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Das Psychogramm eines Massenmörders

Von Von Peter Grubmüller   09.Jänner 2009

OÖN: Am 2. Jänner wurden Sie 70. Ist 70 für Sie so ein Alter, das den Eintritt ins Altsein bedeutet?

Hummel: Keineswegs, ich betrachte das Leben als Kontinuum, und ich bin heute so pubertär wie schon immer.

OÖN: Wie spiegelt sich das Pubertäre in Ihrer Musik wider?

Hummel: (lacht) Ich spiele schon mein ganzes Leben mit immer wieder neuen Formen, und jedes Werk ist so, als hätte ich vorher nie etwas geschrieben. Deshalb glaube ich, dass eine große Portion Pubertät in mir werkt.

OÖN: Wo haben Sie über Joseph Fouché recherchiert?

Hummel: Die Hauptquelle war dieser psychologisch hervorragende Roman von Stefan Zweig. Meine Frau, von ihr stammt das Libretto, und ich sind übereingekommen, dass wir Fouché als eine Figur im Linzer Exil betrachten, in deren Erinnerungsspektrum die Vergangenheit aufleuchtet. Das schien uns für eine Oper tauglicher, als Daten abzuhandeln.

OÖN: Sie legten schon als Neunjähriger dem damals berühmten Dirigenten Eugen Papst erste Kompositionen vor. Richard Strauss förderte Sie, weil Sie als außergewöhnliche Pianistenbegabung galten. Wie lebten Sie mit dieser Bürde, ein Wunderkind zu sein?

Hummel: Eigentlich war es Pech, dass ich gut Klavier spielen konnte. Es hat dazu geführt, dass ich als junger Mensch, der Geld verdienen musste, Pianist geworden bin. Papst hat damals mit Strauss in Oberammergau in der Alten Post immer Karten gespielt und mich empfohlen. Strauss hat mir dann die bedeutende Beethoven-Pianistin Elly Ney als Lehrerin vermittelt. Meine Umgebung ist trotzdem vernünftig geblieben und hat mein Talent nicht für ein Wunder gehalten. Im Laufe meiner Karriere ist es in Vergessenheit geraten, dass ich auch komponiere – und wenn ich etwa von mir etwas gespielt hatte, schrieben die Kritiker: „Warum muss der Pianist komponieren?“ Später hab’ ich meine Werke unter Pseudonym veröffentlicht – und sie wurden für gut befunden. Auf dieser Eulenspiegel-Schiene bin ich einige Jahre gefahren. Mit 35 hab’ ich mit dem Klavierspielen aufgehört und nur mehr komponiert.

OÖN: Ist es eine besondere Verantwortung, eine Oper für eine Kulturhauptstadt zu schreiben?

Hummel: Nein, das ist kein Phänomen der Bewunderung, weil ich weiß, dass es auch eine kommerzielle Angelegenheit ist. Ich weiß außerdem, dass jeder Verantwortliche einer Kulturhauptstadt in Not ist, wie das Unternehmen gut zu gestalten wäre. Arrogant, wie ich bin, denk’ ich, dass „Fouché“ eine besondere Oper geworden ist. Ich habe sie mit einer merkwürdigen Begeisterung geschrieben.

OÖN: Woher kam diese Begeisterung, wenn sie nichts mit dem besonderen Auftrag zu tun hat?

Hummel: Dieses Psychogramm von Fouché zu erstellen, das Psychogramm eines wahnsinnigen Massenmörders, hat mich begeistert. In diesem Fall schließt sich vielleicht der Kreis zu Linz. Diese Stadt hat ein Problem, ohne etwas dafürzukönnen. Sie wurde von Hitler, also auch von einem Wahnsinnigen, geliebt. Dass sich Linzer für Hitler schämen, halte ich aber für völlig deplatziert. Ich sehe es auch skeptisch, wenn sich eine Stadt wie Linz wegen political correctness von Hitler befreien will, den Linz gar nicht verschuldet hat.

OÖN: Welchen Eindruck macht Linz auf Sie?

Hummel: Ich mag Linz schon lange. Es ist eine nicht zu große Stadt mit guter Atmosphäre. Eine Stadt erschließt sich ja auch über die Menschen, und die Linzer, die ich kenne, die mag ich meistens. Bei mir ist das auch ein österreichisches Phänomen, weil ich die Österreicher lockerer und phantasievoller als die Deutschen empfinde. Wenn ein Bayer hochdeutsch spricht und sich philosophisch gebärdet, dann hat man ein provinzielles Gefühl. Wenn ein Österreicher seinen Dialekt anwendet und Philosophie erzählt, dann klingt es authentisch. Der bayrische Dialekt wird von der deutschen Oberschicht denunziert, die Österreicher sind bei ihrer Identität weniger ängstlich.

OÖN: Wie sollte die Identität einer Kulturhauptstadt gestaltet sein?

Hummel: Eine Kulturhauptstadt muss ihre kulturellen Fähigkeiten bündeln – Künstler aus der Stadt, und Kunst, die die Stadt repräsentiert, im Sinne einer relevanten Selbstdarstellung. Kultur einzukaufen, macht eine Kulturhauptstadt uninteressant. Wenn die Stadt zeigen will, dass sie viele gute Kulturmanager hat, die ihren Bekanntenkreis in der halben Welt haben, dann ist das Thema verfehlt. Wo Linz in diesem Punkt steht, kann ich nicht beurteilen. Eitelkeiten und Selbstdarstellungsprobleme gibt es aber überall. Eine Kulturhauptstadt darf jedenfalls kein Reklame-Event sein, nur weiß man das nie so genau.

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26. April 2024