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Sophia Loren, eine Netflix-Debütantin von 86 Jahren

Von Nora Bruckmüller   14.November 2020

Eine in Falten gekleidete Hand umschließt fest die eines schwarzen Buben – so sieht das wohl berührendste Bild im Film "Du hast das Leben vor dir" aus. Seit gestern läuft die Produktion auf Netflix.

Die schützende Hand gehört Sophia Loren, die im September 86 Jahre alt wurde. Sie verkörpert Madame Rosa, eine KZ-Überlebende, die tagsüber die Kinder der Prostituierten in ihrem Viertel hütet. Die kleine, zarte Hand ist die des Straßenjungen Momo (Ibrahima Gueye), den Rosa nur widerwillig aufnimmt. Weil er vorlaut und ausgefuchst ist. Am Ende ist er ein Überlebenskünstler vom selben Schlag. Es dauert, bis beide das begreifen. So entsteht ein sensibles Werk, das wie ein Echo von Sophia Lorens Lebensthemen wirkt – des Zweiten Weltkriegs, des sozialen Gefälles in Italien, der Einsamkeit als Kind und familiärer Liebe.

Loren, 1934 als Sofia Villani Scicolone im faschistischen System Mussolinis in Rom geboren, wuchs als uneheliches Kind eines Vaters auf, der sich nicht zur ihr bekannte – im armen Süden, in Pozzuoli nahe Neapel. Als sie sechs war, brach der Zweite Weltkrieg aus, dessen Realität sie im Kino entkam. Ein Splitter einer Bombe der Alliierten verletzte sie später am Knie. Es sollte Jahre dauern, bis es besser wurde. Als 15-Jährige gewann Loren ihren ersten Schönheitswettbewerb, was sie in ihre Geburtsstadt zurückführte. Mit 16 traf sie dort den 22 Jahre älteren Filmproduzenten und ihren späteren Ehemann Carlo Ponti (1912–2007).

Mit ihm entwickelte sie eine Karriere, die beispielhaft für die Historie des internationalen Films ist. In der großen Zeit von Italiens Kino, von Roms "Cinecittà", stieg sie zur Komödiantin auf, oft neben Marcello Mastroianni. Es folgte der Sprung ins goldene Nachkriegs-Hollywood, wo sie mit Gary Grant ("Hausboot") oder Frank Sinatra ("Stolz und Leidenschaft") drehte. Als Witwe, die ihr Kind in "La Ciociara" vor den Weltkriegsgräueln schützt, holt sie 1962 als erste nicht Englisch sprechende Darstellerin den Hauptrollen-Oscar.

Damit gewann sie den Status einer Charakterdarstellerin und die Freiheit davon, junge, schöne Rollen erfüllen zu müssen. Ihr Temperament, ihre direkte Energie ist, wie ihr Netflix-Debüt zeigt, ohnehin unvergänglich. Man merkt, wie sehr die zweifache Mutter und vierfache Oma ihren ersten Film seit 2009 ("Nine") genoss. "Ich hatte Schmetterlinge im Bauch."

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26. April 2024