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Carlos - Der Schakal: „Ein Außenseiter, kein Mastermind“

Von Von Ludwig Heinrich aus München   02.November 2010

„Das Erste, was ich in die Hände bekam“, erzählt er, „waren vier, fünf Seiten Synopsis. Da ging es darum, wie die französische Polizei Carlos im Sudan kaperte. Zu diesem Zeitpunkt war noch von einem Fernsehfilm die Rede. Aber allein die Polizeiperspektive war für mich nicht alles. Ich dachte an Carlos als Zentralfigur, begann, mich in die Materie einzulesen, war fasziniert, und mir war klar: das war ein Stoff, der weit über einen kleinen Fernsehfilm hinausreichte. Den Produzenten Daniel Leconte hatte ich schnell überzeugt, und auch Canal plus stimmte zu. Zu diesem Zeitpunkt hielten wir bei zwei Teilen. Als auch noch Studio Canal einstieg, waren es drei. Und Kino statt Fernsehen. Ein Kinofilm in drei Abschnitten.“

Die Faszination, die die Hauptfigur auf ihn ausübte: „Er war ein Produkt seiner Zeit. Ein junger Mann namens Illich, der sich die ‚Maske’ Carlos zulegte. Ein Außenseiter. Aber: kein Mastermind, zu dem ihn die Medien hochstilisierten. Kein Führer, sondern ein Soldat, der Aufträge ausführte – mehr oder weniger erfolgreich. Das Gegenteil eines Che Guevara. Denn der war ein echter Führer.“

„Carlos“ – totale Authentizität oder auch Fiktion? „Auch Fiktion“, sagt der Regisseur, „ich benütze Fiktion, um die historischen Ereignisse zu verbinden. Ein Beispiel: Wir zeigen den ‚berühmten’ Handschlag des österreichischen Innenministers Otto Rösch mit Carlos. Dann eine Szene mit dem AUA-Piloten, der Carlos und die Geiseln aus Wien ausflog. Nach der Landung bot auch ihm Carlos die Hand. Der Pilot lehnte ab. Diese Szene hat der Darsteller des Piloten erfunden. Ich fand das wunderbar. Als Kontrapunkt. Beim ganzen OPEC-Teil habe ich mich sehr an die Notizen und Interviews des saudi-arabischen Ölministers Scheich Yamani gehalten, und an die ungemein genauen Erzählungen des damaligen venezolanischen Ministers bei der OPEC.“

Dem deutschen Baader-Meinhof-Streifen wurde vorgehalten, er habe zu wenig aus der Sicht der Opfer erzählt. Doch auch Olivier Assayas geht diesen Weg: „Man kann die Geschichte des Terrorismus einfach nicht aus der Sicht der Opfer beleuchten, denn dann wird es unweigerlich ein Film über die Opfer. Ich beurteile die Taten von Carlos jedoch nicht – ich zeige sie.“

Die Darsteller: „Da geschah eines der Wunder, die manchmal passieren. Ich stellte mir einen Lateinamerikaner vor, der mehrere Sprachen spricht, und den man auch physisch mit Carlos definieren konnte. Die klassische Methode der Castings funktionierte nicht. Unsere Casting-Direktorin versuchte alles, und fand niemanden. Da setzte sie die Suche im Internet fort und stieß auf ihn. Edgar Ramirez, genau im richtigen Alter, optisch ziemlich nahe – und mehrsprachig. Er filmte gerade in Bogotá. Wir holten ihn nach Paris. Wir plauderten. Es stellte sich heraus, dass sein Vater Militärattaché war, dass also gewissermaßen auch ein politischer Background da war. Von diesem Moment an konnte ich mir keinen anderen vorstellen. Er nahm damit eine Bürde von meinem Rücken. Edgar nahm den Carlos an und schnallte ihn auf seinen Rücken.“

Österreicherin als Herzdame

Dann auch noch die Österreicherin Nora von Waldstätten als Carlos’ Herzdame Magdalena Kopp: „Es war keine Rolle für eine der führenden französischen Schauspielerinnen da, so hatte ich freie Hand. Nun gibt es heute eine faszinierende Riege von deutschen und österreichischen Schauspielern. Ich ließ mir Bänder einer deutschen Casting-Agentur schicken, schaute mir eins nach dem anderen an. Nichts. Nichts für diese ungemein anspruchsvolle Rolle. Wir setzten einen Tag der Begegnungen in Berlin an. Begegnungen nenne ich das, denn ich hasse die üblichen Tests. Lieber habe ich Gespräche, gemeinsames Frühstück und so. Nora kam morgens um neun Uhr. Sie war die Erste. 15 Minuten, dann sagte ich zu meinen Leuten: ‚Ich habe sie gefunden. Wir können einpacken und nach Paris zurückfliegen!’“

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26. April 2024