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Denn sie wissen ganz genau, was sie tun wollen

Von Claudia Riedler   08.Februar 2020

Der dänische Familientherapeut und Bestsellerautor Jesper Juul, der mehrfach auch in Oberösterreich zu Gast war, starb im Juli 2019. Nun erscheint sein letztes Buch, in dem er mehr als 30 ganz konkrete Fragen von Eltern beantwortet. Sie alle haben eines gemeinsam: Ihr Kind ist besonders autonom. "Es besteht von Geburt an auf sein Selbstbestimmungsrecht und lässt dadurch Eltern an ihrer Liebe und dem Wert ihrer Fürsorge zweifeln", heißt es in dem Buch.

Selbstbestimmte Kinder fordern ständig ihr Recht ein, über die eigenen Belange zu entscheiden. "Andere schauen zu Mama oder Papa, holen sich eine Rückversicherung. Diese Kinder handeln aus sich heraus. Sie haben ein sehr gutes Selbstgefühl und wissen mehr, als wir uns vorstellen können", erklärt Katharina Weiner. Die gebürtige Bad Ischlerin leitet das "familylab Österreich" und arbeitete eng mit Jesper Juul zusammen.

Was Eltern irritiere, sei, dass diese Kinder nicht auf Körperkontakt gehen, es sind also keine Kuschelkinder, sagt Weiner, die selbst eine autonome Tochter hat. Sie schätzt aus ihrer Praxis, dass zwei bis drei Prozent der Kinder dieses besondere Autonomiestreben haben. Belege gebe es dafür keine.

Laut Juul werden autonome Kinder mit einem "fertigen Körper und einem reifen Gesichtsausdruck geboren". Sie wirken wie "alte Seelen, so wach und allwissend", sagt Weiner. "Es sind eben keine verträumten, viel schlafenden, kuscheligen Babys." Die Familienexpertin rät Eltern von autonomen Babys, sie als "fertige Menschen zu betrachten". Das Buch diene der Orientierung, um herauszufinden: Wer ist mein Kind? Wie kommen wir miteinander aus?

In der Regel freuen sich Mütter und Väter auf ihr Baby – und haben konkrete Vorstellungen. "Das Zimmer ist schon fertig, bevor das Baby zur Welt kommt. Was ist aber, wenn es gar nicht im Gitterbett schlafen will?", sagt Weiner. Bei einem selbstbestimmten Kind sei es eine besondere Herausforderung, ihm unvoreingenommen zu begegnen und es auch zu verstehen. "Je mehr Druck autonome Kinder aber bekommen, desto stärker wird ihr Widerstand."

Nicht zu verwechseln sind selbstbestimmte Kinder laut Jesper Juul mit jenen, die ihre Umgebung tyrannisieren, weil sie vernachlässigt wurden oder weil deren Wünsche stets und sofort erfüllt wurden. Manchmal werde die Autonomie auch mit dem Asperger-Syndrom oder Autismus verwechselt, sagt Weiner. "Damit tut man diesen Kindern aber Unrecht."

Während man andere Kleinkinder mit zu viel Entscheidungsfreiheit schnell überfordert, könne man selbstbestimmten Mädchen und Buben durchaus Entscheidungen überlassen: "Das kann beim Essen sein oder auch bei der Auswahl der Kleidung", sagt Weiner. Diese Kinder lassen sich auch nur schwer von etwas abbringen.

Auf Augenhöhe reden

Eltern willensstarker Kinder fühlen sich oft hilflos. Dabei gehe es den Kindern gar nicht um Trotz, sie wollen sich nur nicht fremdbestimmen lassen. "Diese Kinder kooperieren genauso wie andere, wenn sie wissen, dass es für den Elternteil jetzt wichtig ist und wenn man auf Augenhöhe mit ihnen redet", erklärt Weiner. Annerkennung der kindlichen Situation sei wichtig.

Wer sich dagegen früh unverstanden fühle, nehme das mit ins Erwachsenenleben, sagt die Familienexpertin. "Die Prägung in der Kindheit ist wissenschaftlich erwiesen." Sie rät deshalb in jeder Situation: "Das Kind genau beobachten, die Lage überdenken und dann erst reagieren."

Buchtipp: Jesper Juul. Dein selbstbestimmtes Kind. Kösel-Verlag. 20,60 Euro

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26. April 2024