftlich oder mündlich), und zwar am selben Tag, dann nach zwei Tagen und nach einer Woche. Kinder lernen sehr leicht. Also kann es sein, dass Kinder bis zehn, elf Jahre sich alle Vokabeln merken, unabhängig von der Lernstrategie, insbesondere wenn die Anzahl gering ist (15 Wörter). Werden die Vokabeln mehr, können alle den Körper als Lernwerkzeug einsetzen. Das wirkt und bringt Abwechslung.

Wie kann ich meinem Kind das erklären?

Learning by Doing ist die beste Methode für das Kind. Allerdings soll man als Erwachsener wissen, warum es besser funktioniert. Das liegt daran, dass man durch die Bewegung zwei Gedächtnissysteme miteinander in Verbindung bringt: das deklarative Gedächtnis, mit dem wir uns Geschriebenes merken, wie Wortlisten, Matheformeln, geschichtliche Inhalte, und das prozedurale Gedächtnis, mit dem wir uns motorische Abläufe merken, wie das Rad- oder Skifahren, das Zubereiten einer Speise. Wenn man beide Gedächtnissysteme zusammenschaltet, ist es für das Lernen perfekt.

Für welche Lernstoffe ist Bewegung besonders inspirierend?

Bewegtes Lernen eignet sich für die meisten Fächer: Man kann Strategien der bewegten Erklärung einbauen. Dadurch verstehen Lernende die Inhalte besser. Und man kann den Lernvorgang bewegen, damit die Inhalte schneller und nachhaltiger gespeichert werden. Zum Beispiel in Mathematik kann man Formeln mit einer kleinen Choreografie erklären, die Schüler aktiv wiederholen.

  • Buchtipp: Christian Andrä, Manuela Macedonia: Bewegtes Lernen: Handbuch für Forschung und Praxis, Lehmanns-Verlag, 29 Euro
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27. April 2024